Kennst du die schizoide Persönlichkeitsstörung?
Personen, die an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leiden, zeigen generell distanziertes Sozialverhalten und sind nur eingeschränkt dazu in der Lage, ihre Emotionen gegenüber anderen Menschen zum Ausdruck zu bringen. Die Auslöser für diese Art der Persönlichkeitsstörung, die meist Patienten im Erwachsenenalter betrifft, sind vielfältig. Betroffene gelten als Einzelgänger und bewirken mit ihrem Verhalten die zunehmende soziale Isolation ihrer selbst.
Die schizoide Persönlichkeitsstörung geht mit wenigen sozialen Kontakten und einem Mangel an Beziehungen, die auf Vertrauen basieren, einher.
Der Freundeskreis der Patienten ist meist stark reduziert. Das liegt zum einen daran, dass die Patienten den Umgang mit anderen Menschen aktiv meiden, aber auch daran, dass diese kein Verständnis für deren offensichtliche Gefühlskälte haben. In jener eisigen Atmosphäre, die Betroffene umgibt, harren in der Regel nur die engsten Verwandten aus. Aber selbst wenn sich diese mit Lob oder Kritik an diejenigen wenden, die an der Persönlichkeitsstörung leiden, löst das nur sehr gedämpfte Reaktionen aus.
Subtile Botschaften, die nicht klar ausgesprochen, sondern nur angedeutet werden, erreichen sie gar nicht. Dadurch entsteht in ihrer Umgebung der Eindruck, dass ihre sozialen Fähigkeiten kaum entwickelt seien. Während manch einer das so versteht, dass der Betroffene nur mehr verschlossen ist, lehnen andere ihn aufgrund seiner scheinbaren Oberflächlichkeit und fehlenden Empathie gänzlich ab.
Es verschafft den Patienten tatsächlich nur wenig Befriedigung, Teil einer sozialen Gruppe zu sein, auch wenn es sich dabei um die eigene Familie handelt. Sie ziehen es vor, mit sich allein zu sein, und meiden Orte, an denen sie mit anderen interagieren müssen. Derartige Vorlieben zeigen sich auch darin, wie sie ihre Freizeit gestalten: Sie wählen Aktivitäten und Hobbys, die nicht den Umgang mit anderen Menschen erfordern. Ihnen liegen abstrakte und mechanische Tätigkeiten, weshalb man sie des Öfteren über Matheaufgaben knobeln oder am Rechner spielen sieht. Gruppenaktivitäten genießen sie hingegen kaum.
Darüber hinaus nimmt die schizoide Persönlichkeitsstörung den Betroffenen ihren Wunsch nach Intimität. Sie reagieren mit Gleichgültigkeit, wenn sich ihnen die Möglichkeit bietet, enge Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Falls sie sich in einer Liebesbeziehung befinden, wirkt sich ihre Persönlichkeitsstörung insofern auf diese aus, als dass sie das Interesse am Sex verlieren.
Mimik und Gestik der Patienten lassen sich am ehesten als platt oder fade bezeichnen. Situationen, die sich in ihrem Umfeld ereignen, führen nur selten zu sichtbaren Gefühlsregungen, zu einem Gesichtsausdruck, an dem sich Überraschung, Zustimmung, Erstaunen oder auch Angst ablesen ließe. Wenn man Betroffene fragt, dann bestätigen diese, dass sie in ihrem Inneren kaum intensive Emotionen wie Freude oder Wut empfinden. Wenn überhaupt, fügen sie oft hinzu, dann geschehe das in Gegenwart einzelner Personen, die den allerinnersten sozialen Kreis der Patienten ausmachen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Patienten mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung nur wenig Freude an dem empfinden, was gesunden Menschen Genuss bereitet. Und das gilt unabhängig davon, ob dieser Genuss emotional, körperlich oder interpersonell vermittelt wird: ein Spaziergang am Strand, kuscheln vor dem Kamin oder eine gute Zeit beim Firmenlauf – nichts davon begeistert die Betroffenen. Und diese fehlende Begeisterungsfähigkeit verstärkt den Eindruck der Gefühlskälte, den wir oben bereits beschrieben haben, und führt in die soziale Isolation.
Wie lässt sich eine schizoide Persönlichkeitsstörung diagnostizieren?
Der Diagnostische und statistische Leitfaden psychischer Störungen in fünfter Auflage, der kurz als DSM-V bezeichnet wird, nennt folgende diagnostische Kriterien für diese Persönlichkeitsstörung:
- Vorwiegend distanziertes Sozialverhalten, Loslösung von anderen Menschen und enges Spektrum des Ausdrucks von Emotionen im zwischenmenschlichen Kontext. Entsprechende Verhaltensmuster werden im frühen Erwachsenenalter deutlich und zeigen sich in unterschiedlichen alltäglichen oder speziellen Situationen. Dabei treffen mindestens vier der nachfolgend genannten Punkte zu.
