Mich selbst zu belügen ändert auch nichts an der Wahrheit
Ich sage immer zu allen, dass ich möchte, dass man mir in jeder Angelegenheit die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt. Ich bitte mein Umfeld darum und fühle mich sicher, wenn ich weiß, dass man mir zu jedem sich mir bietenden und jedem erdenklichen Thema offen und ehrlich die Meinung sagt. Mich anzulügen bringt rein gar nichts.
Doch wem tatsächlich manchmal ein ehrliches Auftreten fehlt, ist mir selbst – oder zumindest denke ich das im ersten Moment. Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich dachte, dass ich zu mir selbst ehrlich wäre, obwohl ich es eigentlich nicht war. Und das war für mich viel schwieriger als von jemand anderem angelogen zu werden.
„Mut ist nicht so teuer wie man denkt.
Feigheit ist hingegen nichts wert.”
Joaquín Sabina
Ich habe mich angelogen, weil ich dachte, dass es so einfacher wäre
Ich habe immer geglaubt, dass mich Menschen anlügen würden, weil sie feige sind. Denn wie wir ja alle wissen, ist es viel komplizierter, mit der Wahrheit herauszurücken. Genauso wissen wir auch, dass beim Sagen oder Verschweigen einer Sache viele Faktoren eine Rolle spielen, die zu einer Lüge führen können.
Die Erfahrung hat mich jedoch gelehrt, dass andere anzulügen vielleicht feige sein mag – ich weiß, dass man das nicht verallgemeinern kann – aber uns selbst zu belügen ist etwas, das wir damit büßen, mit jeder Faser unseres Seins Angst zu verspüren.
Wer sich permanent selbst belügt, hat oftmals ein schwerwiegenderes Problem. Aber wer sich die Wahrheit nur in bestimmten Momenten schön redet, möchte damit wahrscheinlich etwas verbergen, was ihm Angst bereitet und was er nicht kennt oder nicht kennen will. In dieser Art von Situationen belog ich mich selbst, weil ich davon überzeugt war, dass es so einfacher wäre, weiterzumachen.
Die Wahrheit ist eine Herzensangelegenheit und dem Herzen kann man nicht widersprechen
Aber ich irrte mich: Man kann auf diese Art und Weise nicht weitermachen, denn Lügen führen immer zu ausweglosen Situationen, zu Enttäuschungen, Leid und einem unglücklichen Ende, das uns selbst oder andere betrifft.
Ich verstand letztendlich, dass ich meinem Kopf die Wahrheit verschweigen und dieser für sich allein wieder nach vorn schauen könnte. Doch mein gesamtes Ich könnte das nicht. Meinem Herzen kann ich nichts vormachen. Es könnte nicht einfach die Augen verschließen und so weitermachen. Ich könnte ihm nicht widersprechen und mich selbst belügen, denn der Wahrheit kann man nicht aus dem Weg gehen.
„Ich mag Menschen, die dazu fähig sind, zu verstehen, dass es der größte Fehler des Menschen ist, zu versuchen, etwas mit dem Kopf zu sagen, das das Herz nicht sagen kann.“
Mario Benedetti
Mir fiel auf, dass in meinem eigenen Kampf „Herz gegen Verstand“ doch immer das Herz als Gewinner hervorgehen würde. Als ich mich selbst belog, führte mir das vor Augen, dass ich nicht ehrlich war und ich es aber sein müsste. Vielleicht bin ich mir erst spät darüber klar geworden, denn so ist es ja eigentlich jedes Mal, wenn wir uns so verloren fühlen. Doch dadurch erlaubte ich mir selbst, wieder glücklich zu werden.
Sich selbst und der Wahrheit in die Augen sehen
Um mir dessen bewusst zu werden musste ich mich trauen, mich mit meinem Inneren auseinanderzusetzen, all meine Monster zu bändigen und mich dem zu stellen, was ich laut ausgesprochen nicht hören wollte. Ich belog mich nicht mehr länger selbst als ich nur noch die reine Realität betrachtete, als ich mich verliebte und es eigentlich nicht wollte, als ich dachte, etwas überwunden zu haben und das doch nicht der Fall war.
„Du verdienst das Beste der Welt, weil du eine dieser Personen bist, die in dieser schrecklichen Welt immer ehrlich mit mir sind, und das ist das Einzige, das wirklich zählt.“
Frida Kahlo
Und so verhielt ich mich von dort an und ich habe etwas gelernt, das ich verinnerlicht habe und mir immer wieder ins Gedächtnis rufe: In dieser Welt voller Nostalgie und Kälte ist es unsere moralische Verpflichtung, unser Glück zu finden.
Ich muss mir selbst erlauben, so oft es geht glücklich zu sein, denn es gibt immer irgendeinen Grund, sich unglücklich zu fühlen. Ich muss mir immer wieder vor Augen führen, dass ich niemals an etwas zweifeln und es verweigern darf, wenn es mir gut tut und keinen anderen verletzt.
So oft sich mir diese Möglichkeit der Lüge bietet, muss ich an Folgendes denken: Mich selbst zu belügen ist eine Option. Eine Option, die allerdings zu nichts führt und nichts an der Wahrheit ändert. Und außerdem hören wir doch sowieso schon viel zu viele Lügen. Da müssen wir uns nicht auch noch selbst belügen.