Erworbene Hirnverletzung aus neuropsychologischer Sicht

Erworbene Hirnverletzung aus neuropsychologischer Sicht
Judith Francisco

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Judith Francisco.

Letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2022

Eine erworbene Hirnverletzung ist eine Schädigung des Gehirns nach der Geburt. Diese kann unter anderem im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas entstehen, also beispielsweise bei einem Autounfall, aber auch durch einen Gehirntumor oder Schlaganfall.

Die bedeutendste Folge einer erworbenen Hirnverletzung ist der Verlust zuvor entwickelter Gehirnfunktionen. Diese Funktionen mögen das motorische und sensorische System betreffen, die kognitiven Funktionen, die Kommunikationsfähigkeiten und die Fähigkeit, Verhalten und Emotionen zu regulieren.

Generell ist ein häufiges Merkmal der erworbenen Hirnverletzung der Verlust der funktionalen Unabhängigkeit, eine Behinderung der Patienten. Diese belastet auch ihre unmittelbare Umgebung, durch zusätzliche Verantwortlichkeiten und Stress.

Neuropsychologie und erworbene Hirnverletzung

In der neuropsychologischen Rehabilitation von Patienten mit erworbener Hirnverletzung werden drei grundlegende Instrumente oder Strategien eingesetzt:

  • Restitution oder Wiederherstellung: durch die Stimulation oder Ausübung der betroffenen Funktion
  • Kompensation: durch die Verwendung anderer erhaltener kognitiver Funktionen, um die Aufgabe auszuführen, die ursprünglich von der verletzten Hirnregion ausgeführt wurde
  • Substitution: bezieht sich auf die Verwendung von Hilfsmitteln oder externen Mechanismen zur effektiven Entwicklung der Aufgabe

Das Hauptziel dieser drei klassischen Strategien ist es, den Patienten in die Lage zu versetzen, seine täglichen Aktivitäten so produktiv und zufriedenstellend wie möglich wieder aufzunehmen.

Welche kognitiven Funktionen können nach einer erworbenen Hirnverletzung beeinträchtigt sein?

Höhere Gehirnfunktionen wie die Vernunft, das Gedächtnis oder die Aufmerksamkeit sind unerlässlich, damit Menschen ein unabhängiges Leben führen können. Wir nutzen unsere kognitiven Funktionen täglich, immer, in jedem Moment. Unser Gehirn setzt verschiedene kognitive Fähigkeiten ein, um Speisen zu kochen, Auto zu fahren oder in eine Besprechung zu gehen. Dies tut es, indem verschiedene Teile der Hemisphären mehr oder weniger stark aktiviert werden.

Hier sind die grundlegenden kognitiven Funktionen:

  • Orientierung: Sie ermöglicht uns, uns selbst und den Kontext, in dem wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden, zu erkennen. Es ist wichtig, zu bedenken, dass es drei Parameter gibt, die die Orientierung beschreiben: persönliche, räumliche und zeitliche.
  • Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit ist der Zustand der Beobachtung und Wachsamkeit, der es uns ermöglicht, uns bewusst zu machen, was in unserer Umgebung passiert. Es ist wichtig, die fünf verschiedenen Prozesse innerhalb dieser Funktion zu beachten: selektive Aufmerksamkeit, anhaltende Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und hemispatiale Vernachlässigung.
  • Exekutivfunktionen: Hierbei handelt es sich um komplexe mentale Aktivitäten, die dazu dienen, das erforderliche Verhalten zu planen, zu organisieren, zu leiten, zu überprüfen und zu bewerten, damit wir uns an unsere Umgebung anpassen und unsere Ziele erreichen können. Innerhalb der exekutiven Funktionen finden wir unter anderem das Arbeitsgedächtnis, die Planungsfähigkeit und die Flexibilität.
  • Sprache: Es gibt verschiedene Sprachprozesse, die eine erworbene Hirnverletzung tiefgreifend beeinflussen können, wie zum Beispiel Vokabeln, Ausdruck und Verständnis.
  • Gedächtnis: Das Gedächtnis ist der Sitz unserer Fähigkeit, bereits gelernte Informationen oder ein erfahrenes Ereignis zu codieren, zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Wir können zwischen episodischem Gedächtnis, semantischem Gedächtnis und prozeduralem Gedächtnis unterscheiden.

Verhaltensänderung und Psychotherapie sind auch bei erworbenen Hirnverletzungen wichtig

Im Prozess der neuropsychologischen Rehabilitation werden verschiedene klinisch-psychologische Techniken angewandt, um die Genesung des Patienten voranzubringen:

  • Verhaltenstherapie oder Verhaltensänderung: Dazu gehören klassische Konditionierung, operante Konditionierung und stellvertretendes Lernen. Deren Ziel ist es, Reize und Reaktionen zu analysieren und zu verarbeiten, um das entsprechende Verhalten zu verbessern und Fehlanpassungen zu beseitigen. Psychologen wenden diese Techniken an, um Verhaltensänderungen wie Aggressivität, Reizbarkeit, Enthemmung und andere unerwünschte Verhaltensweisen umkehren zu können.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Technik basiert auf der Idee, dass die Art und Weise, wie der Einzelne unterschiedliche Erfahrungen wahrnimmt und interpretiert, tatsächlich sein Verhalten und seine Emotionen bestimmt. Dabei versucht die kognitive Umstrukturierung, diese Wahrnehmung umzugestalten, um Verhalten und Emotionen in gesündere Bahnen zu lenken.
  • Psychotherapie: Sie umfasst interpersonelle Interventionen, die sich auf die psychologischen Aspekte konzentrieren, die auf eine Hirnverletzung, emotionale und Persönlichkeitsveränderungen oder auf Veränderungen des Selbstbewusstseins folgen.

Diese Verfahren haben sich bei verschiedenen Patienten, die von einer erworbenen Hirnverletzung betroffen sind, als wirksam erwiesen. Zusammenfassend betrachten Fachleute die neuropsychologische Rehabilitation als nützliches Instrument zur Verbesserung grundlegender kognitiver Funktionen und der allgemeinen Gehirngesundheit von Patienten mit erworbener Hirnverletzung.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.