Mehr Selbstmitgefühl mit der Technik des leeren Stuhls
Äußere Ereignisse beeinflussen den inneren Dialog eines jeden Menschen. Inhalte und Struktur werden durch Äußerungen anderer Menschen, Gespräche mit Bezugspersonen, Wechselbeziehungen und Erlebnisse geprägt. Dies wirkt sich wiederum auf das Selbstmitgefühl aus, denn anhand der äußeren Erfahrungen beurteilen wir uns selbst. Wenn Kritik überwiegt, wenden wir dieselbe Härte an und zeigen kein Mitgefühl mit uns selbst. So wie wir die Fehler anderer betrachten, beurteilen wir unser eigenes Wesen. Die Technik des leeren Stuhls kann in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein, um den inneren Dialog zu stärken.
Warum entwickelt sich ein Kind, das keine Angst vor Fehlern hat, zu einem Erwachsenen, der Fehler fürchtet?
Die Konstruktion des Selbstkonzepts
Schon vor fast 50 Jahren bezog Shavelson (1976) in die Konstruktion der Wahrnehmungen, die das Selbstkonzept ausmachen, Erfahrungen anderer und mit anderen sowie Zuschreibungen über das Selbst ein. Frühe Erfahrungen mit Betreuungs- und Bezugspersonen sind grundlegend. Wenn eine Person ständig für Fehler kritisiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie dieses Muster innerlich nachahmt.
Das ist besonders dann der Fall, wenn die Zuneigung der Bezugspersonen von richtigem oder falschem Verhalten abhängig ist. Wenn sich eine Person etwa körperlich so verändert, dass sie der gesellschaftlichen Norm näher kommt, kann sie glauben, dass die Anerkennung, die sie verdient, mit ihrem Gewicht zusammenhängt.
Verschiedene Studien stützen die Hypothese, dass das Wohlbefinden von Menschen eng mit dem Selbstkonzept und der Selbstakzeptanz zusammenhängt, die ohne Selbstmitgefühl nicht möglich sind. Wenn das innere Selbstgespräch mit all diesen äußeren – jetzt inneren – Urteilen als wahr akzeptiert wird, können unter anderem Suchtprobleme, Schwierigkeiten in familiären Beziehungen oder häusliche Gewalt auftreten (García, Musitu und Veiga, 2006).
Selbstmitgefühl angesichts verinnerlichter Kritik
Schuld und Selbstmitgefühl sind eng miteinander verbunden, beide entstehen durch die Selbstbewertung. Diese Arten von Emotionen werden manchmal als soziale Emotionen betrachtet, die bei der Verinnerlichung der Kultur und dessen, was im sozialen Kontext richtig und falsch ist, entstehen (Etxebarria, 2003).
Was Schuldgefühle kennzeichnet, ist die negative Interpretation einer Handlung. Zusätzlich kommt es zu Korrekturmaßnahmen, die das Unbehagen beenden sollen.
Ein Problem tritt in folgenden Situationen auf:
- Du interpretierst Handlungen, Lebensabschnitte oder Emotionen als negativ, die zwar im moralischen Modell oder in der kontextuellen Erfahrung als falsch bezeichnet wurden, es aber in Wirklichkeit nicht sind.
- Da die Handlung in deinem überarbeiteten Wertesystem als “falsch” bezeichnet wird, hast du keine Möglichkeit, sie zu korrigieren – das passiert oft bei Handlungen/Emotionen, die in der Vergangenheit ausgeführt wurden.
Bist du dann dazu verdammt, wegen einer konfliktreichen Beziehung zu einem Elternteil mit Schuldgefühlen zu leben? Oder wegen einer Freundschaft, die endete, weil du etwas getan oder nicht getan hast?
Wenn wir die Mechanismen unseres hypothetischen emotionalen Erbes anwenden, ohne es zu verändern, können wir jahrelang von diesen Emotionen abhängig sein. Die Tatsache, dass wir ein bestimmtes emotionales Erbe erhalten haben, bei dem die Schuld eine begrenzende Rolle spielt, verurteilt uns jedoch nicht. Zum Glück kennen wir heute eine ganze Reihe von emotionalen Quellen und Interventionen, die uns helfen können, mit unserer einschränkenden Tendenz umzugehen.
