Engel im Werden

Ein Gastbeitrag von Anja Mannhard.
Engel im Werden
Anja Mannhard

Geschrieben und geprüft von der Autorin, Illustratorin und Malerin Anja Mannhard.

Letzte Aktualisierung: 02. November 2022

Engel im Werden
© Anja Mannhard

LOSWERDEN

  • Wo lief es in meinem Leben nicht «nach Plan»?
  • Was war schwer, was vielleicht aber auch ganz leicht?
  • Wo kam der Zufall oder eine Fügung ins Spiel und zeigte neue Wege auf?

Manches lässt sich schwerlich loswerden, auch wenn wir es wollen. Etwas in unseren Überzeugungen, persönlichen «Mustern», Verhaltensweisen, scheinbar lieb gewonnenen, aber letzten Endes einschränkenden Gewohnheiten macht uns unfrei und blockiert auf dem Weg zur Wandlung, zu einer wichtigen Veränderung.

Loswerden, loslassen; kommt von etwas lassen. Die Frage ist: Was will ich wirklich loswerden? Was gewinne ich dadurch, was verliere ich aber auch? Und bin ich bereit, diesen Preis zu zahlen, den es «kostet»?  Oder anders gefragt: Was verspreche ich mir davon? Wo hemmt mich das Festhalten in meiner Entwicklung; in dem, was ich wirklich wichtig und von Bedeutung finde? Was könnte stattdessen Neues und Besseres in mein Leben treten? Sich von etwas Bestimmtem lossagen, was löst das in mir aus?

Der Engel im Werden, der Engel des Loswerdens zeigt einen Weg der Selbstverantwortung auf. Für sich selbst eintreten und darauf vertrauen, dass andere es auch für sich tun. So begegnen sich Zwei in offener Freiheit und keiner kontrolliert den anderen. Wir werfen ab, was nicht mehr zu uns gehört und schaffen Raum für Neues. Ich kümmere mich um das, was mich betrifft und was zu mir gehört, ohne dass andere mir gleichgültig sind. Ich nehme die Realitäten an und ich richte mich auf meine Wünsche und meine Sehnsucht hin aus. Ich liebe mehr und habe weniger Angst.

NAHBARWERDEN

Engel im Werden
© Anja Mannhard
© Anja Mannhard
  • Wo bin ich hineingestellt?
  • Was ist das Besondere daran?
  • Welche Farben passen zu meinem Lebensgefühl?

Nahbarkeit lässt das Berührtwerden und andere Menschen berühren zu. Blicke, gestische Bewegungen, mimischer Ausdruck, Stimmklang, der Ausdruck von Gefühlen und die Resonanz lassen einen Blick in die Seele werfen. Echte Nahbarkeit zieht aber die Bremse, wenn eine distanzlose falsche Nähe verleugnet, dass sich zwei Menschen noch oder situativ immer wieder fremd sind.

Der Engel der Nahbarkeit lässt uns empfinden, wenn wir von einer Begegnung berührt und im schönen Sinne auch aufgewühlt sind, wenn sie in uns nachklingt. Nahbar werden bedeutet, zu zeigen, wer man ist. Nicht im Sinne einer Selbstdarstellung, die echtes Interesse am Gegenüber vermissen lässt. Wer in Begegnungen keine Konturen des eigenen Ich erkennen lässt, wird nicht berührbar und berührt niemanden.

Der Engel im Werden, der Engel des Nahbarwerdens, hilft uns auszudrücken, wofür unser Herz schlägt.

EINSWERDEN

Engel im Werden
© Anja Mannhard
Engel im Werden
© Anja Mannhard
  • Wohin geht meine Sehnsucht?
  • Was trägt mich?
  • Was habe ich zu geben?

In menschlichen Begegnungen verankert zu sein, für einzelne Momente emotional oder geistig sogar eins zu werden, setzt voraus, eine klare Vorstellung zu haben, wer man ist. Nur so können wir lieben und ein echter Freund sein. Eins werden meint aber auch in näheren Beziehungen nicht, dass jeder unser Inneres wie eine öffentliche Behörde betreten darf. Dabei verliert sich die Seele. Wir gewinnen an Freude, Zuneigung und Verbundenheit, wenn wir den Zugang zu unserem Inneren und dem eines anderen Menschen mit Achtsamkeit für das, was sich zeigen und frei entfalten möchte, pflegen. Das bedeutet auch, nicht jedem seine Geschichte zu erzählen.

Der Engel im Werden, im Einswerden, lässt das Innere zweier Menschen zueinander sprechen. Wir erkennen es in uns und im Anderen. Wir laden es ein. Sich selbst und einen anderen Menschen in Wahrheit zu sehen, jenseits unserer Rollen und «Masken», die wir in unterschiedlichen Situationen tragen, und damit angenommen und akzeptiert zu werden, lässt uns die eigenen Unzulänglichkeiten angstfreier leben. Der Wunsch, wirklich ich selbst und in tiefer Verbundenheit mit mir wichtigen Menschen zu sein, erfüllt sich. Dann, wenn wir nicht mehr vermeiden, wir selbst zu sein, sondern unsere Sehnsucht ernst nehmen.

