Hat eine Psychotherapie Nebenwirkungen?
Die meisten glauben, dass eine Psychotherapie keine Nebenwirkungen hat. Doch stimmt das tatsächlich? Verschiedene Studien zeigen, dass auch psychologische Interventionen unerwünschte Begleiterscheinungen haben, was auch logisch und zu erwarten ist. Erfahre anschließend mehr über dieses Thema.
Warum glauben viele, dass die Psychotherapie keine Nebenwirkungen hat?
Es gibt derzeit wenige Studien zu diesem Thema, doch wir können verschiedene Faktoren betrachten, die viele glauben lassen, dass eine Psychotherapie keine Nebenwirkungen auslösen kann. Da die Therapeuten selbst für mögliche Nebenwirkungen verantwortlich sind, interessieren sie sich mehr für die positiven Auswirkungen und vernachlässigen die negativen.
Sprechen wir von pharmakologischen Behandlungen, stehen die Symptome im Vordergrund. Psychologische Interventionen hingegen konzentrieren sich nicht nur auf die Symptome, sondern auch auf den Kontext. Dieser zusätzliche Effekt könnte zu einer höheren Anzahl von unerwünschten Nebenwirkungen führen (Linden, 2014). Experten sind sich jedoch über die Definition der “unerwünschten psychotherapeutischen Wirkungen” nicht einig. Es ist außerdem nicht einfach, den Unterschied zwischen den ausbleibenden positiven Wirkungen (therapeutischer Misserfolg) und den unerwünschten Begleiterscheinungen abzugrenzen.
“Es gibt keine allgemein anerkannten Instrumente, um die Nebenwirkungen der Psychotherapie zu beurteilen.”
Michael Linden
Die Nebenwirkungen der Psychotherapie
Unerwünschten psychotherapeutische Wirkungen können sich auf jene Effekte beziehen, die gleichzeitig mit der Intervention auftreten und ein Problem darstellen, sowohl für die behandelte Person als auch für ihr Umfeld. Das Auftreten von unerwünschten Begleiterscheinungen bedeutet keinesfalls, dass die Intervention insgesamt negativ ist. Wir ziehen eine Parallele zu biologischen Behandlungen: Antibiotika erfüllen ihren Zweck, können jedoch Darmbeschwerden oder Durchfall auslösen.
“Eine erfolgreiche Behandlung hat Nebenwirkungen, während eine schlechte Behandlung Fehlentwicklungen hervorruft, eine Unterscheidung, die unabdingbar ist.”
Michael Linden
Mögliche negative Begleiterscheinungen
Es muss im Einzelfall klinisch untersucht werden, wie es zu den unerwünschten psychotherapeutischen Wirkungen kommt und welche Folgen sie haben. Einige mögliche Nebenwirkungen, die nach einer Psychotherapie in manchen Fällen beobachtet werden können, sind (Linden, 2014):
- Neue Symptomatik im Zusammenhang mit der Intervention, die davor nicht vorhanden war
- Verschlimmerung bereits bestehender Symptome
- Ausbleiben einer Besserung oder Verschlimmerung des Krankheitsbildes
- Übermäßige zeitliche Beanspruchung durch die Intervention.
- Mangelnde Adhärenz oder Nichtbeachtung der psychotherapeutischen Aufgaben
- Fehlen eines stabilen therapeutischen Bündnisses
- Übermäßige Bindung zum Therapeuten, was von Abhängigkeit zeugt
- Unbehagen im familiären oder sozio-beruflichen Kontext
- Auftreten von stigmatisierungsbezogenen Verhaltensweisen
Es gibt derzeit nur sehr wenige Untersuchungen, die sich konkret mit den Nebenwirkungen psychotherapeutischer Maßnahmen befasst haben.
Konkrete Beispiele
In der kognitiven Verhaltenstherapie konnten bei Traumapatienten drei mögliche unerwünschte Begleiterscheinungen identifiziert werden (Linden, 2014): erhöhte Angst in dunklen Umgebungen, Enuresis (Einnässen) und Ekopresis (Einkoten).
Bei der Behandlung von Patienten mit Tourette-Syndrom stellte Piacentini (2015) bis zu 200 Nebenwirkungen fest, darunter Knochenverletzungen, Nackenverletzungen und Prellungen. Es ist jedoch nicht eindeutig, ob diese Nebenwirkungen auf die Störung selbst oder auf die Intervention zurückzuführen sind.
Wie bei jeder anderen Intervention können also auch bei der Psychotherapie unerwünschte Nebenwirkungen entstehen. Experten gehen davon aus, dass fast 20 Prozent der behandelten Personen an Begleiterscheinungen leiden könnten (Linden, 2014). Weitere Forschungen zu diesem Thema sind grundlegend, um diese im Rahmen des Möglichen zu verhindern.
“Es sollte für alle kontrollierten klinischen Studien in der Psychotherapieforschung obligatorisch sein, unerwünschte Wirkungen und Nebenwirkungen gründlich zu analysieren.”
Michael Linden
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
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LINDEN, M., & SCHERMULY-HAUPT, L. U. I. S. E. (2014). Definición, evaluación y frecuencia de efectos secundarios de la psicoterapia. WPA, 306.
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Barilá, L. C., Bunge, E., & Biglieri, R. R. Efectos adversos en psicoterapia. Veinte años de Encuentros.
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Piacentini, J., Woods, D. W., Scahill, L., Wilhelm, S., Peterson, A. L., Chang, S., … & Walkup, J. T. (2010). Behavior therapy for children with Tourette disorder: a randomized controlled trial. Jama, 303(19), 1929-1937.
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Deblinger, E., Mannarino, A. P., Cohen, J. A., Runyon, M. K., & Steer, R. A. (2011). Trauma‐focused cognitive behavioral therapy for children: impact of the trauma narrative and treatment length. Depression and anxiety, 28(1), 67-75.