Nahrungsmittelphobien sind nicht auf die Angst vor Gewichtszunahme zurückzuführen

Hast du schon einmal von Nahrungsmittelphobien gehört? Sie können schwerwiegende Folgen haben und das Leben der Betroffenen mitunter stark einschränken. Lies weiter, um mehr über dieses interessante und wichtige Thema zu erfahren!
Nahrungsmittelphobien sind nicht auf die Angst vor Gewichtszunahme zurückzuführen

Letzte Aktualisierung: 07. Juni 2021

Wie viele verschiedene Phobien kennst du? Obwohl es sicher Hunderte gibt, treten einige häufiger auf als andere. Es gibt beispielsweise Kynophobie (die Angst vor Hunden), Arachnophobie (Angst vor Spinnen), Achluophobie (extreme Angst vor Dunkelheit), Akrophobie (Höhenangst) und viele weitere. Und vermutlich kennst du jemanden, der eine Phobie hat oder leidest vielleicht sogar selber daran. Es gibt einige weniger bekannte klinische Ängste, die das Leben der Betroffenen dennoch stark einschränken können. Obwohl du vielleicht noch gar nicht davon gehört hast, sind Nahrungsmittelphobien ein Beispiel für derartige Phobien.

Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Phobien, die sehr umfangreich sind. Nahrungsmittelphobien reichen von der Angst, neue Lebensmittel auszuprobieren, über die Angst, Lebensmittel zu schlucken, bis hin zu der Angst, bestimmte Arten von Lebensmitteln zu essen, weil sich der Betroffene vor einer Vergiftung fürchtet. Allerdings ist das Essen ein primäres Bedürfnis des Menschen und daher können Nahrungsmittelphobien schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Welches sind die häufigsten Arten? Stehen sie im Zusammenhang mit anderen Essstörungen wie Anorexia nervosa? Was sind die Konsequenzen, die sich aus derartigen Phobien ergeben? In unserem heutigen Artikel findest du Antworten auf diese und weitere Fragen!

Nahrungsmittelphobien - Kind schiebt Teller mit Gemüse von sich weg

Was genau ist eine Phobie?

Eine Phobie ist eine Reaktion in Form irrationaler Angst auf harmlose oder schädliche Reize, auf die die meisten Menschen kontrolliert und gelassen reagieren können. Möglicherweise, weil die Person, die Angst hat, nicht über die Ressourcen verfügt, sich ihr zu stellen.

Phobische Reaktionen sind maladaptiv (fehlangepasst) und können das tägliche Leben der betroffenen Menschen teilweise stark beeinträchtigen. Daher erfordern derartige Reaktionen gezielte Aufmerksamkeit und müssen in der Regel auch behandelt werden. Wenn die Phobie ein physiologisches Grundbedürfnis wie Nahrung beeinträchtigt, ist dies umso wichtiger.

Vielleicht weißt du dies nicht, aber Phobien treten normalerweise in der Kindheit oder Jugend auf. Außerdem werden sie normalerweise erlernt. Die direkte Erfahrung mit dem phobischen Reiz, stellvertretendes Lernen (durch Beobachten anderer), ist der Hauptweg, um eine Phobie zu erwerben. Zum Beispiel könnte es ausreichen, an einer Erdnuss fast erstickt zu sein, um eine Erdnussphobie zu entwickeln.

Ebenso gibt es den ziemlich kuriosen Garcia-Effekt. Das ist die Angst vor einer Lebensmittelvergiftung. Dieser Effekt erklärt, warum Menschen bestimmte Arten von Lebensmitteln (oder Produkte, die einen ähnlichen Geschmack haben) kategorisch ablehnen, da sie irgendwann einmal nach dem Verzehr eines dieser Nahrungsmittel erkrankt sind.

Wenn du eine Lebensmittelvergiftung hattest oder auch nur geringe Beschwerden nach dem Konsum erlitten hast, kann es in der Folge zu einer konditionierten Geschmacksabneigung kommen. Dies liegt daran, dass dein Gehirn den Geschmack mit unangenehmen Empfindungen verbindet.

Wie wir bereits erwähnt haben, gibt es unzählige Arten von Phobien, aber in unserem heutigen Artikel konzentrieren wir uns speziell auf Lebensmittelphobien. Was genau ist das eigentlich und welche Arten gibt es?

Ein Überblick über die Vielfalt der Nahrungsmittelphobien

Nahrungsmittelphobien sind eine Gruppe von Phobien, die sich auf verschiedene Aspekte in Zusammenhang mit Lebensmitteln beziehen. Das kann die Angst vor dem Ausprobieren neuer Lebensmittel sein, die Angst, Nahrung herunterzuschlucken, die Angst vor einer Lebensmittelvergiftung oder die Angst, eine bestimmte Lebensmittelgruppe zu verzehren. Wie die meisten Phobien werden Nahrungsmittelphobien normalerweise erlernt, wie wir oben bereits erwähnt haben.

