Die Macht der Düfte: Riechtraining bei Geruchsverlust

Das Riechtraining hat sich bei Riechstörungen als wirksame Methode erwiesen und gewinnt zunehmend an Bedeutung als präventive und therapeutische Maßnahme im Kontext neurodegenerativer Erkrankungen.
Die Macht der Düfte: Riechtraining bei Geruchsverlust

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 06. Februar 2024

Wenn du den Duft heißer Schokolade wahrnimmst oder Lebkuchen riechst, erinnerst du dich vielleicht an schöne Kindheitserlebnisse. Dieses Phänomen wird als Proust-Effekt bezeichnet und ist darauf zurückzuführen, dass Riechinformationen, Emotionen und Gedächtnisinhalte in derselben Gehirnregion verarbeitet werden. Du erlebst deshalb bei bestimmten Gerüchen eine angenehme oder unangenehme Reise in die Vergangenheit. Doch was passiert, wenn es zu einem Geruchsverlust kommt?

Riechstörungen haben weitreichende Folgen, darüber werden wir uns in der Regel jedoch erst dann bewusst, wenn unsere Geruchswahrnehmung eingeschränkt ist. Das Riechtraining kann in diesem Fall helfen, die Riechzellen zu stimulieren und die Geruchswahrnehmung zu verbessern. Erfahre in diesem Artikel mehr über dieses höchst interessante Thema.

Wie wir Gerüche wahrnehmen

Was passiert im Gehirn, wenn du den Duft von Lavendel wahrnimmst? Gerüche entstehen durch die Zusammensetzung von bis zu 500 einzelnen Wirkstoffen, wobei bestimmte Leitsubstanzen dominieren.

Wenn du den Duft einatmest, steigen die Duftmoleküle zur Riechschleimhaut im oberen Drittel der Nasenhöhle auf. Diese setzt sich aus rund 10 Millionen Riechzellen zusammen, die auf unterschiedliche Duftstoffe spezialisiert sind. In den darin befindlichen Rezeptoren löst der Duft einen elektrischen Impuls aus, der über die Fortsätze der Riechzellen (Axone) in dein Gehirn übertragen wird.

Die Axone führen direkt in den Riechkolben. Die Nervenimpulse werden danach in das Riechhirn und schließlich in verschiedene Gehirnareale weitergeleitet. Das Limbische System, das für unsere Emotionen zuständig ist, erzeugt als Reaktion auf die Duftinformation ein Gefühl.  So hat Lavendelduft zum Beispiel beruhigende, ausgleichende und angstlösende Wirkungen. Die Nervenimpulse gelangen jedoch auch in andere Gehirnbereiche, unter anderem in die Großhirnrinde, die es dir ermöglicht, den Duft bewusst als Lavendelduft zu identifizieren.

Die Geruchswahrnehmung ist ein höchst komplexer Prozess, wobei die Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle spielt, da Gerüche unter anderem eine Warnfunktion haben, die uns vor Gefahren schützt.

Neubildung der Riechzellen

Die Lebensdauer einer Riechzelle beträgt rund 35 Tage. Diese spezialisierten Nervenzellen bilden sich jedoch durch Neurogenese fortlaufend neu und das regelmäßige Training kann diesen Prozess fördern. Damit lässt sich also die Geruchswahrnehmung und -verarbeitung im Gehirn verbessern.

Auch Parfümeure machen sich dies in ihrer Ausbildung zunutze. Sie lernen in der Regel, mindestens 1.500 Gerüche zu identifizieren und zu beschreiben, auch wenn nur minimale Duftunterschiede zu erkennen sind. Parfümeure sind in der Lage, einzelne Duftmoleküle zu erkennen, wobei sich durch ihr Training bestimmte Gehirnbereiche deutlich verändern.

Auch wenn die Regenerationsfähigkeit im Alter nachlässt, kann die Geruchswahrnehmung in jedem Alter trainiert werden.

Riechtraining zur Stimulation des Geruchsinns
Eklige Gerüche riechen wir schneller als angenehme, denn sie schützen uns vor potenziell lebensbedrohlichen Gefahren.

Riechstörungen und ihre Ursachen

Zu den häufigsten Ursachen von Riechstörungen zählen virale Infekte, Traumata (Sturz oder Unfall mit Kopfverletzung), Allergien sowie neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer. Auch Rauchen oder die Exposition gegenüber Chemikalien können zum Geruchsverlust führen. Riechstörungen lassen sich wie folgt klassifiziert:

Quantitative Riechstörungen

  • Hyposmie (verminderter Geruchssinn)
  • Hyperosmie (extreme Wahrnehmung von Düften)
  • Anosmie (Verlust des Geruchssinns)

Qualitative Riechstörungen

  • Parosmie (veränderte Geruchswahrnehmung)
  • Phantosmie (Riech-Halluzinationen, die nicht auf reale Gerüche zurückzuführen sind)

Nach einer Infektion der oberen Atemwege kommt es nicht selten zu Geruchsstörungen, dies ist unter anderem nach einer SARS-CoV2-Infektion häufig der Fall. Die Genesungszeit ist sehr unterschiedlich, das Riechtraining kann sie jedoch verkürzen.

