Rationalisierung der Gefühle, ein Abwehrmechanismus
Du bist logisch und rational, organisiert und vorausschauend? Viele Menschen mit diesen Eigenschaften haben Angst, wenn sie die Kontrolle verlieren und ihre Gefühlswelt nicht beherrschen können. Die Rationalisierung der Gefühle ist ein Abwehrmechanismus, der unseren Vorfahren half, in einer feindlichen Umwelt zu überleben und ihre psychische Integrität zu schützen. Wird diese Strategie jedoch zur Gewohnheit, schränkt sie dich ein und hindert dich daran, das Leben in all seinen Facetten zu erfahren.
Rationalisierung der Gefühle
Die Rationalisierung der Gefühle besteht darin, dass du eine logische Erklärung suchst oder ausdenkst, um unangenehmen Gefühlen, die oft durch Fehlverhalten entstehen, einen Sinn zu geben. Dies scheint nicht negativ zu sein, doch du verlierst dadurch die Möglichkeit, deine Gefühlswelt zu erleben, dich mit dieser Realität zu verbinden und sie zu akzeptieren.
Es handelt sich um eine Flucht, denn du versuchst, deine Gefühle mit dem Verstand zu erklären, wenn du nicht damit umzugehen weißt. Wir können diesen Mechanismus häufig in alltäglichen Situationen beobachten:
- Rechtfertigung von Fehlverhalten: Du hast zu wenig für eine Aufnahmeprüfung gelernt und redest dir selbst ein, dass du dieses Studium eigentlich nicht machen möchtest. Oder du gehst unvorbereitet zu einem Jobinterview und überzeugst dich noch bevor du ankommst selbst davon, dass du diesen Job nicht haben willst.
- Verdrängung von Schwächen und Grenzen: Wenn du schlechte soziale Fähigkeiten hast, rationalisierst du diese Situation, um dich davon zu überzeugen, dass es dir ohne Freunde besser geht.
- Schutz vor überwältigenden emotionalen Situationen: Wenn dich dein bester Freund fallen lässt, ist die Enttäuschung groß. Anstatt deine Gefühle zu analysieren, zu akzeptieren und damit umzugehen, suchst du logische Gründe, um diese Situation besser zu verstehen.
- Vermeidung von Selbstreflexion: Um schmerzliche Gefühle zu blockieren, konzentrierst du dich vielleicht auf den Verstand, anstatt dich damit auseinanderzusetzen.
- Umgang mit Widersprüchen: Bist du dir bewusst, dass deine Beziehung schädlich ist, aber du beendest sie trotzdem nicht? Auch hier ist die Rationalisierung der Gefühle ein Abwehrmechanismus, der dich einschränkt. Ein in der Zeitschrift American Psychologists veröffentlichter Artikel erinnert daran, dass dir die Rationalisierung in dieser Situation hilft, dich kohärent zu fühlen.
Warum die Rationalisierung der Gefühle schädlich sein kann
Dieser Abwehrmechanismus hilft, Enttäuschungen, Scham, Einschränkungen oder Schmerzen zu vermeiden. Die Rationalisierung der Gefühle ist eine Strategie, um Schwächen zu verleugnen und emotionale Konflikte oder Stressoren zu verdrängen. Warum lassen wir die Gefühle nicht einfach zu?
Die Rationalisierung der Gefühle kann funktional und notwendig sein: Wenn du in einem feindseligen, unberechenbaren familiären Umfeld aufwächst, erlebst du Schmerz, Chaos und Verwirrung. Für ein Kind ist es schwierig, damit umzugehen, deshalb entwickelt ese verschiedene Schutzmechanismen. Die Rationalisierung der Gefühle kann ihm in dieser Situation helfen, die ständige Ungewissheit, die mangelnde Kontrolle und den Schmerz zu ertragen.
Wenn es an emotionaler Intelligenz und an Ressourcen mangelt, um Gefühle angemessen zu verarbeiten, kann die Flucht in den Verstand hilfreich sein. Manche Menschen haben nie gelernt, mit ihren Gefühlen umzugehen, andere machen die Erfahrung, dass es gefährlich sein kann, mit den Emotionen in Kontakt zu treten, denn sie könnten zurückgewiesen werden.
In solchen Momenten ist die Rationalisierung der Gefühle vielleicht die einzige Möglichkeit, um diese schwierigen Herausforderungen zu ertragen. Wer diese Erfahrung macht, verwendet diese Strategie nach Bedarf auch in anderen Situationen, denn die Rationalisierung erleichtert Entscheidungen. Sie sollte jedoch nicht zur Gewohnheit werden.
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Lerne, deine Gefühle zu akzeptieren
Kurzfristig blockiert die Rationalisierung deine Gefühle, langfristig verhindert sie jedoch, dass du deine Realität so siehst, wie sie ist. Ein in der Zeitschrift Behavioral & Brain Sciences veröffentlichter Artikel macht deutlich, dass dieser Abwehrmechanismus mit einer schlechteren emotionalen Entwicklung und einer Vielzahl von antisozialen Verhaltensweisen in Verbindung steht.
Du musst deshalb lernen, deine Gefühle zu verstehen und zu akzeptieren. Folgende Methoden helfen dir dabei:
- Achtsamkeit: Wenn du regelmäßig Mindfulness praktizierst, kannst du dich besser auf das Hier und Jetzt konzentrieren und deine Gefühle akzeptieren.
- Bewegung: Wenn du aktiv bist und dich auf deinen Körper konzentrierst, fällt es dir einfacher, deine Gefühle zu bewältigen.
- Du bist mehr als dein Verstand: Auch wenn du gerne logische, wissenschaftliche und intellektuelle Erklärungen suchst, musst du lernen, deine Gefühle zu akzeptieren und zuzulassen. Du bist deshalb nicht schwach oder irrational.
- Entdecke deine Gefühlswelt: Wenn Gefühle aufkommen, denke darüber nach, benenne sie und lasse sie zu. Beobachte deine körperlichen Empfindungen und Veränderungen. Versuche nicht, das Gefühl zu begründen oder zu bewerten, öffne dich für diese Erfahrung und akzeptiere deine Gefühle.
Übung macht den Meister
Wenn du dich durch die Rationalisierung deiner Gefühle jahrelang sicher gefühlt hast, musst du damit beginnen, deine Gefühle zuzulassen, zu akzeptieren und schließlich loszulassen. Wenn du dich bewusst dafür entscheidest, deine Gefühlswelt zu erkunden und deinen Emotionen Raum gibst, benötigst du in vielen Situationen keine rationalen Erklärungen. Du wirst feststellen, dass dies eine sehr befreiende Übung ist und deine Ängste deutlich abnehmen werden.
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