Kindesmissbrauch und Impulsivität
Häusliche Gewalt und Vernachlässigung führen zu seelischen und körperlichen Verletzungen, die tiefe Spuren hinterlassen. Wir sprechen über eine enorme gesellschaftliche Herausforderung, da gewaltsame erzieherische Methoden oder andere Arten von Misshandlung oft im Verborgenen bleiben, verleugnet und vergessen werden. Heute betrachten wir einen Aspekt, der bei Kindesmissbrauch eine wichtige Rolle spielt: die Impulsivität.
Missbrauchstäter reagieren in der Regel sehr impulsiv: Kleine, als Provokation interpretierte Handlungen können schlimme gewalttätige Reaktionen auslösen. Erfahre anschließend mehr über dieses Thema.
“Impulsivität ist wie eine Droge: Je mehr du davon nimmst, desto mehr brauchst du, um die gleiche Wirkung zu erzielen.”
Roy Baumeister
Impulsivität
In einer Übersicht definiert die Psychologin Cristina Arias (Arias et al., 2021) Impulsivität als “Reaktion auf einen Reiz, die ohne Planung erfolgt”. Impulsive Personen berücksichtigen die Folgen ihrer Reaktionen nicht. Diese Verhaltensweisen sind oft kurzlebig, können jedoch sehr unangenehme Auswirkungen haben.
“Impulsivität ist die Unfähigkeit, einem Impuls, einer Emotion oder einer Versuchung zu widerstehen, selbst wenn wir wissen, dass sie schädlich ist.”
John Ratey
Auch interessant: Kognitive Dissonanz bei narzisstischem Missbrauch
Negative Dringlichkeit, der Ausgangspunkt der Impulsivität
Die Wahrnehmung von “Dringlichkeit” ist der unstillbare und scheinbar unbezwingbare Motor, der impulsives oder unüberlegtes Verhalten auslöst. Dringlichkeit ist in diesem Zusammenhang mit negativen Emotionen verbunden (z. B. Not, Gereiztheit oder Wut) und löst Verhaltensreaktionen aus, die im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch belastende, verzweifelte und sogar tödliche Folgen haben können.
Impulsivität kann also als die mangelnde Fähigkeit verstanden werden, eine aus einem Impuls entstandene Antwort oder Reaktion zu hemmen. Ein Beispiel dafür sind impulsive Einkäufe: Der Drang etwas zu kaufen ist so groß, dass die Konsequenzen (Schulden) in diesem Augenblick den Impuls nicht zügeln können. Die negative Dringlichkeit gibt das Gefühl, etwas tun zu müssen, deshalb handeln Betroffene unüberlegt, unkontrolliert oder maladaptiv.
“Negative Dringlichkeit kann dir das Gefühl geben, dass du keine Optionen hast, aber es gibt immer eine Wahl.”
Judith Orloff
Kindesmissbrauch: zwischen Leben und Tod
In den 1960er-Jahren prägten britische Kinderärzte und Radiologen den Begriff “Battered Child Syndrom” (kurz BCS – Syndrom des geschlagenen Kindes), um die Konsequenzen von körperlicher Gewalt an Kindern zu beschreiben. Heute wird meistens der Ausdruck “Child Abuse Syndrome” (kurz CAS – Kindesmissbrauchssyndrom) verwendet, um die spezifischen Symptome, die infolge von physischem oder psychischem Kindesmissbrauch entstehen, zusammenzufassen (Tsranchev et al. , 2022).
Die Folgen von Kindesmissbrauch sind allerdings vielfältig: Von körperlichen Verletzungen (Knochenbrüche, Prellungen…) bis zu psychologischen Folgen (posttraumatischer Stress, Sprachstörungen, Persönlichkeitsstörungen…) gibt es eine lange Liste möglicher Konsequenzen und Symptome.
“Kindesmissbrauch ist eine Form von Gewalt, die unsichtbare Narben in den Köpfen und Herzen der Kinder hinterlässt.”
Alice Miller
Schon gelesen? Ist nach Missbrauch eine gesunde Beziehung möglich?
Kindesmissbrauch: eine potenziell tödliche Form der Gewalt
Eine in Folia Médica veröffentlichte Studie erinnert daran, dass Kindesmissbrauch im schlimmsten Fall tödlich endet, wobei b ei tödlicher Gewalt die Impulsivität eine besonders große Rolle spielt (Tsranchev et al., 2022). Impulsive Missbrauchstäter reagieren explosiv und mit unersättlicher Wut. Dr. Ivan Tsranchev von der Abteilung für Gerichtsmedizin der bulgarischen Universität Plovdiv berichtet unter anderem über wiederholte Schläge und Gewaltausbrüche, die ernste körperliche und seelische Wunden hinterlassen.
Das Syndrom der Kindesmisshandlung ist weitverbreitet. Die Folgen sind beunruhigend, erschütternd und herzzerreißend. Wenn das Kind überlebt, kann es schwerwiegende Folgen wie eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickeln. Wie wir gesehen haben, spielt dabei die Impulsivität eine entscheidende Bedeutung, deshalb ist es besonders in der Prävention wichtig, diese Verhaltensform zu berücksichtigen.
“Kindesmissbrauch ist oft das Ergebnis von impulsivem, gewalttätigem Verhalten mit minimaler Provokation, das einen tödlichen Ausgang haben kann.”
Ivan Tsranchev
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
-
Arias Galarza, C. P., Chávez Prado, S. O., Cisneros Jumbo, J. S., Moscoso Salazar, J., Piedra Vázquez, P. (2021). Maltrato infantil e impulsividad: un estudio de adolescentes en acogimiento institucional en Ecuador. Universidad Internacional SEK. https://repositorio.uisek.edu.ec/handle/123456789/4493
- Forero, L.C.A., Araújo Reyes, A.P., Godoy Díaz, A.P., Vera Rueda, M.E. (2010). Maltrato infantil y sus consecuencias a largo plazo. MedUNAB [Internet], 13(2), 103-15. Consultado en abril de 2023. https://revistas.unab.edu.co/index.php/medunab/article/view/1155
- Manso, J. M. M. (2005). Estudio sobre las consecuencias del maltrato infantil en el desarrollo del lenguaje. Anales de Psicología/Annals of Psychology, 21(2), 224-230. https://revistas.um.es/analesps/article/view/26821
- Tsranchev I, Timonov P, Spasov S, Dobrev T, Yancheva S, Gulinac M, Fasova A. (2022). Child abuse syndrome – a forensic case of fatal impulsive act of violence. Folia Med (Plovdiv), 64(5), 834-839. https://foliamedica.bg/articles.php?id=67042