Fördert das Netz der Netze Intoleranz?
Wir verbringen auf der Suche nach Information und Kommunikation viel Zeit in digitalen Welten. Während wir durch das Netz der Netze surfen, begegnen wir verschiedenen Kulturen, Meinungen und Überzeugungen. Wir könnten denken, dass diese Vielfalt Empathie und Offenheit fördert, in Wahrheit dominiert jedoch Intoleranz. Die Tendenz, mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist nichts Neues. Das Internet bietet allerdings besonders gute Voraussetzungen für die Unduldsamkeit gegenüber fremden Meinungen und die Offenlegung einer feindseligen, ablehnenden Haltung.
Fördert die digitale Welt Intoleranz?
Wir tauschen in sozialen Netzwerken und auf anderen virtuellen Plattformen Erfahrungen, Ideen und Überzeugungen mit Freunden oder Fremden aus. Während wir das Netz durchsuchen, finden wir Informationen über Minderheiten, andere Kulturen und fremde Welten. Wir können Kontakt aufnehmen, Fragen stellen, bereichernde Gespräche führen und anderen Menschen näherkommen.
Die Realität ist allerdings nicht so idyllisch: Eine Umfrage (2020) über Hass im Netz verdeutlicht, dass 40 Prozent der Befragten Hasssprache im Internet wahrgenommen haben. Bei jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren sind es sogar 73 Prozent. 76 Prozent der Befragten haben das Gefühl, dass Hate Speech im Internet in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Der Begriff Hate Speech umfasst abwertende Aussagen gegenüber Personen oder bestimmten Gruppen, die in erster Linie durch Vorurteile entstehen. Warum fördert das Internet Intoleranz?
Die Gefahr der Anonymität
Im realen Leben gibt es eine gewisse soziale Kontrolle, die uns normalerweise daran hindert, beleidigend, unhöflich, egoistisch oder diskriminierend zu sein. Wir haben einen Ruf und versuchen, Fehlverhalten und Ablehnung zu vermeiden. Wir halten uns an gewisse Regeln, die ein gesundes Miteinander fördern.
Im Internet können wir uns jedoch hinter einem Bildschirm verstecken. Die Anonymität schützt uns vor möglichen Konsequenzen. Niemand weiß, wer sich hinter dem Profilnamen verbirgt. Außerdem gibt es immer Gleichgesinnte, die durch ihre Zustimmung das Fehlverhalten oder die Hasskommentare bestärken. In der virtuellen Welt gibt es keine Grenzen, da wir niemandem in die Augen sehen müssen.
Der Algorithmus bestätigt unsere Meinung
Wir suchen Informationen, die unsere eigenen Überzeugungen stärken und ignorieren jene, die widersprüchlich sind. Die Kognitionspsychologie bezeichnet das als Bestätigungsfehler, da wir immer darauf aus sind, unsere eigenen Erwartungen zu erfüllen. Die Funktionsweise der Algorithmen verstärken diese Tendenz im Netz der Netze zusätzlich. Die sozialen Netzwerke und andere Plattformen zeigen uns, was wir sehen wollen. Wir entfernen uns also zunehmend von abweichenden Thematiken oder Meinungen. Der Inhalt, den wir konsumieren, verstärkt unsere Überzeugungen. Dieses Framing macht uns intolerant.
Unsere Welt, unsere Regeln
Schließlich fördert das Internet Intoleranz, da es uns an eine Welt gewöhnt, in der wir die Richtlinien selbst bestimmen. Wir können Inhalte jederzeit und an jedem Ort abrufen. Wir sehen, was wir wollen, wann wir wollen, wo immer wir uns gerade befinden. Alles richtet sich nach unseren Vorlieben und Wünschen und wir gewöhnen uns daran.
Die Konsequenz: Im realen Leben enttäuschen uns Beziehungen, Jobs und Freunde oder Fremde, denen wir begegnen. Sie entsprechen nicht genau dem, was wir wollen. Wir verlieren unbewusst die Fähigkeit, zu verhandeln, zu koexistieren und zu kooperieren. Wir werden intolerant und akzeptieren keine Differenzen.
Intoleranz im Internet
Aus Trägheit lassen wir uns oft von unbewussten psychologischen Mechanismen mitreißen, doch dieses Verhalten birgt Gefahren. Wir werden von Algorithmen beherrscht, verlieren die Kontrolle in der Anonymität und entwickeln Intoleranz. Viele reagieren mit Hasskommentaren, anstatt sich in ein Thema zu vertiefen, Meinungen und Überzeugungen zu hinterfragen und den Gründen auf die Spur zu gehen, warum andere unterschiedliche Perspektiven und Ideen unterstützen. Ein respektvoller, bewusster und menschlicher Umgang ist auch im Internet ein Muss.
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