Ist das psychologische Debriefing sinnvoll?

Das psychologische Debriefing ist eine umstrittene Methode zur Soforthilfe nach traumatischen Ereignissen. Erfahre mehr darüber.
Ist das psychologische Debriefing sinnvoll?
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 08. April 2024

Das psychologische Debriefing (Critical Incident Stress Debriefing, CISD) ist eine Technik der Notfallpsychologie, die darauf abzielt, isolierte traumatische Erlebnisse frühzeitig innerhalb eines kurzen Zeitraums zu verarbeiten, um eine posttraumatische Belastungsstörung zu verhindern. Diese Strategie zur Krisenbewältigung folgt einem festgelegten Behandlungsprotokoll.

Diese von J. T. Mitchell in den 1970er-Jahren entwickelte Methode ist allerdings umstritten: Das unmittelbare Debriefing nach dem traumatischen Ereignis kann einerseits nicht vor einer Belastungsstörung schützen und andererseits Stress oder Traumata sogar stärken. Wir sehen uns diese Methode nachfolgend genauer an, um ihre Risiken besser zu verstehen.

Das psychologische Debriefing: Was ist das?

Diese strukturierte Methode, die in einer Gruppe oder auch individuell stattfinden kann, läuft in folgenden Phasen ab (Fonseca-Pedrero et al., 2021):

  1. Einführungsphase. Die Gruppe erhält Informationen über das Debriefing. Die Teilnehmer bewerten ihre Erwartungen bezüglich dieser Methode, was wichtig ist, um diese zu korrigieren, wenn sie zu hoch sind.
  2. Tatsachenphase. Die Gruppe spricht über das Geschehene, ohne Gefühle zuzulassen.
  3. Gedankenphase. Jetzt äußern die Beteiligten ihre Gedanken und Überlegungen. Sie benennen die durch das Ereignis ausgelösten Emotionen.
  4. Emotionsphase. Die Teilnehmer sprechen über ihre Ängste, Frustrationen und Sorgen. Sie erhalten gegenseitige Unterstützung und Trost.
  5. Reaktionsphase. Jetzt ist es an der Zeit, die emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktionen auf das belastende Ereignis zu validieren.
  6. Informationsphase. Die Beteiligten werden über mögliche Folgen informiert, die in den Folgetagen auftreten können (z. B. Schlaflosigkeit, Nervosität, Flashbacks…).
  7. Abschlussphase. Die Teilnehmer können jetzt Fragen stellen und erhalten Informationen über Betreuungsmöglichkeiten und professionelle Unterstützung.

Das psychologische Briefingzielt darauf ab, Stress frühzeitig abzubauen, emotionalen Erfahrungen zu benennen und zu verstehen und adaptive Reaktionen zu fördern. Trotz der guten Absichten dieser Strategie kann sie jedoch auch schädlich sein.

Man bei psychologischem Debriefing

Kritikpunkte

Das psychologische Debriefing erreicht das Ziel, traumatisierten Menschen unmittelbar nach dem belastenden Ereignis zu helfen, nicht immer und kann kontraproduktiv sein. Aus wissenschaftlichen Studien geht hervor, dass es die Belastung verstärken kann, wenn es zu früh eingesetzt wird, also bereits vor einer dem Ablauf von 24 bis 72 Stunden.

Durchschnittlich festigen sich Erinnerungen nach sechs Stunden im Gedächtnis. Die Konsolidierung erfolgt am besten in einer entspannten, gelassenen Situation oder im Schlaf. Traumatisierte Personen sollten genau dies verhindern, damit sich die dramatischen Szenen nicht im Gedächtnis verankern. Sie sollten sich in dieser Zeit mit anderen Dingen beschäftigen und aktiv bleiben. In der ersten Nacht nach dem Trauma ist deshalb auch mit hypnotischen Medikamenten Vorsicht geboten.

Findet das psychologische Debriefing innerhalb von 24 Stunden nach dem belastenden Ereignis statt, könnte es zu einer Retraumatisierung kommen, da die Erinnerungen im Gedächtnis gefestigt werden. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, der Person Zeit zu geben, bevor diese Methode zur Anwendung kommt.

Frau beim Debriefing

Das psychologische Debriefing und seine Wirksamkeit

Studien konnten die Wirksamkeit dieser Methode nicht belegen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie im Rahmen einer Gruppentherapie, die mindestens 72 Stunden und bis zu zwei Wochen nach dem traumatisierenden Ereignis von Vorteil sein könnte. Das psychologische Debriefing kann jedoch auch schädlich sein und Traumata verstärken. Deshalb raten die meisten Experten davon ab (Fonseca-Pedrero et al, 2021).

Studien konnten die Wirksamkeit des psychologischen Debriefing nicht bestätigen, es kann sich sogar negativ auswirken.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.



Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.