Die Industrie vermittelt dir Schuldgefühle

Die Industrie vermittelt dir Schuldgefühle. Ihr oberstes Ziel besteht darin, deine Fähigkeit zu brechen, eigene Entscheidungen zu treffen. Damit du nicht aufhörst zu konsumieren. Dies erzeugt ein Schuldgefühl, das letztendlich dazu führt, dass du noch mehr konsumierst.
Die Industrie vermittelt dir Schuldgefühle
Sergio De Dios González

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Letzte Aktualisierung: 15. Mai 2023

Die Menschheit sieht sich mit immer raffinierter und komplexer werdenden Herausforderungen konfrontiert. All dies geschieht in rasender Geschwindigkeit und die Biologie hat schlichtweg nicht die notwendige Zeit gehabt, um sich daran anzupassen. Unsere Körper wurden eigentlich dafür gemacht, zu jagen und Menschen unter widrigen Bedingungen zu schützen. Und diese Körper müssen sich nun den heutigen technologischen Herausforderungen stellen. Eine dieser Herausforderungen ist die Art und Weise, wie die Industrie den Konsumenten Schuldgefühle vermittelt.

In ihrem Buch Der Feind kennt das System (El enemigo conoce el sistemaerklärt Marta Peirano auf hervorragende Weise, wie dies geschieht. Sie beschreibt sehr genau, wie dich das Wissen darüber, wie dein Gehirn funktioniert, verletzlich und angreifbar macht. Und Unternehmen nutzen diese Verwundbarkeit aus, um den Konsum anzukurbeln.

Die Industrie - Gehirn aus Bauklötzen

Die Industrie vermittelt dir Schuldgefühle

Beispielsweise wissen Forscher heute, dass fröhliche Musik dich dazu veranlasst, schneller zu kaufen. Ruhige Musik lässt dich für längere Zeit an einem Ort verweilen. Welche Musik hörst du in großen Warenhäusern? Und welche Hintergrundmusik läuft in Geschäften, die teure Waren anbieten?

Wenn du dann nach Hause kommst und siehst, wie viele unnötige Dinge du gekauft hast, bist du häufig selber erstaunt und irritiert darüber. Die Industrie vermittelt dir also tatsächlich Schuldgefühle.

Außerdem könntest du dich schuldig fühlen, wenn du nicht damit aufhören kannst, Junk Food zu essen. Das passiert häufig: Du beschließt, deine Ernährung zu verbessern und dann schaffst du es nicht. Die Wahrheit ist, dass das genau so beabsichtigt ist.

Mit den Worten von Peirano: “Wir glauben lieber, dass wir Schweine ohne einen Hauch von Disziplin sind, als zu erkennen, dass eine der mächtigsten und toxischsten Industrien auf dem Planeten außergewöhnlich motivierte Genies mit exorbitanten Gehältern beschäftigt, die in mit modernster Technologie ausgestatteten Laboratorien arbeiten und deren einziges Ziel darin besteht, uns zu manipulieren, ohne dass wir dies überhaupt merken”.

Mit anderen Worten, viele Menschen und Technologien arbeiten nur daran, deine Willenskraft zu brechen. Hast du dir jemals die Zeit genommen, um darüber nachzudenken, mit welchem immensen Kraftpaket du es zu tun hast?

Die Industrie und ihre Methoden

Du bist mit einer Industrie konfrontiert, die billige, unbefriedigende Lebensmittel mit niedrigem Nährwert verkauft. Das erzeugt ein Paradoxon. Heutzutage sind viele Menschen beides gleichzeitig: fettleibig und schlecht ernährt. Das liegt daran, dass die Quantität der Lebensmittel nichts mit ihrer Qualität zu tun hat.

Die Industrie ist darauf ausgerichtet und vorbereitet, dass Menschen impulsive Kaufentscheidungen treffen, weil sie zu wenig Zeit und kognitive Energie darauf verwenden und sich stattdessen mit zahlreichen anderen Problemen auseinandersetzen müssen. Gleichzeitig werden viele ältere Rezepte heute als “gesund” eingestuft, wenn Menschen sich mehr mit ihrer Ernährung auseinandersetzen.

Darüber hinaus siehst du auf den Lebensmittelverpackungen sportlich aktive Menschen und Slogans, die zahlreiche Dinge proklamieren, die tatsächlich gar nicht in dem Produkt enthalten sind. Dies führt dazu, dass du schnell vergisst, dich genauer damit zu beschäftigen, was diese Produkte denn nun wirklich beinhalten.

Einige Unternehmen und Industrien haben den Zuckergehalt in ihren Nahrungsmitteln gesenkt. Allerdings sind daraufhin die Verkaufszahlen gesunken. Wie Peirano sagt, Es ist einfacher, eine Sucht zu erzeugen, als sich davon wieder zu befreien”.

Aber die Industrie hat auch vorgesorgt. Um ganz sicherzugehen, ist dies ein Zyklus, den du schon in jungen Jahren betrittst. Obwohl viele Menschen sie für “gesund” halten, enthalten beispielsweise Frühstückszerealien für Kinder häufig potentiell süchtig machende und ungesunde Inhaltsstoffe.

Die Industrie - Marketing

Konsum im Internet

Letztendlich ist das Ziel der Industrie, sicherzustellen, dass du keinesfalls damit aufhörst, weiter zu konsumieren. Was liegt momentan im Trend? Ein perfektes Beispiel sind Online-Streaming-Plattformen, die unzählige Fernsehshows und Filme zeigen, die du dir jederzeit ansehen kannst.

Darüber hinaus werden Kinos durch Plattformen ersetzt, die den Menschen ununterbrochene Unterhaltung zu “erschwinglichen Preise” offerieren.

Wenn die Industrie dir kein Schuldgefühl vermittelt, welches ist dann das vorherrschende Gefühl, nachdem du einen ganzen Nachmittag vor dem Fernseher verbracht hast, obwohl du eine lange To-Do-Liste hättest? Und die sozialen Medien sind das Sahnehäubchen auf dem Ganzen. Wie oft schon hast du dein Telefon entsperrt, um etwas zu erledigen und bist der Versuchung erlegen, stattdessen zu scrollen?

Soziale Medien sind letztendlich nur automatisiert. Die Webseiten, auf denen du scheinbar unendlich viele Informationen finden kannst, liefern dir ein personalisiertes Angebot und fesseln dich damit an den Bildschirm. Wenn du beispielsweise auf deine Facebook-Seite gehst, kannst du scrollen und scrollen und scrollen… Die Geschichten, Videos, Bilder und Kommentare der Menschen, die du kennst, scheinen beinahe endlos zu sein. Um dich dann endlich wieder abzumelden, musst du zuerst einmal die Kontrolle über deine Aufmerksamkeit zurückerlangen.

Allerdings ist dies sehr schwierig, denn die Designer dieser Plattformen haben sie genau zu diesem Zweck erschaffen. Sie wollen, dass du so lange wie irgend möglich in ihren virtuellen Räumen verbleibst. Außerdem wissen diese Menschen ganz genau, wie dein Gehirn funktioniert. Und leider ist es unglaublich einfach, diese Mechanismen auszunutzen.

Abschließende Gedanken

Genau so gelingt es der Industrie, Schuldgefühle in dir auszulösen. Große Schuldgefühle. Wenn du ein Eis isst, dann fühlst du dich schuldig. Wenn sich dann Verzweiflung in dir ausbreitet, ist sie normalerweise ein Resultat dieses Schuldgefühls. Aber letztendlich führt diese Verzweiflung dazu, dass du Eis essend vor dem Fernseher sitzt, genau wie in den Filmen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.