Mit der Kraft des Paradoxons die eigene Haltung ändern

Mit der Kraft des Paradoxons die eigene Haltung ändern

Letzte Aktualisierung: 12. Oktober 2022

Ein Paradoxon ist eine unsinnig scheinende Aussage, die von der von der Allgemeinheit angenommenen Wahrheit abweicht. Paradoxa sind Behauptungen, die aus sprachlichen Bildern und Redewendungen bestehen, die sich scheinbar widersprechen. Es gibt vielerlei Arten von Paradoxa. Sie sind unter anderem in den Gebieten der Logik, der Unendlichkeit, der Wahrscheinlichkeit, der Physik und der Geometrie angesiedelt.

Viele dieser Paradoxa kommen in unserem alltäglichen Leben vor, obwohl wir uns dessen nicht bewusst sind. Ein klassisches Paradoxon ist zum Beispiel das Ziegenproblem. Kennst du es?

Das Ziegenproblem

Das Ziegenproblem oder auch Monty-Hall-Dilemma ist eine Frage, die mittels Wahrscheinlichkeitsrechnung zu lösen ist. Es stammt aus einer Unterhaltungsshow im US-amerikanischen Fernsehen. In dieser Spielshow, die ursprünglich Monty Hall moderierte, kann der Kandidat eine von drei geschlossenen Türen wählen.

Hinter einer der Türen befindet sich der Hauptgewinn, ein Auto, hinter den anderen beiden befinden sich Ziegen als Trostpreise. Wenn der Kandidat eine Tür ausgewählt hat, öffnet der Moderator, der weiß, was sich hinter jeder der Türen befindet, eine der Türen, die der Kandidat nicht gewählt hat. Hinter dieser verbirgt sich eine Ziege. Dann gibt er dem Kandidaten die Möglichkeit, seine ursprüngliche Wahl noch einmal zu ändern. In dieser Situation hat der Kandidat zwei Möglichkeiten. Entweder er entscheidet sich jetzt für die verbleibende Tür oder aber er bleibt bei der Tür, die er zuerst ausgewählt hatte.

Die Frage ist: Soll der Kandidat bei seiner ursprünglichen Wahl bleiben oder soll er die Tür wechseln? Macht das denn einen Unterschied?

Das Monty-Hall-Dilemma - die Ziege hinter drei Türen.

Ja, es macht einen Unterschied. Die bessere Option ist es, nicht bei der ursprünglichen Wahl zu bleiben. So besagt es zumindest die Statistik.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat bei seiner ursprünglichen Wahl die Tür gewählt hat, hinter der sich das Auto verbirgt, beträgt ein Drittel. Daher beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter einer der zwei Türen befindet, die er nicht gewählt hat, zwei Drittel. Wenn der Moderator eine Tür mit einer Ziege dahinter öffnet, wird diese Tür nicht mehr berücksichtigt, die Wahrscheinlichkeit beträgt dort also null. Mit dieser Null überträgt sich die Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit nun auf die Tür, für die sich der Kandidat zuerst nicht entschieden hatte und die noch geschlossen ist.

Ein häufiger Fehler besteht darin, anzunehmen, dass für jede der beiden verbleibenden Türen nun einer 50%ige Wahrscheinlichkeit für das Auto gelte. Aber die erste Wahl des Kandidaten berücksichtigte auch die Tür, die der Moderator im Anschluss öffnete. Die Wahl des Moderators wird nicht zufällig getroffen:

  • Wenn der Kandidat die Tür mit dem Auto dahinter gleich zu Anfang wählt, kann der Moderator irgendeine der beiden anderen Türen öffnen. Ändert der Kandidat dann seine ursprüngliche Wahl, verliert er das Auto. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios beträgt ein Drittel.
  • Hat sich der Kandidat allerdings zu Anfang für eine Tür mit einer Ziege dahinter entschieden, was in zwei Dritteln aller Fälle geschieht, kann der Moderator nur eine weitere Tür zum Öffnen auswählen – die zweite Tür mit der Ziege dahinter. In diesem Fall steht das Auto also hinter der verbleibenden Tür.

