Die 7 Gemeingüter der Menschheit nach John Finnis

Der Philosoph John Finnis beschreibt verschiedene Prinzipien und Grundlagen für eine gerechte und respektvolle Gesellschaft, in der sich jedes Individuum entfalten kann.
Die 7 Gemeingüter der Menschheit nach John Finnis
Matias Rizzuto

Geschrieben und geprüft von dem Philosophen Matias Rizzuto.

Letzte Aktualisierung: 30. Mai 2023

Wir streben alle nach einem guten Leben, doch was genau bedeutet das? Was ist wirklich wichtig im Leben? Viele Philosophen und Denker haben sich mit dieser Frage beschäftigt, auch der Australier John Finnis. 

Der Rechtsphilosoph versuchte, die Gemeingüter der Menschheit zu identifizieren, die für ein erfülltes Leben notwendig sind. Diese Güter müssen die Voraussetzung erfüllen, Menschen glücklich zu machen, damit sie ihr Leben in vollen Zügen genießen können. Es geht um wesentliche Elemente, die Wohlbefinden schaffen.

Die Gemeingüter stehen in engem Zusammenhang mit den Menschenrechten, da es sich um unveräußerliche Prinzipien handelt, die jedem Menschen zustehen.

John Finnis über die Gemeingüter

Finnis betont, dass die menschlichen Gemeingüter selbstverständlich, prämoralisch und grundlegend sind. Ein Artikel in der Zeitschrift Díkaion erwähnt, dass diese drei Besonderheiten eng miteinander verbunden und nötig sind, um das Wesen der Gemeingüter und ihre Rolle in Rechtssystemen zu verstehen.

Die Gemeingüter sind selbstverständlich, da jede Person die Fähigkeit und Vernunft besitzt, ihren Wert für das Glück und ihren irreduziblen Charakter zu verstehen. Die Gemeingüter werden nicht von anderen abgeleitet, es handelt sich um wesentliche Prinzipien, aus denen sich viele andere spezifische Güter ableiten.

Sie sind prämoralisch, da sie nicht aus einem bestimmten moralischen System stammen, sondern dazu beitragen, moralische Systeme zu begründen. So sind die Zehn Gebote zwar spezifische moralische Regeln, doch sie sind nicht selbstverständlich. Sie müssen durch verschiedene Grundsätze gestützt werden, um Gültigkeit zu erlangen.

Die Gemeingüter sind grundlegend, da keines auf ein anderes reduziert werden kann. Es ist also nicht möglich, ein bestimmtes Gemeingut anzustreben, indem man andere Güter instrumentalisiert, da alle gleichermaßen berücksichtigt werden müssen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass alle dieselben Gemeingüter in gleichem Maße anstreben. Manche suchen eher nach dem Gut des Wissens, andere nach Geselligkeit. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Lebensweise anderer respektiert wird.

Finnis geht davon aus, dass wir Gut oder Schlecht anhand der Gemeingüter bewerten.

Die sieben Gemeingüter der Menschheit nach John Finnis

John Finnis beschreibt sieben Gemeingüter, die für das menschliche Wohlbefinden entscheidend sind. Wir schauen uns diese Voraussetzungen nachfolgend etwas genauer an.

1. Das Leben

In seinem Buch Natural Law and Natural Rights¹ beschreibt John Finnis das Leben als erstes Gemeingut. Er weist darauf hin, dass dieses prämoralische Gut das Prinzip vieler einfacher Handlungen ist (sich bei Kälte wärmen, bei Hunger ernähren, sich vor Bedrohungen schützen…).

Das mag offensichtlich erscheinen, aber es ist wichtig zu erkennen, dass Leben nicht nur bloße Existenz ist. Finnis argumentiert, dass  das Leben lebenswert sein muss. Wir müssen uns als um uns selbst und um andere kümmern, um ein sinnvolles, erfülltes Leben anzustreben.

2. Wissen

Wir haben den natürlichen Drang nach Wissen, die Neugierde, die uns dazu anregt, die Welt um uns herum zu verstehen. Dieses Streben nach Wissen ist für unsere Entwicklung und unser Wohlbefinden wichtig, denn wir können damit unseren Platz in der Welt besser verstehen. Es spielt dabei keine Rolle, ob dieses Wissen mittels einer formalen Ausbildung oder durch das Erforschen der Umwelt erzielt wird.

3. Spiel

John Finnis betont, dass das Spiel ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist. Es hat viele Formen: Sport, Kunst, Musik oder Tanz… Es ist als Ausdruck unserer Kultur von unbestreitbarem Wert. Das Spiel ermöglicht es uns, Freude und Vergnügen zu erleben. Es fördert Fähigkeiten wie Kreativität und Problemlösung.

4. Ästhetische Erfahrung

Ästhetische Erfahrungen sind ein weiteres Gemeingut des Menschen: vom Genuss der Schönheit der Natur bis zur Wertschätzung von Kunst oder Musik. Sie ermöglichen uns eine tiefere, sinnvollere Verbindung mit der Welt und fördern Gefühle wie Ehrfurcht oder Staunen. Ästhetische Erfahrungen bringen uns die Komplexität und Schönheit unserer Umwelt näher und lehren uns, sie zu schätzen.

5. Geselligkeit

Als soziale Wesen haben wir ein tiefes Bedürfnis nach Verbindung und Gemeinschaft. Finnis argumentiert, dass Soziabilität den Aufbau repräsentativer Beziehungen zu anderen und die Teilhabe am sozialen Gefüge unserer Gemeinschaften fördert. Ob in der Familie, im Freundeskreis oder in anderen sozialen Gruppen, die Geselligkeit fördert das Gefühl der Zugehörigkeit und den Sinn des Lebens.

6. Praktische Vernunft

Dieses Gemeingut bezieht sich auf die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und im Einklang mit Vernunft und Moral zu handeln. Der Philosoph weist darauf hin, dass praktische Vernunft für das menschliche Wohlergehen unerlässlich ist, da sie beeinflusst, wie wir in einer komplexen Welt funktionieren und wie wir gemäß unseren Werten und Überzeugungen entscheiden.

Praktische Vernunft ist förderlich für moralisch und ethisch verantwortliches Handeln, das für eine gesunde und gerechte Gesellschaft unerlässlich ist.

7. Religion

Das siebte und letzte Gemeingut der Menschheit ist die Religion. Dabei geht es nicht um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Tradition, sondern um die Anerkennung von etwas Größerem, einem Ideal oder einem Ziel, das über uns selbst hinausgeht. John Finnis argumentiert, dass Religion grundlegend ist, weil sie eine Verbindung zu etwas herstellt, das über das eigene Selbst hinausgeht.

Sie gibt dem Leben Sinn und Bedeutung und erleichtert das Verständnis unseres Platzes im großen Ganzen.

Die Gemeingüter und das Wohlbefinden

Wie können die sieben von John Finnis beschriebenen Gemeingüter unser persönliches Wohlbefinden fördern? Sie bieten einen Rahmen, um die wahrlich wichtigen Dinge im Leben zu erkennen. Sie orientieren uns auf unserem Weg zu einem erfüllten Leben. Die Gemeingüter geben uns einen Fahrplan und erinnern uns daran, dass die Anstrengungen jedes Individuums zu einer wertschätzenden und respektierenden Gesellschaft beitragen.

Die sieben Gemeingüter von John Finnis können die Grundlage für eine gerechtere und mitfühlendere Welt sein, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zu entfalten und zu wachsen.

▶ Lese-Tipp

  1. Natural Law and Natural Rights, John Finnis, Clarendon Law 2011

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