Die Ideenlehre von Platon: Schlüsselbegriffe und Kritikpunkte

Du findest hier die wichtigsten Konzepte der Ideenlehre von Platon, einem der bedeutendsten griechischen Philosophen.
Die Ideenlehre von Platon: Schlüsselbegriffe und Kritikpunkte

Letzte Aktualisierung: 13. Oktober 2023

Der Ausdruck “platonische Liebe” ist weitverbreitet, allerdings hat dieses Konzept wenig mit den Ideen von Platon zu tun. Ein Blick zurück in die Antike lohnt sich, denn die griechischen Meister regen uns auch heute noch zur Reflexion an. Wir widmen diesen Artikel der Ideenlehre von Platon und erklären die wichtigsten Schlüsselbegriffe, gehen jedoch auch auf Kritikpunkte ein.

Der griechische Philosoph, der zusammen mit Aristoteles und Sokrates das Dreigestirn der antiken Philosophie bildet, vermittelt in seiner Ideenlehre das Konzept der Idee und der Wahrheit: Wie erkennen wir Dinge und warum nehmen wir sie auf eine bestimmte Art und Weise wahr? Dieser Ansatz hat Generationen von Philosophen beschäftigt, unter anderem den französischen Denker Descartes, der große Erbe der platonischen Philosophie.

Platons Ideenlehre in seinen Dialogen

Die Ideenlehre bereicherte alle Texte Platons, sowohl seine Frühdialoge als auch seine reifen Erkenntnisse. Der griechische Philosoph erweiterte seine Gedanken kontinuierlich, jedoch nicht systematisch. Zu den Dialogen seiner Jugendzeit zählen die Apologien des Sokrates¹, Laktiphon, Euthyphon, Gorgias und Euthydemus. Darin präsentiert Platon die Ideenlehre als Antwort auf die Aufforderung, Definitionen zu liefern. Dahinter steht die Annahme, dass es ein Wort gibt, das für eine Reihe von Eigenschaften steht.

So stellt sich zum Beispiel in den Frühdialogen mit Laches die Frage: “Was ist Tapferkeit?” Daraufhin antwortet Sokrates: “[…] Versuche es also noch einmal, zu bestimmen, was das in allen diesen Umständen gleichartige Wesen der Tapferkeit sei!” Es geht um eine Idee, die bestimmten Dingen gemeinsam ist, auch wenn sie in unterschiedlichen Kontexten auftreten. Ideen haben also bestimmte Eigenschaften: Sie sind unter anderem universell und unvergänglich, intelligibel (nur durch den Geist erfassbar), vollkommen und formlos.

Ideen stellen das Wesen der Dinge dar, deshalb sind sie allgemeingültig. Die Idee macht ein Ding zu dem, was es ist. Es können Kategorien gebildet werden, um bestimmte Dinge zu klassifizieren. Die konkreten Merkmale und Eigenschaften sind nötig, um Begriffe zu definieren.

Die Ideenlehre in den Spätdialogen

In den mittleren und späten Dialogen (u. a. Phaidros, Symposion, Politeia) führt Platon eine ontologische und erkenntnistheoretische Unterscheidung der Ideen ein. Die sogenannte Sinnenwelt ermöglicht es uns, unsere Umgebung mithilfe der Sinne wahrzunehmen und uns eine individuelle Realität zu schaffen. Da wir jedoch unvollkommen sind, kann dieses Bild der Realität verzerrt sein.

Die Ideenwelt hingegen spiegelt die ewige, unvergängliche Wahrheit wider. Auch wenn sich der Mensch täuscht, kann er seine Ideen durch seine Vernunft benennen. Das wahre Wissen besteht also aus Ideen, die Platon als die Wissenschaft schlechthin betrachtet.

Die Merkmale der Ideen im Überblick

Platon zufolge sind Ideen

  • einzigartig,
  • ewig,
  • unveränderlich,
  • universell,
  • Paradigmen,
  • homogen und
  • nicht generiert.

Andererseits haben auch die sinnlichen Dinge bestimmte Merkmale. Sie sind:

  • veränderlich,
  • vergänglich,
  • fehlbar und
  • dem Werden unterworfen.