Die wichtigste Konsequenz ist die aktive Vermeidung des phobischen Reizes. Tatsächlich kann dies zu einer übertriebenen Ernährungseinschränkung und zur Unterernährung führen.

Nahrungsmittel-Neophobie, die Angst vor unbekannten Lebensmitteln

Diese Phobie beschreibt die Weigerung, neue Lebensmittel auszuprobieren. Wörtlich bedeutet sie, “Angst, unbekannte Lebensmittel zu probieren”. Neophobie ist ein in der Kindheit relativ häufig auftretendes Phänomen, insbesondere im Alter von zwei bis drei Jahren. Obwohl diese Phobie in der Regel nach dem fünften Lebensjahr verschwindet, kann sie in einigen Fällen auch bis ins Erwachsenenalter andauern.

Darüber hinaus gibt es für dieses Phänomen eine evolutionäre Erklärung. Man könnte sagen, Nahrungsmittel-Neophobie ist ein Abwehrmechanismus. Denn unbekannte Lebensmittel waren in den Zeiten, in denen die Menschen ihre Lebensmittel selbst sammelten, durchaus ein Risiko, da der Verzehr unbekannter Produkte häufig zu Vergiftungen und sogar zum Tode führte.

Daher sind zwei- bis dreijährige Kinder, die neue Lebensmittel ablehnen, keine wählerischen Esser. Sie passen sich hauptsächlich an neue Geschmäcker und Texturen an, die sie irgendwann tolerieren werden (mit einigen Ausnahmen).

Tatsächlich gibt es eine genetische Veranlagung für diese Art von Phobie. Schätzungen zufolge sind 78 % der Fälle von Nahrungsmittel-Neophobie genetisch bedingt. Darüber hinaus spielt das Lernen eine grundlegende Rolle. Mit anderen Worten, Kinder lernen zu einem großen Teil, indem sie ihre Vorbilder (Eltern und ältere Geschwister) beobachten und imitieren. Infolgedessen kann man also davon ausgehen, dass Kinder das Verhalten wiederholen, was sie zu Hause sehen und erleben. Wenn sich also die Vorbilder dieser Kinder weigern, ein bestimmtes Essen oder Lebensmittel zu probieren, wiederholen auch die Kleinen dieses Verhalten, weil sie es für richtig halten.

Nahrungsmittelphobien - Kind bedeckt sich den Mund

Phagophobie oder die Angst vor dem Schlucken von Lebensmitteln oder Flüssigkeiten

Bei dieser Phobie geht es um die Angst, Nahrung zu schlucken. In der Regel haben Betroffene eine schlechte Erfahrung beim Schlucken gemacht, während der sie beinahe an der Nahrung erstickt wären. Diese Angst ist das so stark, dass sich daraus eine Phobie entwickelt. Im Gegensatz zu Nahrungsmittel-Neophobie kann Phagophobie in jedem Alter auftreten.

Grundsätzlich ist es erst einmal verständlich, dass du ein bestimmtes Lebensmittel ablehnst, wenn du kurz davor warst, daran zu ersticken; das willst du nicht noch einmal erleben. Aber das Problem bei der Phagophobie besteht darin, dass sich diese Angst verallgemeinern und auf andere Nahrungsmittel ausdehnen kann. Infolgedessen kann sich die Bandbreite dessen, was ein Betroffener tatsächlich angstfrei essen kann, stark einschränken. Manche Menschen entwickeln eine Phobie gegenüber jeglicher Art von Lebensmitteln, sogar gegenüber Flüssigkeiten.

Wenn sich derartige Phobien manifestieren, beginnen die Betroffenen, aus Angst, feste Nahrung zu schlucken, damit, nur noch flüssige oder pürierte Nahrung zu essen. Wenn du ein derartiges Verhalten an dir oder einem dir nahestehenden Menschen beobachtest, solltest du ihn dazu ermutigen, leicht krümelige und gut kaubare Lebensmittel zu essen. Anschließend kann der Betroffene allmählich wieder zu festerer Nahrung übergehen.

Wenn jemand an einer Phobie leidet, bei der der Betroffene Angst vor dem Trinken von Flüssigkeiten hat, kann man damit beginnen, Verdickungsmittel zu verwenden, um die Textur der Flüssigkeiten zu verändern. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Phagophobiker ausreichend mit Flüssigkeit versorgt wird. Danach kann man den Anteil der Verdickungsmittel schrittweise reduzieren.