VERWANDELTWERDEN

Kunstbild von Anja Mannhard
© Anja Mannhard
Kunstbild von Anja Mannhard
© Anja Mannhard
  • Welche Höhen und Tiefen gab es bislang in meinem Leben?
  • Worauf bin ich stolz?
  • Was will ich nun anders machen?

Gehen wir auf das Verborgene in Einfachheit zu. Vielleicht müssen wir gewisse Aktivitäten begrenzen und uns nicht darum scheren, was andere dazu denken, sagen oder tun. Sie sagen damit oftmals mehr über ihre eigenen Begrenzungen denn über unsere Möglichkeiten aus. Kenne ich meine innere Stimme? Was sagt sie mir? Vertraue ich ihr? Und wenn sie zu mir spricht, stelle ich ihr noch zig Fragen, ziehe ich sie in Zweifel, oder frage ich erst einmal andere, was sie dazu meinen?

Auf eine solche Weise zieht sich der Engel im Werden, der Engel der Wandlung, von uns zurück. Es sind eher tiefgreifende Veränderungen möglich, wenn wir in eine echte innere Bedrängnis geraten. Wenn wir über die Verzweiflung zur inneren Hoffnung und Zuversicht gelangen. Verwandlung wird möglich, und der Engel im Werden hilft uns dabei, wenn wir Zeiten der inneren Spannung aushalten. Wenn wir uns dem stellen, was sich darin an Widersprüchen oder auch an Zerrissenheit offenbart und wir uns davon nicht entmutigen lassen. Die eine oder andere dunkle Wolke darf vorüberziehen. Empfindungen des Abgewiesenseins, indem wir uns selbst nicht annehmen, oder indem wir Ablehnung von anderen spüren, schlagen nicht in Gefühle der Verlassenheit um.

Wichtige Veränderungen lassen sich kaum durchdenken; sie wollen durchlebt werden. Wir leiden nicht in der Theorie. Wir leiden an gewissen Umständen, die so nicht mehr zu uns passen oder vielleicht auch nie wirklich zu uns gepasst haben. Der Wunsch nach echter Verwandlung auf dem Weg zum Neuwerden entspringt immer konkreten Ereignissen. Aber auch das hat Gültigkeit: Der entstandene Schmerz ist der eigene.

Er wäre auch ohne diese Umstände da; diese machen ihn vielmehr sichtbar. Die Umstände oder Ereignisse bringen uns mit unserem Schmerz in Berührung. Wenn wir den Engel im Werden, den Engel der Verwandlung, wie einen guten Freund in unser Leben einladen, lässt er eines Tages viele Ängste verschwinden. Wir gehen immer weiter; mit Vertrauen. Wir treffen wichtige Entscheidungen, die uns zeigen, wo wir ankommen wollen.

NEUWERDEN

Engel im Werden
© Anja Mannhard
Kunstbild von Anja Mannhard
© Anja Mannhard
  • Wer führt Regie in meinem Leben?
  • Könnte ich auch ganz anders leben?
  • Wovon bin ich (angenehm und/oder herausfordernd) überrascht; wem oder was will ich mich zuneigen?

Auch wenn kein ganzes bisheriges Leben über Bord geworfen werden muss, wenn wir nach Erneuerung streben, erschafft die Fantasie neue Freiräume. Sie lotet veränderbare und unveränderbare Grenzen aus. Der Engel im Werden überprüft, wie authentisch und selbstbestimmt wir leben. Er stellt die Frage, ob wir uns beschränken, weil wir so leben wie unser Umfeld auch. Er fragt an, ob wir uns durch falsche Gewohnheiten, Denkweisen, Zweifel oder Ängste die Freiheit und die Luft zum Atmen nehmen. Machen wir uns mit unseren Begrenzungen vertraut, lernen wir sie kennen. Nur so erforschen wir davon ausgehend und sie überschreitend neue Möglichkeiten und Erfahrungen.

Der Engel im Neuwerden fördert das Gespür für das, was stimmt, für uns. Angeregt durch Gefühle, Gedanken, innere Bilder und Träume. Neuwerden wollen wir auf unsere eigene Art, in der Welt zu sein. Was gehört so sehr zu mir, dass ich es mir von nichts und niemandem nehmen lasse? Das bislang Ungelebte sagt mir, dass da etwas tief in mir auf wunderbare Weise lebendig werden kann. Welchen der vielen Möglichkeiten wir nachgehen, ist eine Entscheidung. Neben rationalen Aspekten ist die emotionale Antwort das, was wir als stimmig und richtig für uns ansehen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.