Perfekte Kinder, Kinder unter Druck
„Warum hast du keine 1 bekommen?”, „In deinem Alter war ich der Klassenbeste!”, „Du musst noch härter arbeiten und du wirst nicht aufhören, zu pauken, bis du es perfekt kannst!”, klingelt es permanent in den Ohren von Kindern, die unter Druck gesetzt werden. Natürlich wollen ihre Eltern nur das Beste für sie und es ist nicht ihre Absicht, ihre Kinder unter Druck zu setzen, bis sie darunter leiden, sondern sie dazu anzuspornen, hervorragende Leistungen zu bringen. Aber hinter den Erwartungen verstecken sich oft unverarbeitete Probleme Erwachsener aus deren eigener Vergangenheit, die zu Komplexen geführt haben, die nun auf den Nachwuchs übertragen werden.
Kinder unter Druck: Wenn Perfektion nicht gut genug ist
Nachdem er wochenlang Tag und Nacht gelernt hatte, bekam Peter schließlich die 1, die seine Eltern von ihm verlangt hatten. Als er mit dem Ergebnis in der Hand nach Hause kam, glücklich darüber, was er erreicht hatte, blickten seine Eltern ihn an und forderten, statt ihm zu gratulieren: „Wir hoffen, dass du von jetzt an nur noch solche Noten nach Hause bringst.”
Agnes ist ein Mädchen, deren Eltern sie dazu zwangen, Ballettstunden zu nehmen. Von klein auf trug sie Spitzenschuhe und einen strengen Dutt, ging zu allen Unterrichtsstunden und blieb sogar länger, um allein vor dem Spiegel zu üben. Zu Hause hörte sie sich immer wieder die Melodie an, zu der sie bei ihrem Auftritt am Ende des Jahres tanzen sollte. An dem heiß ersehnten Tag ging die ganze Familie ins Theater, um ihr zuzusehen. Am Ende des Auftritts gingen ihre Eltern zu ihr und warnten sie, dass sie nächstes Mal lieber besser tanzen solle als ihre Freunde, obwohl die Lehrerin sie als Hauptdarstellerin gewählt hatte.
Maria und Matthias’ Kinder müssen Klavierstunden und Tennisunterricht nehmen, weil das ihre jeweiligen Träume waren, als sie selbst noch klein waren. Den Kindern gefallen die Notenschlüssel und Schläger nicht, aber das spielt keine Rolle. Sie müssen, weil es der Wunsch ihrer Eltern ist. Schon seit ihrer Hochzeit wünschen sich die beiden, dass ihre Kinder die erfolgreichen Pianisten und Tennisspieler werden, die sie nicht sein konnten.
Diese Situationen klingen vielleicht an den Haaren herbeigezogen, aber es gibt sie wirklich. Eltern sind sich oft nicht darüber bewusst, dass sie ihren Kindern Schaden zufügen, der sie ein Leben lang verfolgen wird, indem sie von ihnen verlangen, perfekt zu sein.
Kinder anspornen oder unter Druck setzen?
Natürlich wollen die meisten Eltern ihren Kindern nichts Böses, doch durch ihr Unwissen erschaffen sie, statt zu helfen, einen zukünftigen Erwachsenen voller Komplexe und Traurigkeit, der unfähig ist, seine eigenen Fehler zu akzeptieren. Aber wo liegt die Grenze zwischen anspornen und unter Druck setzen?
Der feine Unterschied besteht in der Einstellung zu Erfolgen und Misserfolgen, im Interesse an den Interessen des Kindes. Um es verständlicher auszudrücken, Madeline Levine erwähnt in ihrem Buch The Price of Privilege (Der Preis des Privilegs, nicht auf Deutsch verfügbar), dass die Verbindung von Erwachsenen zu ihren Kindern, deren Teilhabe an ihren Aktivitäten, den Nachwuchs stimuliert. Wenn auf der anderen Seite persönliche Wünsche über dem Wohl der Kinder stehen und die Erwachsenen kontinuierlich fordern, selbst aber auf andere Aktivitäten wie ihre Arbeit oder den Haushalt konzentriert sind, nennt man es Druck.
Ist Druck etwas Neues?
Es ist keine Errungenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts, dass Kinder schon von klein auf eine Menge außerschulischer Aufgaben zu erledigen haben: Noch zu Beginn des Jahrhunderts wurden sie frühzeitig zur Arbeit herangezogen. Heute stehen Training beim Sportverein, Musikunterricht, Malstunden, Pfadfindertreffen und Tanzveranstaltungen auf dem Plan, und die Liste kann endlos fortgeführt werden. Das ist zum einen so, weil Eltern lange Arbeitszeiten haben und sich nicht um die Kinder kümmern können, und zum anderen nehmen sie an, dass sie so „das Beste aus ihnen herausholen.”
Es ist nicht schlecht, Sport zu treiben oder eine Fremdsprache zu lernen. Was nicht ganz richtig sein kann, ist, sie zu etwas zu drängen, das sie nicht möchten oder sie sie damit unter Druck zu setzen, dass sie „schlechte Kinder” oder „undankbar” seien, oder „etwas nicht verdient” hätten, wenn sie nicht perfekt sind.
Wie man es vermeidet, perfekte Kinder zu wollen
Bevor wir versuchen, ideale Kinder heranzuziehen, sollten wir uns erst einmal die Frage stellen, was wir unter Perfektion überhaupt verstehen. Wäre es nicht besser, wenn die Kinder einfach glücklich wären mit dem, was sie tun? Natürlich gibt es Grenzen. Wir sprechen nicht davon, es einfach hinzunehmen, dass sie nicht mehr zur Schule gehen oder sie ganz abbrechen. Großartige Dinge für unsere Kinder zu wollen ist sogar die Aufgabe der Eltern. Aber welcher Preis muss bezahlt werden, um das zu erreichen?
Motiviere deine Kinder, ihr Bestes zu geben, und zwar unabhängig vom Ergebnis. Sie stolz, wenn sie Fortschritte machen. Bezeichne sie nicht mit negativen Adjektiven, wenn sie nicht die besten Noten haben. Frage sie, wie sie sich fühlen, wenn sie in die Schule gehen, oder was sie gern tun würden, wenn sie aus der Schule kommen.
So wirst du Erwachsene heranziehen, die Hindernisse in ihrem Leben überwinden können, die ihr Potenzial voll ausleben können, ohne sich mit anderen vergleichen zu müssen, und die vor allem mit der Zukunft, für die sie sich selbst entscheiden, glücklich sind.