Die Bedeutung der Sozialisation für die Entwicklung des Gehirns
Wir sind soziale Wesen und als solche brauchen wir es, in Kontakt mit anderen zu sein), um überleben zu können. Unser menschliches Naturell wird durch unsere Kultur definiert und diese kann sich nicht entwickeln, wenn wir isoliert sind. Man könnte deshalb sagen, dass die Interaktion mit anderen Menschen der beste Weg sei, damit sich das Gehirn vollständig entwickelt.
Daher ist es besonders wichtig, freundschaftliche und kameradschaftliche Beziehungen herzustellen. Nicht nur, um unsere emotionale Gesundheit zu erhalten, sondern auch, um das Gehirn so aktiv wie möglich zu halten. Auf diese Art und Weise tun alle geselligen Menschen der Gesundheit ihres Gehirns etwas Gutes. Sie schützen ihr Gehirn gegen den kognitiven Verfall sowie die im Alter drohende Demenz. Auf der anderen Seite gibt es leider sehr anschauliche Fälle, die uns zeigen, welche verheerenden Folgen es haben mag, wenn jemand seine frühe Kindheit isoliert verbringt. Diese Fälle werden im Allgemeinen als “wilde Kinder” bezeichnet.
Darüber hinaus zeigen aktuelle anthropologische Studien die Bedeutung der Sozialisation für die evolutionäre Entwicklung des Gehirns. Ohne soziale Beziehungen wäre es uns nicht möglich gewesen, diesen Entwicklungsstand zu erreichen, auf dem wir uns nun befinden.
Die Vorteile der Sozialisation für die Entwicklung des Gehirns, sowie die negativen Auswirkungen eines Mangels an sozialen Kontakten, werden im Folgenden ausführlicher beschrieben.
Die Sozialisation als Ursprung des Menschen
Der Mensch ist das Tier mit dem komplexesten Gehirn. Ein Organ, das es uns ermöglicht, Kommunikation auf Sprache aufzubauen. Darüber hinaus gibt es uns die Möglichkeit, komplizierte Entscheidungen zu treffen, vielgestaltige und funktionelle Objekte mit unseren eigenen Händen zu schaffen und sogar andere Tierarten und die Umwelt zu dominieren.
Laut Daniel White, einem Spezialisten für die Entwicklung des Gehirns, ermöglichte erst diese Sozialisation die eindrucksvolle Entwicklung des menschlichen Gehirns. Für den Experten hat das Leben in einer Gesellschaft unsere Gehirnentwicklung immens gefördert.
Die unterschiedlichsten ökologischen und sozialen Situationen haben das Gehirn dazu angeregt, effektiver zu arbeiten. Dies führte dazu, dass unser Gehirn heute ein erstaunliches Gedächtnis umfasst, mehrere Sprachen dominieren kann und eine höhere Präzision in unseren Bewegungen erlaubt. Dies alles sind evolutionäre Faktoren, die unser Leben in den letzten 300.000 Jahren wesentlich erleichtert haben.
Die Bedeutung der Sozialisation für die Entwicklung des Gehirns zeigt sich im Vergleich der Reifung des menschlichen Gehirns mit dem von anderen Primaten. Das Gehirn eines Schimpansen reift beispielsweise während der Schwangerschaft und, wenn der Affe geboren wird, ist dieses bereits zur Gänze ausgebildet. Bereits nach zwei Jahren hat des Gehirn des Schimpansen das Gehirnvolumen eines erwachsenen Menschen erreicht.
Im Falle des Menschen wächst das Gehirn in der Schwangerschaft und über die ersten zwei Lebensjahre nur langsam. So erreicht unser Gehirn das Volumen eines Erwachsenen erst im Alter von 7 Jahren, wenn das Kind bereits auf die einfache soziale Interaktionen vorbereitet sein sollte. Obwohl es dann nicht mehr größer wird, reift das menschliche Gehirn bis zum 25. Lebensjahr, über einen langen Zeitraum also, in dem die individuelle Sozialisation eine sehr wichtige Rolle spielt. Tatsächlich ist diese so wichtig, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf die Hirnreifung hat.
Auswirkungen einer fehlenden Sozialisation während der Kindheit
Eine mangelnde Sozialisation beeinflusst die Hirnreifung auf unterschiedliche Art und Weise. Im Allgemeinen ist dieser Umstand dermaßen schädlich, dass die Entwicklung des Gehirns in den ersten Lebensjahren wesentlich verzögert sein kann. Somit kann das Fehlen von sozialen Beziehungen, mit welchen normalerweise Interaktionen mit hoher Qualität einhergehen, nicht nur die Stimmung und das Verhalten des Menschen beeinträchtigen, sondern auch seine kognitive Gesundheit und motorischen Fähigkeiten.