Cibophobie oder die Angst vor allergischen Reaktionen und Rauschzuständen

Diese Art von Phobie hängt eher mit der Lebensmittelsicherheit im Allgemeinen zusammen. Cibophobie ist die Angst vor möglichen Lebensmittelvergiftungen oder allergischen Reaktionen. Die Betroffenen überprüfen vor dem Verzehr eines Lebensmittels übermäßig gründlich sowohl dessen Zustand als auch das angegebene Verfallsdatum.

Diese Phobie hängt eng mit dem bereits erwähnten Garcia-Effekt zusammen. Normalerweise wird Cibophobie mit einer Lebensmittelvergiftung oder einer allergischen Reaktion nach dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels in Verbindung gebracht. Allerdings kann sich diese Angst auch auf viele andere Lebensmittel aus derselben Familie ausdehnen, obwohl der Auslöser ein ganz bestimmtes Nahrungsmittel war.

Weitere Nahrungsmittelphobien

Mykophobie ist die Angst vor dem Verzehr von Pilzen aufgrund der Möglichkeit einer Vergiftung. Das Merkwürdige an dieser Phobie ist, dass sie nicht nur auf den Verzehr von Pilzen beschränkt ist. Diese Phobie kann sich verallgemeinern und zu einer Abneigung und Angst vor der einfachen Tatsache führen, einen Pilz zu sehen oder zu berühren.

Des Weiteren gibt es die sogenannte Lachanophobie. Hierbei hat der Betroffene Angst vor Gemüse, entweder vor einer bestimmten Art oder vor Gemüse im Allgemeinen.

Diese Phobie hängt eng mit traumatischen Situationen in der Kindheit zusammen, in denen der Betroffene gezwungen wurde, ein bestimmtes Lebensmittel gegen seinen oder ihren Willen zu essen. Zum Beispiel, wenn jemand gezwungen wurde, ein bestimmtes Nahrungsmittel zu essen, obwohl dies Brechreiz bei ihm oder ihr verursacht hat. Oder vielleicht musste der Phobiker als Kind den Spinat vom vorherigen Abendessen aufessen. Darüber hinaus könnte Lachanophobie auch damit zusammenhängen, dass beim Verzehr kleine Insekten im Gemüse entdeckt wurden, vor denen sich der Betroffene dann geekelt hat.

Nahrungsmittelphobien - Frau mit Unlust auf Essen

Essphobien versus Essstörungen

Wie du siehst, können sich Nahrungsmittelphobien auch dann verallgemeinern, wenn sie zu Beginn nur durch eine bestimmte Art von Nahrungsmitteln ausgelöst wurden. Darüber hinaus können derartige Phobien die Vielfalt der von den Betroffenen verzehrten Lebensmittel und damit auch die Qualität ihrer gesamten Ernährung mitunter drastisch einschränken. Daher kann es in der Folge auch zu einem erheblichen Gewichtsverlust kommen.

Untergewicht ist ein häufiges Symptom bei einigen Essstörungen wie Anorexie. Allerdings wird in diesen Fällen der Gewichtsverlust durch eine bewusste Reduzierung der Menge und Vielfalt der Nahrung erzeugt, um auf diese Weise das eigene Körpergewicht zu kontrollieren.

Darin besteht auch der wesentliche Hauptunterschied zwischen Nahrungsmittelphobien und Essstörungen. Erstere konzentrieren sich auf Aspekte, die eng mit dem Essen selbst zusammenhängen. Zum Beispiel mit der Familie, in der es serviert wird oder möglicherweise unsachgemäß aufbewahrt wird. Bei der Anorexie hingegen geht es um die pathologische Angst vor einer Gewichtszunahme.

Daher ist es angebracht, dass du herausfindest, was sich hinter dem Untergewicht verbergen könnte. Das bedeutet: Welche Art der Angst hat zu einem solchen Gewichtsverlust geführt? Der Grund hierfür ist der, dass unterschiedliche Störungen verschiedene Ansätze erfordern.

Abschließende Bemerkungen zur Behandlung von Nahrungsmittelphobien

Die Intervention bei Anorexie beginnt mit der Ernährungsrehabilitation, um die biologische Stabilität des Patienten zu gewährleisten. Dann befasst sich der Therapeut unter anderem mit der kognitiven Ebene des Patienten, der verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körperbildes und den daraus resultierenden überbewerteten Überzeugungen in Bezug auf das eigene Körpergewicht.

Wenn die Folgen schwerwiegend sind und schon länger bestehen, kann auch bei Nahrungsmittelphobien die erste Maßnahme in der Wiederherstellung eines gesunden Körpergewichtes bestehen. Allerdings muss die Behandlung der Phobie stärker darauf ausgerichtet sein, den progressiven Kontakt mit dem phobischen Reiz zu fördern, um den Patienten dabei zu unterstützen, auf diese Weise die bestehende Phobie allmählich zu überwinden.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.