- Die Wahl von Aktivitäten fällt in der Regel auf solche, die allein ausgeführt werden können.
- Befriedigung und Freude werden bei der Ausführung von Aktivitäten praktisch nie erreicht.
- Der Patient verspürt weder den Wunsch nach noch Freude an Intimität, was sich auch darin zeigt, wie er sich selbst in die Familie integriert.
- Betroffene haben kaum enge Freunde und pflegen nur zu sehr wenigen Personen ein Vertrauensverhältnis. Zu diesen Personen zählen oft Verwandte ersten Grades.
- Auf Lob oder Kritik wird mit Gleichgültigkeit reagiert.
- Es besteht kein Interesse daran, mit einer anderen Person sexuell aktiv zu werden.
- Der Patient tritt gefühlskalt auf, zeigt kaum Affekt und geht auf Distanz, wann immer es ihm möglich ist.
- Gestörtes Sozialverhalten, wie es vom Patienten gezeigt wird, ist nicht durch eine andere psychische Erkrankung wie eine Schizophrenie, bipolare Persönlichkeitsstörung, Depression mit psychotischen Symptomen oder anderweitige Psychose, und auch nicht durch eine Autismus-Spektrum-Störung erklärbar. Das Verhalten des Betroffenen ist auch nicht das Ergebnis angeborener oder erworbener organischer Anomalien.
Wenn Emotionen fehlen
Patienten mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung erleben nur selten starke Emotionen wie Freude oder Wut.
Diejenigen, die an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leiden, haben besonders große Schwierigkeiten damit, Wut und Zorn auszudrücken. Das gilt auch dann, wenn man sie gezielt provoziert. Es ist leicht zu verstehen, dass sie deshalb als gefühlskalt bezeichnet werden, dass über sie gesagt wird, dass in ihren Adern kein Blut fließe und sie ein Herz aus Eis hätten.
Sie stoßen deshalb auf wenig Empathie, wenn ersichtlich wird, dass sie ihren Norden verloren haben, dass ihr Lebensweg in ein Labyrinth mündet und sie ihren Zielen nicht näherbringt. Und da mag etwas Wahres dran sein, denn Betroffene sind nicht in der Lage, adäquat zu reagieren, wenn sie vor einem Hindernis stehen oder sich ihnen eine Möglichkeit auftut.
Die schizoide Persönlichkeitsstörung hat dabei Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche:
- Enge Freunde, auf die man in schwierigen Zeiten zählen kann, und einen Partner, der einen auf dem Weg zu den eigenen Zielen motiviert und mit dem sexuelle Befriedigung erreicht wird, fehlen. Dieser Umstand ist darauf begründet, dass Betroffene zwischenmenschliche Kontakte nicht ersehnen und auch nicht über die sozialen Fähigkeiten verfügen, die notwendig sind, um authentische Beziehungen aufrechtzuerhalten.
- Aufgrund der sozialen Isolation, die mit der schizoiden Persönlichkeitsstörung einhergeht und die sich auch im beruflichen Umfeld zeigt, haben Betroffene in Jobs, die Teamwork und den Umgang mit anderen Menschen erfordern, nur selten Erfolg. In Bezug auf Arbeiten, die im Alleingang erledigt werden können, sind sie erfolgreicher.
- Manchmal verlieren die Patienten den Bezug zur Realität. Das passiert besonders häufig, wenn sie unter Stress stehen. Erhöhter Druck kann bei ihnen psychotische Episoden, die nur einige Minuten oder auch mehrere Stunden dauern mögen, auslösen. Auch depressive Episoden werden erlebt. Es wurde zudem beschrieben, dass die schizoide Persönlichkeitsstörung zu komplexeren psychischen Erkrankungen wie der Schizophrenie und Wahnstörungen führen kann.
Schizoide oder schizotype Störung?
Zum Abschluss möchten wir noch darauf hinweisen, dass es neben der schizoiden auch eine schizotype Persönlichkeitsstörung gibt. Auch wenn die Begriffe ähnlich klingen, so ist es doch wichtig, die beiden Erkrankungen voneinander zu unterscheiden: Sie gehen zum Teil mit anderen Symptomen einher und verlangen beide nach einer angepassten Behandlung. Der wichtigste Unterschied zwischen der schizoiden und der schizotypen Persönlichkeitsstörung ist, dass bei ersterer keine kognitive Beeinträchtigung vorliegt.
Diejenigen, die an einer schizotypen Persönlichkeitsstörung leiden, nehmen ihre Umwelt verzerrt wahr. Neben distanziertem Sozialverhalten, wie wir es für die schizoide Störung beschrieben haben, zeigen Betroffene deshalb eine Neigung zur Exzentrik. Sie unterliegen merkwürdigen Glaubenssätzen und sind überzeugt davon, dass sie von höheren Wesen gelenkt werden, was mit den gesellschaftlichen Normen nicht vereinbar ist und zuweilen zur Paranoia führt.