John Stonehouse: die kuriose Geschichte eines britischen Politikers mit multiplen Identitäten
John Stonehouse war ein britischer Abgeordneter und Protagonist einer kuriosen Geschichte. Er täuschte seinen eigenen Tod vor und wurde zweimal unter zwei verschiedenen Identitäten “wiedergeboren”. Als dies entdeckt wurde, erklärte er, dass es sich um einen “psychologischen Selbstmord” aufgrund einer existenziellen Krise handelte.
Wer war John Stonehouse? Der Brite entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Politik und trat bereits im Alter von 16 Jahren der britischen Labour Party bei. 1957 wurde er Parlamentsabgeordneter und startete damit eine erfolgreiche Karriere, die ihn schließlich zum Premierminister machte. Doch nicht alles geschah so, wie sich Stonehouse das erwartet hatte. Mehrere Initiativen, die er als Abgeordneter startete, führten zu Skandalen. Schließlich beschloss er, eine neue Identität anzunehmen, um der unangenehmen Situation zu entkommen.
“Die Identität eines Menschen ist nicht der Name, den er trägt, der Ort, an dem er geboren wurde, oder das Datum, an dem er auf die Welt kam. Die Identität eines Menschen besteht ganz einfach im Sein, und das Sein kann nicht verleugnet werden.”
José Saramago
John Stonehouse, ein Abgeordneter unter Verdacht
Als Stonehouse von dem ehemaligen tschechischen Geheimdienstoffizier Josef Frolik der Spionage bezichtigt wurde, erlebte er eine äußerst schwierige Situation. Frolik behauptete, der Abgeordnete habe Informationen über Pläne der britischen Regierung und sensible Daten über Militärtechnologie ausgehändigt. Im Gegenzug soll er insgesamt 5.000 Pfund von der tschechischen Regierung erhalten haben.
Die Anschuldigung gewann an Fahrt und es kamen Gerüchte auf, dass der Politiker unter dem geheimen Namen Agent Kolon tätig war. Er begann anscheinend schon früh damit, in verschiedene Identitäten zu flüchten. Stonehouse bestritt jedoch diese Vorfälle und auch der damalige Premierminister wies die Anschuldigungen zurück. Jahre später kamen jedoch Dokumente ans Licht, welche die Spionage zu bestätigen schienen.
Schließlich entschied Stonehouse, Unternehmer zu werden. Er gründete die British Bangladesh Trust (BBT), eine Handelsgesellschaft für Geschäfte zwischen Großbritannien und Bangladesch. Doch schon bald folgten Anschuldigungen wegen Betrugs und Stonehouse war am Ende verschuldet und frustriert. Diese Erfahrung motivierte ihn zusätzlich, verschiedene Identitäten anzunehmen.
Eine Reise ohne Rückfahrschein: die multiple Identität
Im Alter von 49 Jahren begann John Stonehouse, sich für Männer mittleren Alters auszugeben, unlängst verstorben waren. Er sprach mit ihren Witwen, um Details über ihr Leben zu ermitteln. Über zwei verstorbene Männer sammelte er besonders viele Daten: Joseph Arthur Markham und Donald Mildoon. Er nutzte seinen Einfluss, um ihre Pässe zu fälschen und besorgte sich falsche Geburtsurkunden.
Schließlich eröffnete er ein Bankkonto auf den Namen von Markham und reiste am 19. November 1974 mit seiner Geliebten Sheila Buckley, die auch seine Sekretärin war, nach Miami. Zuvor hatte er eine Lebensversicherung im Wert von 125.000 Pfund abgeschlossen. Am Ziel angekommen meldete er sich zunächst unter seinem richtigen Namen an, verschwand dann jedoch und meldete sich schließlich als Joseph Arthur Markham an.
Eines Morgens ging er zum Strand, zog sich aus und ließ seine Kleidung ordentlich gefaltet zurück. Er verschwand im Meer und alle hielten ihn für tot. Einer seiner Kollegen im Parlament behauptete, er sei von den Feinden der Demokratie umgebracht worden, andere beschuldigten die Mafia. Sie ahnten nicht, dass sie Opfer eines Falls der multiplen Identität geworden waren.
Ein unerwartetes Ergebnis
John Stonehouse hatte seine Papiere und Kleidung an einem Ort versteckt, den er schwimmend erreichen konnte. Er fuhr schließlich zum Flughafen, um einen Flug nach Houston zu nehmen. Er wollte nach Mexiko-Stadt fliegen, verpasste das Flugzeug allerdings. Also beschloss er, nach Los Angeles und von dort aus nach Australien zu reisen.
Als er in Australien ankam, beschloss er, eine neue Identität anzunehmen: Donald Mildoon. Er hob das Geld von dem auf den Namen Markham lautenden Konto ab und zahlte es auf ein neues Konto ein. Allerdings hatte er dabei Pech: Ein Bankangestellter, der Kontakt zu beiden Einrichtungen hatte, bemerkte, dass Stonehouse verschiedene Identitäten nutzte. 1975 wurde er schließlich nach Großbritannien ausgeliefert und vor Gericht gestellt. Stonehouse soll sich bei der Verhandlung selbst verteidigt haben, sein Plädoyer dauerte nicht weniger als sechs Tage.
Er argumentierte, dass seine Mehrfachidentität ein Fall von “psychologischem Selbstmord” sei, der durch übermäßigen Druck ausgelöst worden war. Doch der Richter glaubte ihm nicht. John Stonehouse kam ins Gefängnis und wurde drei Jahre später entlassen. Er heiratete seine Geliebte und führte ein glückliches Leben, bis er 1988 starb.
Literaturempfehlung
- John Stonehouse, My Father: The True Story of the Runaway, Julia Stonehouse, Icon Books 2021
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Canel, M. J., & Sanders, K. (2021). El poder de los medios en los escándalos políticos: la fuerza simbólica de la noticia icono.
- Maurell, P. (2013). Orlov: El mayo bluf en la historia del espionaje soviético. Clío: Revista de historia, (146), 44-51.
- Rodríguez, D. G., & Doval, A. I. (2009). Amigos imaginarios, psicosis e identidad múltiple. Psicoloxía clínica: anuario, (3), 1204-1210.