Losgelöste Achtsamkeit: Was ist das?

Steckst du in einer Gedankenspirale fest und fühlst dich mental erschöpft? Die losgelöste Achtsamkeit gibt dir einfache Strategien an die Hand, um deine Gedanken von außen zu beobachten und dich von ihnen zu lösen.
Losgelöste Achtsamkeit: Was ist das?
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 04. Mai 2023

Viele nutzen Achtsamkeit erfolgreich in ihrem Alltag, denn sie fördert Dimensionen wie Interesse, Neugier und Akzeptanz. Heute sprechen wir über ein Konzept, das Adrian Wells¹ im Rahmen der Metakognitiven Therapie entwickelte: Detached Minduflness oder losgelöste Achtsamkeit. 

Du lernst mit dieser Methode, deine eigenen Gedanken aus der Distanz zu beobachten, ohne dich damit zu identifizieren. Diese metakognitive Perspektive fördert die mentale Flexibilität und hilft dir, dich von sich wiederholenden Gedanken zu lösen. Die losgelöste Achtsamkeit ist praktisch, da sie keine Meditation enthält und auch kein kontinuierliches Training erfordert. Es geht auch nicht darum, das Bewusstsein auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Bist du neugierig geworden? Dann lies weiter…

Gedanken sind nicht mehr als Gedanken, du kannst dich von ihnen lösen, genauso wie du es auch mit deinen Körperempfindungen tun kannst.

Losgelöste Achtsamkeit: Wie funktioniert diese Methode?

Die losgelöste Achtsamkeit ist durch die Entwicklung eines Metabewusstseins möglich. Du musst dir über deine Gedanken bewusst sein und sie als solche von außen betrachten, um dich von ihnen lösen zu können, wenn sie dich in einer Gedankenspirale festhalten. Es geht also nicht darum, die Gedanken zu kontrollieren, du musst lernen, dich von ihnen zu trennen.

Die Metakognition ermöglicht es dir, deine Aufmerksamkeit zu lenken und zu bestimmen, was in dein Bewusstsein eindringt. Du entscheidest selbst, mit welchen Strategien du deine Gedanken und Gefühle regulierst. Folgende Techniken helfen dir, dies zu erreichen. 

1. Freie Assoziation

Die Patienten werden dazu angeleitet, Gedanken und Erinnerungen zu beobachten, die durch verbale Reize durch den Therapeuten ausgelöst werden. Die Gedanken lösen sich mit dieser Technik von der Realität.

2. Tiger-Aufgabe

Die Patienten werden gebeten, sich einen Tiger vorzustellen und ihn zu beobachten, ohne ihn zu beeinflussen. Wenn ihnen das gelingt, haben sie die Erfahrung der losgelösten Achtsamkeit gemacht. Sie können danach ihre eigenen Gedanken auf dieselbe Weise beobachten und sich davon lösen.

“Die Tiger-Aufgabe ist ein Experiment, das in der Therapie gern gemacht wird, weil die Patienten erkennen, dass es Aspekte ihrer Gedanken gibt, die passiv, also unwillkürlich sind. Dies ist eine gute Möglichkeit, losgelöste Achtsamkeit zu erfahren.”

Wells

Losgelöste Achtsamkeit in der Therapie
Die Methode der losgelösten Achtsamkeit nutzt die Vorstellungskraft, um sich von belastenden Gedanken zu lösen.

3. Unterdrückung-Gegenunterdrückung

Wenn du versuchst, deine Gedanken zu unterdrücken, werden sie stärker. Diese Übung besteht darin, drei Minuten lang den Gedanken an einen blauen Elefanten zu unterdrücken. Anschließend lassen die Patienten ihren Gedanken freien Lauf und wenn der blaue Elefant darin vorkommt, nehmen sie ihn achtsam wahr. Danach vergleichen sie die beiden Erfahrungen. Wann haben sie stärker an den Elefanten gedacht? Welche Aufgabe war anstrengender?