Personen, die an Parosmie leiden, nehmen Gerüche anders als ursprünglich gewohnt wahr. Es ist sehr unangenehm, wenn eine Orange nicht mehr ihren charakteristischen Duft aufweist oder wenn du das gewohnte Aroma von Kaffee anders wahrnimmst.

Demenz und Parkinson

Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass neuropathologische Veränderungen des Geruchssinns bereits frühzeitig auf eine Alzheimer-Demenz hinweisen können. Ein gezieltes Riechtraining könnte den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Ähnlich ergeht es Parkinson-Patienten: Bei einem hohen Prozentsatz ist das Geruchsvermögen eingeschränkt. Riechstörungen sind deshalb in der Frühdiagnose von großer Bedeutung, denn dieses Symptom tritt bereits Jahre vor der Krankheit selbst auf.

Eine eingeschränkte Geruchswahrnehmung kann das Risiko für Depressionen erhöhen, da dieses Hindernis die Lebensqualität einschränkt.

Frau riecht an einer Blume mit einem glücklichen Gesicht
Düfte lösen Erinnerungen aus und beeinflussen unsere Träume.

Wie funktioniert das Riechtraining?

Der Neurologe Professor Hummel (TU Dresden) zählt zu den prominentesten Forschern in diesem Bereich und hat wesentlich zur Entwicklung des Riechtrainings beigetragen. Dabei wird das Riechorgan durch verschiedene Gerüche stimuliert, damit es sich im Falle einer Riechstörung schneller erholt. Dieses Training kann einfach in den Alltag integriert werden, erfordert allerdings Regelmäßigkeit und Geduld.

Welche Düfte werden verwendet?

Beim Riechtraining kommen reine ätherische Öle zum Einsatz, die sich anfangs stark unterscheiden sollten. Die vier Klassiker nach den wissenschaftlichen Forschungen von Professor Hummel sind: Rose, Zitrone, Gewürznelke und Eukalyptus. Es gibt jedoch auch Varianten wie Minze, Jasmin, Thymian und Mandarine oder andere ätherische Öle, die für Abwechslung sorgen.

Warum benötigst du reine ätherische Öle? Die Komplexität der Zusammensetzung ätherischer Öle ist erstaunlich. Die natürlichen Verbindungen erzielen synergistische Effekte, die synthetische Duftstoffe mit nur wenigen Leitsubstanzen niemals erreichen können. Künstlichen Düften fehlt es außerdem an biologisch aktiven Verbindungen, die physiologische Prozesse im Körper beeinflussen können.

Du benötigst für das Riechtraining vier (oder mehr) ätherische Öle in Fläschchen oder Duftstifte, die speziell dafür entwickelt wurden. Um deinen Geruchssinn zu trainieren, kannst du ein Riechtraining Set verwenden.

Du benötigst für das Riechtraining vier (oder mehr) ätherische Öle in Fläschchen oder Duftstifte, die speziell dafür entwickelt wurden.

Riechtraining Schritt für Schritt

  • Du benötigst für das Riechtraining jeden Morgen und jeden Abend 10 bis 15 Minuten Zeit.
  • Öffne eine Flasche mit dem gewählten ätherischen Öl und halte sie ca.  3 cm unter deine Nase. Rieche aufmerksam daran, ohne die Flasche zu berühren. Das andere Nasenloch verschließt du am besten mit einem Nasenstöpsel.
  • Wiederhole diesen Vorgang zwei- bis viermal, bevor du mit dem nächsten Duft beginnst. Insgesamt solltest du ca. 30 Sekunden an einem Duft riechen.
  • Wiederhole diesen Prozess mit allen vier Duftölen.
  • Atme während des Riechtrainings ruhig ein und aus.
  • Danach machst du eine kurze Pause und wiederholst den Vorgang mit dem nächsten Öl, bis du an allen vier Ölen gerochen hast.

Während des Trainings wiederholst du am besten den Namen des Duftes und stellst dir das Bild der Pflanze vor. So werden Duft, Bild und Bezeichnung effektiv in deinem Gehirn verknüpft. Auch wenn du die Düfte anfangs nicht oder nur sehr schwach wahrnimmst, solltest du täglich üben. Empfindest du die Duftwahrnehmung als sehr intensiv, kannst du die Öle mit einem geruchsneutralen Trägeröl verdünnen.

  • Versuche, folgende Fragen zu beantworten: Kannst du den Geruch genau identifizieren? Wie intensiv nimmst du ihn wahr? Welche Erinnerungen oder Gefühle weckt er in dir?
  • Vergiss nicht: Das Riechtraining erfordert Zeit und Geduld. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, das Training 6 Monate lang regelmäßig durchzuführen.

Wann hilft das Riechtraining?

Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass das Riechtraining nach einer viral bedingten Geruchsstörung besonders wirksam ist. Viele leiden daran nach einer Grippe, Corona-Infektion oder Erkältung. Doch auch nach traumatischen Ereignissen ist es sinnvoll, den Geruchssinn zu trainieren. Darüber hinaus erweckt das Riechtraining als präventive und therapeutische Maßnahme bei neurodegenerativen Krankheiten zunehmendes Interesse.

Das Riechtraining aktiviert verschiedene Gehirnbereiche. Deshalb ist es nicht nur für Menschen mit Riechstörungen interessant. Wir können alle davon profitieren.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.