Psychologische Auswirkungen von Myasthenia gravis

Obwohl Myasthenia gravis eine schwerwiegende und chronische Autoimmunerkrankung ist, finden viele Patienten einen Umgang mit ihr und nehmen die Einschränkungen kaum als Behinderung wahr.
Psychologische Auswirkungen von Myasthenia gravis

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 20. März 2024

Myasthenia gravis, auch unter der Bezeichnung Myasthenie oder der Abkürzung MG bekannt, ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der die Signalübertragung von den Nerven zu den Muskeln gestört ist. Da es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, leiden Patienten mit Myasthenia gravis oft unter starken psychischen Beeinträchtigungen.

Welche Symptome treten bei Myasthenia gravis auf?

Muskelschwäche, insbesondere an den Augenmuskeln, Augenlidern, der Kau- und Schluckmuskulatur sowie an der Rumpfmuskulatur bildet das Leitsymptom der Erkrankung. Die Schwäche der Muskeln kann sich unter anderem im Sehen von Doppelbildern, Schluckstörungen und Atemnot manifestieren.

Die Symptome verschlimmern sich im Laufe des Tages oder bei wiederholter körperlicher Belastung. Häufig treten Sprechstörungen auf, die die Kommunikation der Patienten mit ihrer Umwelt erschweren.

Aufgrund der Vielzahl an Symptomen ist ein Leben mit dieser Form von Muskelschwäche eine ständige Herausforderung, die auch psychisches Leiden verursacht.

Die Prävalenz der Myasthenie liegt in Deutschland bei zehn bis 36 Personen pro 100.000 Einwohner. Das bedeutet, dass hierzulande zwischen 8.400 und mehr als 30.000 Menschen von der Erkrankung betroffen sind.

traurige frau mit myasthenia gravis

Welche Auswirkungen hat Myasthenia gravis auf die Psyche?

Fachleute differenzieren zwischen zwei Phasen, in denen die Betroffenen unter psychischen Beeinträchtigungen aufgrund der Erkrankung leiden: der Zeit vor und nach der Diagnose.

Psychische Beschwerden vor der Diagnose einer Myasthenia gravis

Die Symptome der Autoimmunerkrankung setzen schleichend ein. Oftmals vergehen zwischen den ersten Krankheitszeichen und der gesicherten Diagnose der Erkrankung mehrere Jahre. Während dieses Zeitraums sind die Betroffenen mit negativen Reaktionen aus ihrem sozialen Umfeld konfrontiert.

Häufig sehen sich die Patienten dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden die Symptome simulieren, um sich ihren beruflichen und/oder privaten Verpflichtungen zu entziehen. Freunde und Angehörige neigen dazu, die Beschwerden auf psychische Probleme zurückzuführen. Die Patienten leiden in dieser Zeit unter zunehmenden Selbstzweifeln, die durch das Fehlen einer eindeutigen Diagnose verstärkt werden.

Viele Betroffene erleben zudem die umfangreichen Diagnoseverfahren, deren Ausgang ungewiss ist, als erhebliche Belastung.

Psychische Beschwerden nach der Diagnose einer Myasthenia gravis

Dank moderner Behandlungsmethoden, auf die die meisten Patienten ansprechen, ist ein langes und erfülltes Leben trotz geringer Einschränkungen möglich.

Auf die Diagnose reagieren die Betroffenen individuell unterschiedlich. Viele Patienten verspüren eine gewisse Erleichterung, wenn die Ursache der unklaren Symptome einen Namen bekommt und der behandelnde Arzt eine Therapie einleiten kann.

Im Anschluss an die Diagnosestellung erleben die meisten Betroffenen eine Phase, die Fachleute als die Zeit der zehntausend Konfrontationen bezeichnen. In dieser Krankheitsphase leiden die Patienten, die sich der Konsequenzen der Erkrankung zunehmend bewusst werden, unter einer Verschlechterung der Stimmung. Diese erreicht in bis zu 50 % der Fälle den Schweregrad einer klinisch relevanten Depression. Hinzu treten soziale Ängste und eine daraus resultierende Neigung zur Isolation von den Mitmenschen.

Weiterhin leiden die Betroffenen vermehrt unter Schlaflosigkeit und/oder klinisch relevanter Fatigue. Studien zeigen, dass rund 56 % der von Myasthenia gravis betroffenen Patienten unter dem Erschöpfungssyndrom leiden, das gehäuft infolge von Autoimmunerkrankungen auftritt. Die erhobenen Forschungsdaten weisen des Weiteren nach, dass die Krankheitszeichen der Myasthenie stärker ausgeprägt sind, wenn gleichzeitig eine klinisch relevante Fatigue vorliegt.

Das Ausmaß der psychischen Symptome hängt von der Persönlichkeit des Patienten ab. Zu beobachten ist, dass sich problematische Grundmuster in der Zeit nach der Diagnosestellung verstärken, insbesondere dann, wenn die Betroffenen zuvor zu Passivität oder Abhängigkeit neigten. Wer sich schwertut, vermeintliche Schwächen zuzugeben, verneint tendenziell die Konsequenzen, die sich aus der Diagnose für die Lebensführung ergeben.

Einen langfristigen Umgang mit Myasthenia gravis finden

Myasthenia gravis ist eine nicht heilbare Erkrankung. Dennoch lassen sich die Symptome durch eine von den behandelnden Ärzten engmaschig überwachte Behandlung auf ein Maß reduzieren, das ein weitgehend unbeeinträchtigtes Leben ermöglicht.

Wie die meisten anderen Autoimmunerkrankungen verläuft Myasthenia gravis in Schüben. Das bedeutet, dass die Schwere der Symptome überraschend zunehmen kann. Diese Unberechenbarkeit des Krankheitsbildes, die sich erheblich und unvorhersehbar auf die alltägliche Lebensführung auswirkt, führt zu starken emotionalen Schwankungen. Die Patienten sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, ihren Lebensstil kontinuierlich an die Schwere der Erkrankung anzupassen.

Verschiedene Erfahrungsberichte von Betroffenen schenken Hoffnung: Dank einer Anpassung des Lebensstils und ärztlicher Hilfe gelingt es vielen Menschen mit Myasthenia gravis, die Erkrankung subjektiv nicht mehr als Behinderung wahrzunehmen.

Psychologische Auswirkungen von Myasthenia gravis verstehen und akzeptieren

Die psychischen Beschwerden bei Myasthenia gravis sind Folge der körperlichen Einschränkungen und der damit verbundenen Herausforderungen im Alltag. Sie treten besonders häufig in der Zeit um die Diagnosestellung auf, wenn die Betroffenen lernen müssen, mit der Krankheit zu leben. Obwohl Myasthenia gravis eine schwerwiegende und chronische Autoimmunerkrankung ist, finden viele Patienten einen Umgang mit ihr und nehmen die Einschränkungen kaum als Behinderung wahr.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.