Fassen wir zusammen: Wenn sich das Auto hinter der Tür befindet, die der Kandidat zuerst ausgewählt hat, dann gewinnt er es, wenn er bei seiner ursprünglichen Wahl bleibt (mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel). Wenn seine erste Wahl aber eine Tür mit einer Ziege dahinter war, kann er mit einer Entscheidung für eine andere Tür das Auto gewinnen (mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit). Deshalb sollte der Kandidat seine Wahl nochmals ändern, wenn er seine Gewinnchancen auf das Auto steigern möchte.

 

Tabellarische Lösung des Monty-Hall-Dilemmas oder Ziegenproblems.

Der paradoxe Gedanke

Der paradoxe Gedanke besteht darin, Absurditäten aus einer Perspektive zu erklären, die offensichtlich erscheint. Mithilfe des paradoxen Gedankens kann man die Haltung mancher Leute verändern. Wenn sie sich zum Beispiel über deine Haltung mittels des paradoxen Gedankens lustig machen, kann das deine Überzeugungen als irrational oder wertlos entlarven. Es könnte sein, dass du in Folge anfängst, deine Haltung bis zu einem Punkt zu hinterfragen, an dem du deine Überzeugung änderst. Schauen wir uns ein weiteres Beispiel an:

Eine Gruppe israelischer Wissenschaftler führte in einer Kleinstadt ein Experiment durch. Diese Kleinstadt war für ihre hohen Wahlergebnisse für die extreme Rechte bekannt. Sie führten eine Kampagne durch, die auf dem paradoxen Gedanken beruhte. Dadurch erhofften sich die Wissenschaftler, die rechte Gesinnung der radikaleren Wähler abzuschwächen.

Sechs Wochen lang setzten sie die Einwohner der Kleinstadt ihrer psychologischen Kampagne aus. Entlang der Straßen wurde plakatiert. Dazu wurden Werbeartikel wie Weltkugeln, Anstecker und T-Shirts verteilt. Dazu kamen noch Videos im Internet und öffentliche Bekanntmachungen. Die Botschaften auf den Plakaten und Ansteckern spielten mit Aussagen und Sätzen wie “Ohne den Konflikt wird es niemals Gerechtigkeit geben … Um Gerechtigkeit zu erlangen, brauchen wir wahrscheinlich den Konflikt.” und “Um ein Held zu werden, brauchen wir wahrscheinlich den Konflikt.” In den Videos wurden ähnliche Botschaften mit thematisch verwandtem Bildmaterial gezeigt.

Poster entworfen von israelischen Wissenschaftlern für ein Experiment mit Israelis mit rechter Weltanschauung.

Nach der Kampagne führten die Wissenschaftler Umfragen zur Ermittlung der Meinung der Bevölkerung zum israelisch-palästinensischen Konflikt durch. Sie verglichen das Ergebnis des Gebiets, in dem sie die psychologische Kampagne durchgeführt hatten, mit den Meinungen der Einwohner anderer Gebiete, die der Kampagne nicht ausgesetzt gewesen waren.

Die Leute, die befragt wurden, waren sich nicht bewusst, dass sie Teil eines psychologischen Experiments gewesen waren. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Wahrnehmung des Konfliktes in allen Gruppen bis auf eine ähnlich war. Bei den Wählern, die ursprünglich die extreme Rechte unterstützt hatten und die der Kampagne ausgesetzt worden waren, zeigte sich eine gesunkene Bereitschaft, den Konflikt weiterhin und langfristig zu unterstützen.

Das Eingreifen mittels des paradoxen Gedankens hatte eine Auswirkung auf die Überzeugungen und Haltungen der Teilnehmer des rechten Flügels. Diese zeigten im Anschluss weniger Bereitschaft zur Unterstützung einer aggressiven Politik, aber eine gestiegene Achtung vor versöhnlicheren politischen Ansätze. Wenn man die Vorstellungen der Leute ins Absurde verkehrt, kann man dadurch also kriegstreiberische Präferenzen abschwächen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.