Die rituelle Verleumdung: Was ist das?

Die rituelle Verleumdung geht weit über Kritik hinaus: Sie ist aggressiv und beabsichtigt, das Opfer zu neutralisieren oder zu demütigen.
Die rituelle Verleumdung: Was ist das?
Cristian Muñoz Escobar

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Cristian Muñoz Escobar.

Letzte Aktualisierung: 02. April 2023

Die rituelle Verleumdung ist eine in digitalen Medien weitverbreitete Praxis. Der US-amerikanische Forscher Laird Wilcox beschreibt mit diesem Ausdruck die Absicht, den Ruf, das Ansehen oder den Charakter einer Person oder einer Gemeinschaft durch böswillige Äußerungen zu zerstören. Diese Diffamierung geht weit über Kritik oder Meinungsunterschiede hinaus: Sie ist aggressiv und mutwillig, denn das Ziel ist, das Opfer zu neutralisieren, zu demütigen oder zu ruinieren. Im Gegensatz zu verbalen Aggressionen folgt die rituelle Diffamierung einem regelmäßigen, systematischen und kontinuierlichen Muster.

James Damore als Beispiel für rituelle Verleumdung

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des Ingenieurs James Damore. Dem Google-Mitarbeiter wurde gekündigt, da er seine kontroversen und polemischen Ansichten in einem unternehmensinternen Memorandum veröffentlichte. Er kritisierte darin die unternehmerischen Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt, da sie sich seiner Meinung nach negativ auf die Leistung von Google auswirkten.

James Damore erklärte in diesem Memorandum, dass die Unterschiede im Technologiesektor nicht so sehr auf die Diskriminierung von Frauen zurückzuführen sind, sondern auf geschlechterspezifische Merkmale. Er geht davon aus, dass Frauen gefühlsbetonter und sozialer sind und deshalb zu sozialen oder künstlerischen Berufen neigen. Männer sind seinen Worten zufolge hingegen eher systematisch und stressresistent und deshalb besser als Programmierer geeignet.

Als das Memorandum an die Öffentlichkeit gelangte, löste es große Empörung aus. Damore verklagte Google wegen Sexismus und erhielt schließlich auch Unterstützung, als er versuchte, vor Gericht zu erklären, dass die Pro-Diversity-Politik von Google in Wahrheit insbesondere weiße, asiatische, männliche und konservative Personen diskriminierte. Die beiden Parteien entschieden sich für einen Vergleich, Damore erhielt eine finanzielle Entschädigung.

Natürlich sind die Aussagen von Damore umstritten und kritisierbar, sie dienen jedoch als Beispiel für rituelle Verleumdung: Meinungen, die nicht mit den gesellschaftlich akzeptierten Auffassungen übereinstimmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht politisch korrekt sind, werden automatisch abgelehnt. Die Person wird zerstört, auch wenn es sich nicht um ein moralisches Verbrechen, sondern nur um eine persönliche Ansicht handelt. Die dominante Gruppe setzt sich durch und schüchtert jene Menschen ein, die ihre Werte oder ihr Glaubenssystem kritisieren.

Die rituelle Verleumdung zielt darauf ab, durch ungerechtfertigte oder verletzende Strategien jene Personen zu zerstören oder zum Schweigen zu bringen, die anders denken, stören oder gesellschaftlichen Überzeugungen widersprechen. 

Frau leidet durch rituelle Verleumdung
Die Verleumder suchen nach Mitteln, um die Aufmerksamkeit von falschen Beweisen abzulenken und so das Opfer daran zu hindern, sich zu verteidigen.

Merkmale der rituellen Verleumdung

In seinem Artikel mit dem Titel The Practice of Ritual Defamation beschreibt Laird Wilcox die wichtigsten Merkmale der rituellen Verleumdung:

1. Verstoß gegen Tabus

Das Opfer verstößt gegen ein bestimmtes Tabu: Es bringt beispielsweise eine Meinung oder Überzeugung zum Ausdruck, die den gesellschaftlichen Erwartungen widerspricht. Es reicht, die persönliche Ansicht auszudrücken, ohne etwas zu tun, damit die andere Person die rituelle Verleumdung rechtfertigen kann.

2. Angriff

Der Täter greift den Charakter des Opfers an und stellt seine Meinung und Überzeugungen infrage. Der Rufmord ist ein wichtiges Werkzeug, um den anderen zu erniedrigen und zu demütigen.

3. Keine Debatten über die Wahrheit

Der Verleumder lässt sich nicht auf Debatten über den Wahrheitsgehalt der Kommentare der anderen Person ein, er verurteilt alle Aussagen, Beweise sind überflüssig. Zensur und Unterdrückung sind beliebte Strategien.

4. Das Opfer ist eine bekannte Persönlichkeit

Häufig ist das Opfer eine Person, die in der Öffentlichkeit steht und angreifbar ist. Die Sichtbarkeit macht die Person anfälliger für die rituelle Verleumdung.

 5. Andere zur Verleumdung ermutigen

Eine weitere Strategie ist, andere einzubeziehen, um das Opfer zu verleumden. Dies kann in der Politik der Fall sein, jedoch auch im privaten Bereich, beispielsweise in der Schule.

 6. Entmenschlichung des Opfers

Die rituelle Diffamierung ist besonders wirksam, wenn das Opfer entmenschlicht wird. Seine Meinungen oder Überzeugungen werden so sehr verzerrt, dass sie extrem scheinen. Das Opfer steht plötzlich als Verräter, Rassist oder Verbrecher da.

7. Das Umfeld unter Druck setzen

Eine weitere Regel der rituellen Verleumdung besteht darin, das Umfeld unter Druck zu setzen, damit das Opfer von allen Seiten gedemütigt wird. Wird beispielsweise eine Lehrkraft entlassen, werden andere Einrichtungen, an denen sie tätig ist, unter Druck gesetzt, damit sie sie ebenfalls entlassen oder nicht einstellen.

8. Keine Chance zur Verteidigung

Das Opfer hat keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Alle Äußerungen werden als irrelevant abgetan. Es geht nicht um die Wahrheit, sondern nur darum, das Opfer zu zerstören.

Die rituelle Verleumdung: Was ist das?
Die rituelle Verleumdung findet oft in der Gruppe statt.

Die rituelle Verleumdung: Fazit

Das einzige Ziel dieser Strategie ist, das Opfer zu bestrafen und zu erniedrigen. Die Wahrheit spielt dabei keine Rolle, Hauptsache das Ziel wird erreicht: den Ruf des Opfers zu ruinieren. Am Ende seines Artikels erinnert Wilcox daran, dass die rituelle Verleumdung eine universelle Praxis ist, die von jeder Person oder jeder Gruppe ausgeübt werden kann. Die politischen oder religiösen Überzeugungen spielen dabei keine Rolle. Wir sollten uns besser darauf konzentrieren, eine Einigung zu erreichen oder eine rationale Debatte führen, insbesondere, wenn es um heikle Themen geht.


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