Die Patienten sollen sich durch diese Übung darüber bewusst werden, dass es anstrengend und oft nutzlos ist, die Gedanken kontrollieren zu wollen. Wenn sie ihre Gedanken hingegen fließen lassen, ist es einfacher, sich davon zu distanzieren.

4. Wolken

Stell dir deine Gedanken wie Wolken vor: Sie nehmen einen Raum ein, sie sind da und du beobachtest, wie sie kommen und gehen. Manche ziehen langsamer vorbei als andere. Du kannst sie nicht kontrollieren, aber sie werden vorbeiziehen.

“Die Wolken regulieren den Planeten Erde selbst. Sie zu kontrollieren ist unnötig und unmöglich.”

Wells

5. Die Zug-Metapher

Du kannst dir statt der Wolken auch einen Bahnhof mit vorbeifahrenden Zügen vorstellen. Jeder Waggon ist ein Gedanke, der kommt und geht. Du beobachtest deine Gedanken aus der Ferne mit Neugier, versuchst jedoch nicht, sie aufzuhalten.

6. Das widerspenstige Kind

Diese Metapher vergleicht die Gedanken mit widerspenstigen Kindern: Je mehr Aufmerksamkeit sie erhalten, desto schlimmer benehmen sie sich. Wenn du sie jedoch genau beobachtest, werden sie plötzlich müde und hören auf. Das aktive Eingreifen kann das Problem verschlimmern, wenn du dich jedoch distanzierst, kannst du die Situation besser erkennen und Lösungen finden.

“Wenn unsere Gedanken unsere Aufmerksamkeit fordern und wir sie ihnen schenken, füttern wir sie möglicherweise. Deshalb ist es besser, eine Haltung der “passiven Wachsamkeit” einzunehmen.”

Wells

7. Die verbale Schleife

Diese Technik besteht darin, Gedanken laut zu wiederholen, bis sie zu bloßen Lauten ohne Bedeutung werden. Auf diese Weise verringert sich ihre Wichtigkeit und manchmal auch ihre düstere Bedeutung. Sie werden zu Geräuschen ohne Inhalt.

“Die ständige Wiederholung der Gedanken kann mit einem Aufnahmegerät oder durch wiederholtes Vokalisieren erfolgen.”

Wells

8. Tagträumen

Bei dieser Technik stellen sich die Patienten vor, sich an einem paradiesischen Ort zu befinden. Sie werden gebeten, Beobachter zu sein und sich vorzustellen, wie sich dieser Traum entwickelt. Durch ihre Beobachterrolle können sie sich von ihren Gedanken distanzieren.

“Das Beobachten dessen, was geschieht, ermöglicht eine subjektive Erfahrung von losgelöster Achtsamkeit.”

Wells

9. Das Selbst als Beobachter

Frage dich zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Situation: “Bist du der Gedanke oder die Person, die den Gedanken beobachtet?” Wenn du dich von deinen Gedanken löst und nicht versuchst, die Kontrolle zu übernehmen, erreichst du den Zustand des Selbst.

Ein in der Zeitschrift für Psychotherapie veröffentlichter Artikel erwähnt, dass die nicht wertende Beobachtung, die dieses Achtsamkeitstraining fördert, die Loslösung von Bewusstseinsinhalten ermöglicht, indem die Patienten die Beobachterrolle einnehmen, anstatt selbst beobachtet zu werden.

Frau praktiziert losgelöste Achtsamkeit
Die losgelöste Achtsamkeit hilft dir, dich durch Beobachtung von Gedanken zu distanzieren, die sich negativ auf dich auswirken.

Losgelöste Achtsamkeit

Die beschriebenen Techniken helfen dir, deine Gedanken zu beobachten, ohne von ihnen kontrolliert zu werden. Du bist in der Lage, unangenehme Aspekte loszulassen, der Gedankenspirale, die dich gefangen hält, zu entkommen, zielorientiert zu handeln und bessere Entscheidungen zu treffen. Außerdem wirst du mit der losgelösten Achtsamkeit motivierter sein und in belastenden Situationen ruhiger bleiben.

▶ Lese-Tipp

  1. Metakognitive Therapie bei Angststörungen und Depression, Adrian Wells, Beltz 2011

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