Die Ideenlehre von Platon geht also davon aus, dass Ideen die wahren Erkenntnisobjekte sind. Sinnliche Dinge können keine wahren Erkenntnisse liefern, da sie nur eine individuelle Wahrnehmung ausdrücken.

Die Kritikpunkte der Ideenlehre

Aristoteles zählte zu den ersten Philosophen, die in der Ideenlehre Ungereimtheiten aufdeckten. Er wandte sich von seinem Lehrer ab, um seine eigene Philosophie zu entwickeln. Der Schüler argumentiert, dass die Ideenlehre eine unnötige Verdoppelung der Dinge bedeutet, und zwar in der konstruierten Welt der Ideen, die den vernünftigen Dingen rationalen Halt geben sollen.

Das Argument des Dritten Menschen, das ebenfalls von Aristoteles formuliert wurde, gehört zu den bekanntesten Kritikpunkten. Wenn ein Individuum ein Mensch ist, weil es einem idealen Menschen gleicht, muss es ein anderes Ideal geben, denen sowohl der einzelne Mensch als auch die Idee Mensch gleichen.

Außerdem weist Aristoteles darauf hin, dass es der Ideenlehre an Negativität fehlt: Wenn es eine Vorstellung des Schönen gibt, muss es auch eine Vorstellung des Hässlichen geben. Diese Negativität ist jedoch in Platons Gedanken nicht zu erkennen.

Dazu kommt die Problematik der Trennung zwischen Ideen- und Sinnenwelt: Sie macht es schwierig, Ideen in die sinnliche Wirklichkeit zu übertragen. In seinem Werk Metaphysik spricht er deshalb über die Verständlichkeit der Ideen in der sinnlichen Welt. Aristoteles kritisiert ebenfalls, dass die Ideen nicht erklären, wie die Dinge entstehen. Es handelt sich nur um Begriffe, deren Definitionen sich auf eine absolute Wirklichkeit beziehen.

Der Dialog des Parmenides

Auch Platon selbst kritisiert in seinem Dialog mit Parmenides seine eigene Ideenlehre: Die Sinneswelt und die Ideenwelt geraten in einen Konflikt, da sie verschiedenen ontologischen Bereichen angehören. Dadurch kommt es zu der Frage, wie sich Ideen an den sinnlichen Dingen beteiligen. Darauf gibt es zwei verschiedene Antworten: Entweder nehmen die Ideen in ihrer Gesamtheit teil oder sie tun es in Teilen. Beide Möglichkeiten stellen eine Schwierigkeit dar.

Wenn eine Idee in ihrer Gesamtheit in jedem Objekt zu finden ist, wäre eine Idee nicht mehr einzigartig. Die Idee wäre vielfältig, würde sich von sich selbst trennen und ihrem eigenen Wesen zuwiderlaufen. Dies ist jedoch auch der Fall, wenn die Idee nur teilweise in den sinnlichen Dingen vorhanden ist. Ihr Wesen müsste dann in Teile zerlegt werden. Platon selbst zeigt also die Problematik seiner Ideenlehre auf.

Auswirkungen auf die westliche Philosophie

Der Dualismus zwischen der Sinneswelt und der Ideenwelt, den Platon in seiner Ideenlehre beschreibt, hatte einen großen Einfluss auf das spätere philosophische Denken. Ramón Alcoberro vertritt die Ansicht, dass der Platonismus dem Christentum eine stabile philosophische Grundlage bot. Auf diese Weise hatte es die Möglichkeit, die westliche Welt zu erobern.

Er erinnert uns auch an einen großen Satz des englischen Philosophen und Mathematikers Alfred North Whitehead: Alle abendländische Philosophie ist als Fußnote zu Platon zu verstehen.” So wurde der von Platon vorgeschlagene Dualismus später von verschiedenen Philosophen aufgegriffen. Descartes zum Beispiel war einer von ihnen, der von der Dualität von Körper und Geist ausging. In der Neuzeit beobachten wir eine weitere Art von Dualismus: Individuum und Gesellschaft. Das Vermächtnis von Platon ist vielseitig und bis heute von zentraler Bedeutung.

▶ Lese-Tipp

  1. Apologie des Sokrates, Platon (Autor), Manfred Fuhrmann (Hrsg., Übersetzer), Reclam 1986

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