Hinter einem hyperaktiven Kind verbergen sich oft Traumata oder Stress
Hinter einem hyperaktiven Kind können sich sehr schwerwiegende Probleme verbergen. Es ist schon auffällig, dass wir oft probieren, Verhaltensweisen mit Medikamenten unter Kontrolle zu bekommen, ohne zuerst zu versuchen, zu verstehen, welche Ursachen zu diesen Verhaltensweisen motivieren. Es gibt Kinder, die unter Stress stehen, andere leben in unstrukturierten Umgebungen und wiederum andere leiden unter Bindungsproblemen.
Wir möchten zunächst darauf hinweisen, dass es sich hierbei um ein sehr sensibles Thema handelt. Ein sensibles Thema sowohl für Experten des Gesundheitswesens als auch für Familien mit Kindern, bei denen ADHS diagnostiziert wurde.
Diese Verhaltensstörung manifestiert sich auf verschiedene Weise und einigen Studien zufolge seien bis zu 5 % aller Kinder davon betroffen. Diese Störung tritt vor dem Erreichen des siebten Lebensjahres auf, und wenn sie nicht richtig diagnostiziert wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass andere damit verbundene Probleme im Erwachsenenalter auftreten, wie beispielsweise Angststörungen und sogar Depressionen.
Seit dem 19. Jahrhundert ist dokumentiert, dass es hyperaktive, impulsive Kinder und Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen gibt. Der britische Kinderarzt Sir George Frederic Still (1868-1941) war der erste, der diesen Zustand beschrieb. Heute verteidigen sowohl klinische Psychologen als auch Psychiater die Existenz von ADHS. Andere Wissenschaftler hingegen klagen über diese voreingenommene Überzeugung, dass es so etwas wie eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nicht gäbe. Es gibt jedoch eine Tatsache, in der man sich einig ist: Es ist wichtig, jeden Fall individuell aufzuarbeiten.
Einem hyperaktiven Kind liegt nicht immer gleich ADHS zugrunde
Es gibt nervöse Kinder, die im Unterricht ein anstrengendes, handgreifliches und unvorhersehbares Verhalten an den Tag legen. Auch gibt es auch Kinder, die unruhig sind und ihr kognitives Potenzial nicht voll entfalten können, weil die Bedingungen im Klassenzimmer nicht ihren Bedürfnissen entsprechen.
Hier haben wir es mit zwei sehr unterschiedlichen Realitäten zu tun, die nicht in gleicher Weise als ADHS-Fälle abgestempelt werden sollten. Und hier liegt die eigentliche Wurzel des Problems. Nicht alle Schüler, die faul, widerspenstig, anstrengend oder anfällig für Wutanfälle scheinen, können über einen Kamm geschert werden. Sicherlich gibt es Kinder, die von einer an dieses Verhaltenssyndrom spezifischen schulischen Anpassung enorm profitieren würden. Doch gibt es natürlich auch andere Kinder, die eine ganz andere Hilfe benötigen. Denn manchmal steckt hinter einem hyperaktiven Kind ein Trauma. In diesen Fällen werden weder Anpassungen in der Unterrichtsgestaltung noch Medikamente helfen, denn sie sind nicht in der Lage, ein missbräuchliches, chaotisches oder unstrukturiertes familiäres Umfeld zu korrigieren.
Ein Fallbeispiel
Nicole Brown ist Kinderpsychiaterin am Johns Hopkins Hospital in Baltimore (Maryland, USA). Ihr persönlicher Fall wurde in zahlreichen Medien mit einem ganz konkreten Ziel veröffentlicht: um Schulen, Ärzte, Psychologen und Psychiater auf die Notwendigkeit einer präziseren und angepassteren Diagnose aufmerksam zu machen.
Auf der Jahrestagung der Pädiatrischen Akademischen Gesellschaften präsentierte Dr. Brown umfangreiche Daten, die sie während ihrer langjährigen Tätigkeit in der Psychiatrie gesammelt hat. Sie berichtete, dass ein Großteil der Kinder, bei denen ADHS diagnostiziert werde, nicht wirklich an ADHS litte. Einem hyperaktiven Kind würden oft Hypervigilanz, Stress und andere Umstände, die die Entwicklung der Persönlichkeit beeinträchtigen, zugrunde liegen. Das sei die Realität vieler Fälle, in denen weder eine Verhaltenstherapie noch Stimulanzien Wirkung zeigen. Es handele sich dabei um äußerst sensible Situationen, in denen der Ursprung eine dysfunktionale Familie oder ein traumatisches Ereignis waren.
Wie wichtig die richtige Diagnose ist
Die Ärzte Marc Ferrer, Óscar Andió und Natalia Calvo führten eine interessante Studie durch, um Symptome von Traumata, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und ADHS im Erwachsenenalter zu unterscheiden. Es ist bekannt, dass Wunden aus der Kindheit ein Verhalten verursachen können, das der Hyperaktivität sehr ähnlich ist, und dass die Auswirkungen im Erwachsenenalter zum Teil verheerend sind.
- Eine frühzeitige Erkennung der Existenz einer solchen Störung ist daher enorm wichtig.
- Ein unaufmerksames, impulsives und nervöses Verhalten lässt nicht in 100 % der Fälle auf ADHS schließen. Und das sollten Pädagogen ebenso wissen wie jeder andere auch, der täglich mit Kindern arbeitet.
- Manchmal verbergen sich hinter einem hyperaktiven Kind Problematiken, Familienleiden und Stress unterschiedlicher Ursache.
- Qualifizierte Experten, Kinderpsychiater und klinische Psychologen müssen sich bewusst sein, dass die Aufarbeitung eines Falls auch die Familie und das manchmal komplexe Umfeld, in dem der Patient lebt, mit einschließen muss.
Ebenso ist noch ein weiterer Aspekt hervorzuheben: Eltern mit Kindern, bei denen ADHS korrekt diagnostiziert wurde, müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie für diese Verhaltensstörung nicht verantwortlich sind. Was ihnen dennoch bevorsteht, ist ein langer Prozess, in dem sie (in Zusammenarbeit mit der Schule) den besonderen Bedürfnissen dieser oft so intelligenten Kindern, die ein großes Potenzial haben, nachkommen müssen.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Ferrer, M., Andión, Ó., Calvo, N., Ramos-Quiroga, JA, Prat, M., Corrales, M., y Casas, M. (2017). Diferencias en la asociación entre el historial de trauma infantil y el trastorno límite de la personalidad o el diagnóstico de trastorno por déficit de atención / hiperactividad en la edad adulta. Archivos Europeos de Psiquiatría y Neurociencia Clínica, 267(6), 541–549. https://doi.org/10.1007/s00406-016-0733-2
- Ladnier, RD, y Massanari, AE (2000). Tratar el TDAH como trastorno de hiperactividad por déficit de apego. En TM Levy & TM Levy (Ed) (Eds.), Manual de intervenciones de apego.(pp. 27-65). Prensa Académica. https://doi.org/10.1016/B978-012445860-4/50003-4