Die Inselrinde, die Quelle unserer Emotionen

Die Inselrinde spielt bei der Entscheidungsfindung, bei kognitiven und emotionalen Prozessen und bei der Aufmerksamkeit eine Rolle.
Die Inselrinde, die Quelle unserer Emotionen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 05. Februar 2024

Die Inselrinde ist eine Region des Gehirns, die so geheimnisvoll wie entscheidend für das Verständnis des menschlichen Verhaltens ist. Manche sagen, dass sich dort unser “Gewissen” befinde. Derzeit können Neurologen aber nur belegen, dass diese Struktur als die Quelle unserer Emotionen fungiert. Hier lebt unser Einfühlungsvermögen und unsere Intuition.

Die Neurowissenschaft ist eine faszinierende Disziplin, die nie aufhört zu verblüffen. Vor ein paar Jahren wurde festgestellt, dass einige Menschen in der Lage sind, das Rauchen über Nacht aufzugeben, ohne Symptome eines Entzugs zu erleben. Warum? Als Forscher bei diesen Menschen eine Magnetresonanztomografie realisierten, fanden sie eine kleine Läsion in der Inselrinde.

Die Forscher fanden auch heraus, dass Alexithymie mit einer Anomalie in genau dieser Region zusammenhängt. Alexithymie wird diagnostiziert, wenn eine Person erhebliche Schwierigkeiten hat, die Emotionen anderer nachzuvollziehen. Im Wesentlichen haben diese Personen Probleme damit, Emotionen zu erkennen und auszudrücken. Es hat sich herausgestellt, dass dieses Defizit an diesem kleinen Ort seine Ursache hat.

Tatsächlich ist die Inselrinde wie eine magische Quelle, die jede weitere Struktur des Gehirns mit Empfindungen und Emotionen erfüllt. Diese wiederum erlauben es uns, positiv oder negativ zu reagieren. Denn die Inselrinde ist es, die uns Gefühle wie Ekel, Stolz und Lust verspüren lässt. Es ist auch die Struktur, die uns hilft, Menschen zu verstehen und emotional zu reagieren.

 

Inselrinde

Die Inselrinde, eine multifunktionale Struktur

Die Inselrinde ist eine kleine Region der Großhirnrinde, die recht zentral gelegen ist. Um sie zu erreichen, müsste man in den Spalt eintauchen, der die Stirn- und Seitenlappen von den Schläfenlappen trennt. In den 80er-Jahren wussten wir nur, dass wir dabei in einen dunklen Bereich des Gehirns vordringen würden. In jedem Sinn des Wortes: Die Inselrinde galt als eine Struktur unbekannter Funktion, über die im Laufe der Jahre Hunderte Hypothesen aufgestellt wurden.

Doch die 90er-Jahre brachten etwas Licht ins Dunkel. Dank der Fortschritte in der analytischen und diagnostischen Technik konnten erstaunliche Entdeckungen gemacht werden. Patienten mit Läsionen der Inselrinde konnten nun erkannt und besser untersucht werden. Entsprechende Studien haben gezeigt, dass die Inselrinde bei vielen unserer täglichen Aktivitäten eine enorme Rolle spielt.

Wenn wir also die Wissenschaftler von heute fragen, welche Prozesse in diesem Bereich ablaufen, könnten sie uns eine vollständigere und sehr interessante Antwort geben. Es geht hier um so vieles: Liebe, Emotionen, Verlangen, Genuss, Sucht, Schmerz, Entscheidungsfindung. Unglaublich, aber wahr.

Wolke in Herzform über apokalyptischer Landschaft

Die Inselrinde, Eckpfeiler unseres Bewusstseins

Neuropsychologen warnen, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn wir einer Region des Gehirns eine so große und wichtige Funktion wie das Bewusstsein zuweisen. Angesichts der Beteiligung der Inselrinde an unserem sozialen und emotionalen Verhaltens ist diese Hypothese jedoch naheliegend.