Akzeptanz und Selbstmitgefühl
Die Selbstmitgefühlstherapie schlägt vor, eine Schlüsselkompetenz für den Wiederaufbau des Selbstkonzepts zu kultivieren: Selbstmitgefühl. Darin findest du einen Raum, in dem du Emotionen erleben kannst, ohne diese zu verurteilen oder abzulehnen. Außerdem ist es ein Werkzeug, das eine weniger kritische Sichtweise der Situation möglich macht. Das Selbstmitgefühl hilft dir auch, die Konsequenzen bestimmter Erfahrungen zu verstehen.
Indem du darauf verzichtest, Emotionen als positiv oder negativ zu bezeichnen, verschwindet die Notwendigkeit, diese zu korrigieren. Wenn du Emotionen nicht mehr korrigieren musst, kannst du dich darauf konzentrieren, sie so zu erleben, wie sie kommen, ohne sie verändern zu müssen. Während wir bei der Modifikation vermeiden, nehmen wir beim Experimentieren an.
Die Technik des leeren Stuhls: Sag es dir ins Gesicht
Die Technik des leeren Stuhls kann ein gutes Mittel sein, um damit zu beginnen, das verinnerlichte Glaubenssystem, in dem sich die Schuld befindet, zu entwirren. Diese Technik ist auch nützlich, um an Selbstmitgefühl und Verständnis zu arbeiten, indem wir zu entfernten Situationen zurückkehren, die wir nun mit anderen Augen sehen.
Bei vielen Gelegenheiten wiederholen wir uns: “Ich bin dumm, ich hätte das nicht tun sollen”, “Wie konnte ich in dieser Beziehung bleiben”, “Meine Mutter ist nicht mehr da – ich bereue, wie ich sie behandelt habe”, “Wie konnte ich diesen Job aufgeben?”…
Wie können wir dieselben Urteile fällen, die uns in dem Moment, in dem wir die Situation erlebt haben, ein so schlechtes Gefühl vermittelt haben? Die Technik des leeren Stuhls kann in der direkten oder in der Ferntherapie angewendet werden. Du kannst sie auch selbst ausprobieren.
Du nimmst einen Stuhl und stellst dir vor, selbst auf diesem Stuhl zu sitzen. Dann entscheidest du, welche Situation du heranziehen möchtest. Eine schwierige Phase mit deiner Mutter? Eine gescheiterte Beziehung? Dein gescheitertes Ich, das die gewünschte Ausbildung nicht schaffte … Überlege dir, welches Alter du in dieser Situation hattest. Du sitzt jetzt praktisch vor dir selbst und beschreibst das Ich, das du beobachtest.
Woran erinnerst du dich? Welche Frisur hattest du? Wie warst du gekleidet? Kannst du dich an die Musik erinnern, an das Szenario …?
Wenn du vor deinem früheren Ich stehst, ist die Übung ganz einfach: Du erzählst deinem Ich alles, was du beobachtest: “Wie konnte ich nur so ein Idiot sein?”, “Ich war nutzlos!”, “Ich habe alles verdient, was mir passiert ist”. Gib deinem Ich, das dir gegenübersitzt, alle Kritikpunkte, Behauptungen, Überzeugungen und Gedanken preis.
Selbstmitgefühl: der Mut, dich nicht zu verraten
Vor dem leeren Stuhl erinnert sich die Person an Dinge, die sie schon lange vergessen oder verdrängt hatte. Sie verbindet sich mit ihrem früheren Ich, das mit anderen Gefühlen, Umständen und Herausforderungen zu kämpfen hatte. Inzwischen hast du dich davon distanziert und berücksichtigst diese Erfahrungen nicht mehr.
Vergiss nicht: Selbstmitgefühl ist noch wichtiger als Mitgefühl anderen gegenüber.
Vor dem leeren Stuhl hast du die Möglichkeit, dich selbst besser kennenzulernen, ohne zu urteilen oder verurteilt zu werden. Dies ist ein guter Anfang, um Selbstmitgefühl und Akzeptanz zu praktizieren.
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Atención Primaria, Volume 50(3),141-150. - Etxebarria, I. (2003). Las emociones autoconscientes: culpa, vergüenza y orgullo. En E. G. Fernández-Abascal, M. P. Jiménez y M. D. Martín (Coor.). Motivación y emoción. La adaptación humana (pp. 369-393). Madrid: Centro de Estudios Ramón Areces.
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