Fehlende Sozialisation hat vor allem dann verheerende Folgen, wenn sie im Kindesalter auftritt. In den ersten zehn Lebensjahren erwirbt und perfektioniert der Mensch viele seiner überlegenen zerebralen Prozesse, wie zum Beispiel die Sprache. Beispiele für diese benachteiligenden Auswirkungen zeigen sich in den Fällen von den sogenannten “wilden Kindern”.
Der Fall von Genie beschreibt die Erfahrung eines Mädchens, das von seinen Eltern in den ersten 13 Jahren seines Lebens gefangen gehalten wurde. Sie erfuhr keinerlei emotionale Stimulation oder Sozialisation. Dies hinderte das Mädchen daran, eine komplexe Sprache zu erlernen, und es äußerte nur bestimmte Laute als Reaktion auf äußere Reize. Obwohl sie 13 Jahre alt war, als die Interaktion mit ihr begann, gelang es ihr nie, ihre Muttersprache fließend zu sprechen.
Ein anderer Fall ist der des wilden Kindes von L’Aveyron aus dem Jahr 1800. Ein 12-jähriger Junge erschien plötzlich in der dünn besiedelten Provinz Aveyron in Frankreich, kletterte auf Bäume und lief nackt herum. Genau wie Genie redete er nicht und ging außerdem auf allen Vieren, so wie Schimpansen. Es stellte sich heraus, dass er ausgesetzt worden war oder seine Eltern verstorben waren, als er noch sehr jung war, sodass er keinerlei Sozialisation erlebte.
Diese beiden Fälle sind nur besondere Beispiele dafür, was das Fehlen einer Sozialisation für die Entwicklung des Gehirns bedeuten kann. Außerdem zeigen sie uns die Entwicklungsfenster unseres Gehirns auf, in denen eine besondere Veranlagung besteht, bestimmte komplexe Fähigkeiten zu erlernen – so wie zum Beispiel die Sprache.
Die Sozialisation und die Entwicklung des Gehirns
Wir haben bereits gesehen, wie wichtig die Sozialisation für die Entwicklung des Gehirns ist. Die Sozialisation verhilft uns zu emotionaler Gesundheit, bietet Reize für unser Gehirn, schlägt ihm Herausforderungen vor und hält es aktiv. Diese Prozesse der Sozialisation sind bis ins fortgeschrittene Lebensalter von entscheidender Bedeutung, um einen, durch eine geringe geistige Aktivität hervorgerufenen, geistigen Verfall zu vermeiden.
Um diese Vorteile genießen zu können, müssen wir versuchen, uns so sozial wie möglich zu verhalten. Unser Kontakt zu anderen Menschen sollte vorzugsweise mündlich erfolgen, obwohl es auch bestimmte Vorteile hat, sich schriftlich zu verständigen.
Von denjenigen, die einen Großteil ihrer Zeit von anderen Menschen isoliert verbringen, können bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass die durch den sozialen Kontakt erzeugten Reize verloren gehen:
- Treffen mit Freunden und Familienmitgliedern organisieren. Sogar lange und periodische Telefonate können einen positiven Effekt haben.
- Einem Club oder einer Organisation beitreten, um bestimmten Aktivitäten nachzugehen und neue Freunde zu finden. Auf diese Art und Weise hält man seinen Körper und seine Hände beschäftigt, während man das Gehirn durch Sozialisation aktiviert.
- Ebenso ist es empfehlenswert, neue Aktivitäten auszuprobieren und dabei neue Leute aus anderen Umgebungen zu treffen.
- Die soziale Isolation vermeiden: Gehe auf die Straße hinaus, um mit bekannten oder sogar fremden Personen Ideen und Gedanken auszutauschen!
- Knüpfe Freundschaften mit Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Generationen. Ältere Personen können durch die geistige und körperliche Agilität der Jüngeren gefördert werden. Und die jüngeren Menschen können viel von den älteren lernen.
- Auch eine liebevolle Beziehung stimuliert unser Gehirn in vielerlei Hinsicht – solange diese Beziehung nicht die Ursache für ein intensives und beständiges Leiden ist.
- Wenn die Situation der Isolierung bereits unerträglich geworden ist, ist die beste Option, sich an Fachleute zu wenden. Telefonseelsorgen und soziale Zentren sind ebenso gute Möglichkeiten, um anzufangen, das Problem zu lösen. Und natürlich kann auch die Hilfe eines Psychologen eine wertvolle Unterstützung sein.
Auf diese Art und Weise wird die Entwicklung und Aktivierung des Gehirns gewährleistet. Das Gehirn von Kindern kann dank der Sozialisation reifen, und das Gehirn der älteren Menschen bleibt dadurch aktiv und gesund. Menschen sind schließlich soziale Wesen. Warum sollten wir also nicht die Sozialisation fördern, wenn diese uns dabei hilft, die Gesundheit unseres Gehirns zu schützen?
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