Dazu sei angeführt, dass Menschen, die schwere Schäden der Inselrinde erleiden, sich von ihrer Umgebung und sogar von sich selbst entfernen. Sie sind geprägt von tiefer Apathie und mangelndem Einfühlungsvermögen. Sie können keinen Aspekt des Lebens genießen, nicht einmal Ekel empfinden. Sie können frische Lebensmittel nicht von faulen unterscheiden, Liebe nicht von Hass.

Die Inselrinde spielt mit unserem Selbstverständnis

Wissenschaftler sagen uns auch, dass die Inselrinde das sei, wo unser Wesen zusammenkomme. Mit anderen Worten, wo wir uns unseres Körpers und Geistes bewusst werden. Um das etwas besser zu verstehen, müssen wir klarstellen, dass keine Gehirnstruktur unabhängig arbeitet.

Wenn wir beispielsweise den Fehler begehen, zu schlussfolgern, dass eine bestimmte Person die rechte Gehirnhälfte benutze, weil sie sehr kreativ sei, vergessen wir, dass das Gehirn “ein Ganzes” ist. Jeder Teil des Gehirns ist mit allen anderen verbunden.

Dasselbe passiert mit der Inselrinde. Sie ist mit weiteren Hirnregionen und dem Körper verbunden, moduliert den Geruchssinn und erzeugt subjektive Gefühle. Die Inselrinde ist am Hungergefühl beteiligt und erhält Informationen von Hautrezeptoren und anderen Organen. Diese Struktur hilft uns, zu reagieren, wenn uns kalt oder heiß ist, oder wenn etwas sticht oder juckt. Hier sitzt der Instinkt, der uns sagt, dass wir uns schleunigst aus dem Staub machen sollten.

Ein Gehirn schwimmt in einem See

Aber auch Tiere haben eine Inselrinde. Deshalb haben auch sie dieses körperliche und emotionale Bewusstsein. Wenn also einer Katze, einem Hund, einem Tasmanischen Teufel oder einem Lemur heiß ist, wird dieser nach Schatten suchen. Wenn er Nahrung findet, wird er das Frische dem Verfaulten vorziehen. Sobald ein Tier auf ein anderes Tier trifft, wird seine Intuition ihm sagen, ob das Gegenüber gute oder schlechte Absichten hat. Es wird instinktiv wissen, ob es zur Beute werden kann. Oder ob es im Gegenteil jemandem gegenübersteht, mit dem es sich identifizieren kann.

Neurobiologen sind allerdings überzeugt, dass Menschen, Primaten, Wale und Elefanten viel komplexere und anspruchsvollere Inselrinden haben als andere Gattungen und Spezies.

Die Inselrinde und die Sucht

Die Inselrinde wiederum kann in verschiedene Bereiche unterteilt werden. Zum Beispiel ist die Inselrinde mit unseren Emotionen verbunden. Liebe und Hass, Dankbarkeit und Groll, Scham und Misstrauen, Empathie und Verachtung. Es gibt einen bestimmten Punkt zwischen dem frontalen Bereich und dem vorderen cingulären Kortex, an dem die mit einer Sucht verbundenen Prozesse zusammenlaufen.

Wenn eine Person versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, erhöhen bestimmte Reize das Verlangen und die Entzugserscheinungen. Bestimmte Düfte, Situationen und Szenarien verstärken die Angst, die die Inselrinde heimlich beherrscht.  Und all das nur, weil die Inselrinde eng mit dem limbischen System verbunden ist.

Es gibt viele Studien, die zeigen, wie diese kleine Struktur das Suchtverhalten beeinflusst. Sie hat mit dem Verlangen zu tun, mit dem intensiven Verlangen zu konsumieren.

Animation eines Gehirns

Zusammenfassend kann die Inselrinde uns Menschen helfen, das Beste zu sein, was wir sein können; sie verleiht uns Einfühlungsvermögen und positive Gefühle. Aber sie kann auch unsere dunkle Seite hervorheben. Vielleicht werden bald neue Entdeckungen über diesen komplexen kleinen Bereich des Gehirns gemacht, der uns so menschlich macht.

Noch ein Gedanke zum Abschluss. Wann immer du Musik oder ein Glas Wein genießt, denke daran, wer es dir erlaubt, solche Freuden zu empfinden. 


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.