Normalisierung: Worum genau geht es hierbei eigentlich?
Hast du jemals den Satz “lasst uns das normalisieren” in Bezug auf psychische Erkrankungen, Sexualität, Emotionalität oder Geschlechterrollen gehört? In letzter Zeit hat diese Normalisierung viele Personengruppen sichtbar gemacht, die nicht mehr sozial ausgegrenzt werden möchten. Allerdings wurde dieser Begriff nicht immer in der Soziologie verwendet.
In unserem heutigen Artikel findest du eine kurze Zusammenfassung dessen, was Normalisierung in diesem Kontext bedeutet. Du erfährst mehr über ihre Ursprünge, ihre Anwendung und wie sie die Gesellschaft dazu gebracht hat, zu hinterfragen, was eigentlich normal ist. Wie viele andere wird auch dieser Begriff täglich neu definiert. Wir können jedoch sagen, dass seine Grundlagen gut etabliert sind.
Woher kommt der Begriff “Normalisierung”?
Vielleicht hast du dieses Wort in letzter Zeit ein paar Mal gelesen, insbesondere im Kontext des gesellschaftlichen Wandels. Der Philosoph Michel Foucault prägte als erster den Begriff Normalisierung. Bevor er ihn auf das Gebiet der Soziologie anwandte, war Normalisierung oder Standardisierung ein statistischer Begriff, der sich auf den mathematischen Prozess bezog, bei dem ein Datensatz einer Normalverteilung entsprach.
Foucault benutzte diesen Begriff, um etablierte Macht zu kritisieren, da er das “Normale” (und somit das Akzeptable und Wünschenswerte) mit einer etablierten Norm assoziierte. Allerdings bot diese Regulierung auch die Möglichkeit, Gruppen zu kontrollieren und war somit weitaus mehr als eine bloße Sammlung koexistierender gesellschaftlicher Normen.
Was bedeutet “Normalisierung” eigentlich?
Um zu verstehen, was Normalisierung bedeutet, solltest du dir vor Augen führen, dass sie sich auf einen Prozess bezieht, bei dem ein bestimmtes Verhalten für eine Gruppe von Menschen als normal (das heißt innerhalb der Norm) angesehen wird. Foucault postulierte in seinem Buch Überwachen und Strafen, dass ein Verhalten normal wird, wenn es zwei Bedingungen erfüllt:
- Wenn Individuen dieses Verhalten idealisieren. Dies geschieht zum Beispiel, wenn die Leute glauben, dass das Verhalten an sich gut ist. Zweitens, wenn sie es als ein Ziel betrachten, das sie ihr ganzes Leben lang erreichen müssen. Ein Beispiel dafür ist die Ehe. Denke einmal darüber nach. In der Gesellschaft gilt es nach wie vor als ideal, eine offiziell unterzeichnete Verpflichtung gegenüber jemandem einzugehen.
- Das System belohnt den Einzelnen für die Erfüllung dieser Normen. Wenn wir bei dem Beispiel der Heirat bleiben, so bringt diese eine Reihe von Vorteilen mit sich. Zum Beispiel bekommt der Ehepartner eine Arbeitserlaubnis oder sogar eine neue Staatsangehörigkeit.
Grundsätzlich akzeptiert, erstrebt und organisiert die gesellschaftliche Mehrheit das, was sie je nach ihrem kulturellen Kontext für normal hält.
Der Normenbegriff in der jungen Generation
Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Wirtschaftskrise von 2008 und die Veränderungen in den Familienmodellen unglaublich entscheidend für die Entwicklung des kollektiven Denkens waren. Infolgedessen kritisieren fast alle philosophischen Diskurse auf die eine oder andere Weise bereits etablierte Normen. Darüber hinaus ist in einer Gesellschaft, die von Individualismus, Vielfalt und ständigem Wandel geprägt ist, “das Normale” eine Vorstellung, die immer weiter verschwimmt.
Es ist kein Geheimnis, dass neue Generationen im Denken Fortschritte gemacht und diese Veränderungen angenommen haben. Dies hat das Wort “Normalisierung” zu einem Leitspruch vieler sozialer Integrationsbewegungen gemacht. Zum Beispiel in Bezug auf psychische Störungen, Sexualität und funktionelle Vielfalt.
Allerdings hat sich das Konzept der Normalisierung auch stark verändert. Wenn es zum Beispiel um Integrationsbewegungen geht, ist Normalisierung das Gegenteil von Ausgrenzung. Um diese Normalisierung zu erreichen, müssen sich Individuen auf verschiedene Strategien verlassen:
- Öffentlichkeit. Sichtbarkeit ist wichtig, da sie es Minderheiten ermöglicht, auf psychologischer Ebene nicht fremd und distanziert zu wirken. In den sozialen Netzwerken findet man aufgrund ihrer großen Reichweite zahlreiche Beispiele dafür.
- Bildung, die auf Vielfalt ausgerichtet ist. In den jungen Generationen haben Integrationsprogramme entscheidend zu einem offeneren und integrativeren Denken beigetragen.
- Aufnahme in den gesetzlichen Rahmen. Es geht darum, dass das gesellschaftspolitische System und die Gesetzgebung möglichst viele Gruppen berücksichtigen.
- Verhaltensverstärkung. Mit dieser Normalisierung sind bestimmte Vorteile verbunden, zum Beispiel die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Schaffung sicherer Räume.
Die Vor- und Nachteile der Normalisierung
Die Einführung dieses Begriffs in die Alltagssprache hat die Situation vieler Minderheitengruppen verbessert. Sicherlich kennst du zahlreiche Unterstützungsprogramme, Gesetze und Bewegungen zugunsten bestimmter Gruppen, zum Beispiel für Einwanderer, die LGBT+-Community, Menschen mit psychischen Störungen und sogar nicht-menschliche Lebewesen.
Darüber hinaus hat die Forschung auch gezeigt, dass die Normalisierung destruktiver Verhaltensweisen ein erhebliches Hindernis für die Umsetzung von Lösungen für verschiedene soziale Probleme wie Sucht und Gewalt sein kann.
Außerdem haben einige Gruppen nicht von der Normalisierung profitiert. Große Kollektive, die früher die Vorteile des “Normalseins” genossen, leiden jetzt unter dem Verlust von Privilegien oder gesellschaftlicher Anerkennung. Infolgedessen kommt es häufig zu Konfrontationen zwischen verschiedenen Gruppen.
Wie du siehst, handelt es sich um einen offenen Prozess. Die Normalisierung eröffnet neue Wege zu einer inklusiveren Gesellschaft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Wort “normal” für immer mehr Personengruppen Sinn stiftet.
“Wo Macht ist, da ist Widerstand.”
-Michel Foucault-
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