Kann unser Verstand körperliche Schmerzen kontrollieren?
Schmerzen sind ein individuelles und subjektives Anzeichen dafür, dass etwas mit unserem Körper nicht stimmt. Sie können starken Einfluss auf unser Wohlbefinden haben und unser tägliches Leben beeinträchtigen. Unser Verstand ist dafür verantwortlich, körperliche Schmerzen zu identifizieren und zu verarbeiten. Aber kann er auch körperliche Schmerzen kontrollieren? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst wichtig, zu verstehen, wie unser Gehirn sie wahrnimmt und analysiert.
Im Gehirn gibt es genau definierte Regionen, die für die Wahrnehmung von Schmerzen verantwortlich sind. Viele körperliche Beschwerden haben ihre Ursache tatsächlich im Gehirn und werden von unserer mentalen Einstellung und unseren Emotionen beeinflusst. Im Gegenzug dazu kann unsere geistige Aktivität auch körperliche Schmerzen kontrollieren, sie linder, zum Beispiel durch Entspannung und Atemübungen, Musiktherapie und Biofeedback.
“Sie werden nicht von ihren Krankheiten geheilt; es sind ihre Krankheiten, die sie heilen werden.”
Carl Gustav Jung
Merkmale emotionaler Schmerzen
Studien haben gezeigt, dass Menschen mit einer größeren Schmerztoleranz oder -akzeptanz seltener von Ängsten und Depression betroffen sind. Und wenn sie betroffen sind, erfahren sie weniger schwerwiegende Symptome. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus diesen Studien ist, dass die Akzeptanz der Schmerzen nicht von der Stärke des Schmerzes abhängt. Das heißt, Menschen sind nicht einfach deshalb toleranter, weil der Schmerz weniger stark ist.
Akzeptanz bedeutet die Begegnung mit unangenehmen oder schmerzhaften Ereignissen, ohne dass wir zulassen, dass diese einen bedeutenden Einfluss auf unser Verhalten haben. Leid ist ein Teil von uns. Wir müssen Leid unter bestimmten Umständen als etwas Normales hinnehmen. Das bedeutet nicht, dass wir überall Katastrophen voraussehen sollten, indem wir annehmen, dass der Schmerz chronisch sein wird.
“Wenn du krank bist, dann betrachte die Krankheit als deinen Lehrer, anstatt sie zu hassen.”
Alejandro Jodorowsky
Schmerz und Verstand
Der Verstand ist laut Patricia Churchland, Wissenschaftlerin an der University of California (Kalifornien, USA), ein abstraktes Produkt des Gehirns und hat massiven Einfluss auf unsere Gesundheit. Unser Verstand, unsere Vorstellungen und Emotionen beeinflussen unsere körperliche Gesundheit und jede Krankheit hat auch einen psychologischen Aspekt.
Dr. Sarno, Professor für Rehabilitationsmedizin an der medizinischen Fakultät der New York University (New York, USA), bestätigt, dass unser Gehirn Schmerzen vermitteln kann, die keine organische Ursache haben. Es tut das, um unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper zu lenken und uns somit unsere unterdrückten emotionalen Spannungen bewusst zu machen. Wenn wir die emotionalen Spannungen, die wir bislang unterdrückten, annehmen, werden die körperlichen Symptome nachlassen.
Einer Studie der Stanford University (Kalifornien, USA) zufolge ist es möglich, dass wir durch Gehirntraining körperliche Schmerzen kontrollieren, ja Schmerzen ohne Medikamente lindern können. Das funktioniert zwar nicht bei jedem, aber die Technik könnte als Basis für neue Behandlungsmethoden dienen. Während dieses Trainings konzentriert sich der Patient auf den Teil des Gehirns, der mit dem Schmerz in Verbindung steht, was mithilfe einer Magnetresonanztomographie verfolgt wird.
Dies zeigt, dass es unter bestimmten Umständen möglich ist, unsere Gehirnaktivität zu „dominieren”. Wir können die Intensität unserer Beschwerden beeinflussen, ohne Medikamente einzunehmen.
Die Kombination aus der Bereitschaft, Schmerzen zu ertragen und dem richtigen mentalen Training ist der Schlüssel, um die Auswirkungen von Schmerzen auf unser Leben zu minimieren. Vielleicht können wir sie nicht ganz verschwinden lassen, aber indem wir unseren Verstand benutzen, können wir sie bewältigen.