Die 6 wichtigsten Entwicklungstheorien
Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit allen Lebensphasen des Menschen. Sie betrachtet, wie sich die Kognition entwickelt und wie sich das Verhalten im Laufe der Zeit verändert. Sie ist ein interessantes Gebiet, welches der angewandten Psychologie eine Fülle an Wissen beisteuert. Wir denken, der beste Weg, sich einen Überblick zu verschaffen, ohne durcheinanderzukommen, ist es, einen Blick auf die sechs wichtigsten Entwicklungstheorien zu werfen.
Um die erklären zu können, auf welchem Stand sich die Entwicklungspsychologie heute befindet, sollten wir über einige Thesen sprechen, die bereits überholt sind. Es ist wichtig, sie zu erwähnen, da auf ihnen die Fortschritte aufbauen, die Wissenschaftler in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Diese sechs Theorien über die Entwicklung, über die wir von einem evolutionären Standpunkt aus sprechen werden, sind die Gestaltpsychologie, die Psychoanalyse, der Behaviorismus, die kognitive Psychologie sowie die Theorien von Piaget und Wygotski.
Entwicklungstheorien
Gestaltpsychologie
Die Gestaltspsychologie war eine der ersten psychologischen Schulen. Heute sind die Ideen der Gestaltpsychologie nicht mehr relevant. Und obwohl die Psychologen, die sich dieser Schule angeschlossen haben, in der Entwicklungspsychologie weniger bekannt sind, war ihr Ansatz, die Wahrnehmung des Menschen zu untersuchen, ohne Zweifel revolutionär.
Die Gestaltpsychologie geht davon aus, dass Menschen eine Reihe von Strukturen für den Erwerb und die Speicherung wichtiger Informationen nutzen. Diese Strukturen haben eine physische Gestalt und geben ihre Qualitäten im Verlaufe unserer Entwicklung frei. Wir könnten sie auch als komplexe Gesamtheiten oder als Zersetzungsprodukte der komplexen Einheiten definieren. Klingt das verwirrend? Wir wollen sehen, ob wir es etwas besser erklären können.
Was die Gestaltpsychologie über die Entwicklung sagen möchte, ist, dass sie auf einer biologischen Struktur basiert. Während wir aufwachsen, lernen wir, diese Strukturen einzusetzen. Daraus folgt, dass es keine „Entwicklung“ im Sinne der Genese und Evolution gebe. Es gebe nur die biologische Entwicklung der Fähigkeiten des Gehirns und seiner Sinnesorgane. Aktuelle Studien widerlegen diese Hypothese. Die Genese und die Evolution kognitiver Prozesse findet tatsächlich statt.
Psychoanalyse
Den Vater der Psychoanalyse kann man leicht erraten. Natürlich war es Sigmund Freud. Sein Konzept hebt die Wirkung unbewusster Impulse auf unser Verhalten hervor. Dieser Zweig der Psychologie bedient sich einer eher unwissenschaftlichen Methode und heute sind Freuds Theorien auch nicht mehr gültig. Jedoch hatten sie einen erheblichen Einfluss auf das Studium der Entwicklung. Psychoanalytische Theorien läuteten mit ihren Ideen über die Kindheit und der Jugend eine Wende in der Psychologie ein.
Die Psychoanalyse behauptet, dass Entwicklung stattfinde, weil der Mensch während jedes Lebensabschnitts eine Reihe von Bedürfnissen stillen müsse. Dementsprechend definiert sie die Entwicklung als eine Reihe von Phasen, die dadurch bestimmt werden, wie das Individuum diese Bedürfnisse stillt. Ebenso betont die Psychoanalyse die Bedeutung der Sexualität in all unseren Entwicklungsphasen, die frühsten Phasen einbezogen.
Behaviorismus
Diese Theorie entstand als eine Antwort auf die eher unwissenschaftliche Haltung der Psychoanalyse. Sie ist positivistisch. Behavioristen glauben, dass sich alles, was nicht direkt gemessen werden könne, außerhalb der Psychologie befinde. Dementsprechend untersuchen sie nur, welche empfangenen Reizen welches Verhalten auslösen – Reize und Verhalten sind messbar und quantifizierbar. Sie ignorieren im Grunde jede dazwischenliegende Variable, die sie nicht messen können.
Behavioristen glauben, dass wir die Entwicklung nur mit verschiedenen Formen des Lernens verstehen können, welche in diesem Rahmen zu berücksichtigen sind. Kinder kommen mit einer Reihe von Antworten zur Welt, die sie im Laufe ihrer Erfahrungen mit anderen Reizen assoziieren. Durch sehr einfache Prozesse erschaffen sie sich so ein Reservoir komplexer Verhaltensweisen. Das Problem an dieser Entwicklungstheorie ist, dass sie zu sehr reduziert und vereinfacht.
Kognitive Psychologie
Die kognitive Psychologie formierte sich als Gegenbewegung zum Behaviorismus. Sie befasst sich mit der Untersuchung innerer Prozesse, die zwischen Reizen und dem Verhalten intervenieren. Die kognitive Psychologie eröffnete rechnerische und konnektionistische Perspektiven über das menschliche Gehirn. Heute ist die kognitive Psychologie eine der beliebtesten Entwicklungstheorien, vor allem in Europa.
Bezüglich der Entwicklungn behauptet die kognitive Psychologie, dass der Mensch sich eine innere Repräsentationen der äußeren Welt erschaffe. Ihr Vorschlag ähnelt in seinem konstruktivistischen Prinzip den Theorien von Piaget und Wygotski. Weil sie die Entwicklungsprozesse jedoch als assoziativ definiert, gibt es durchaus auch Parallelen zum Behaviorismus.
Jean Piaget
Piaget ist einer der wichtigsten Denker in der Entwicklungspsychologie. Psychologen sehen ihn als einen der Väter des Konstruktivismus. Dieser beruht auf der Vorstellung, dass Kinder anhand der Probleme, denen sie sich stellen müssen, ihre Welt konstruieren. Piagets Entwicklungstheorie konzentriert sich also auf den Erwerb von Wissen.
Mit dieser konstruktivistischen Perspektive entwickelte Piaget eine Theorie, die die Entwicklung in Stufen einteilt. Diese Stufen sind allgemeingültig. Alle Menschen werden diese Stufen mehr oder weniger im selben Alter durchlaufen.
Lew Wygotski
Eine weitere wichtige Figur in der Entwicklungspsychologie ist Lew Wygotski. Wie Piaget schlug er eine konstruktivistische Entwicklungstheorie vor. Trotz ihrer ähnlichen Perspektive richten sie ihre Aufmerksamkeit aber auf unterschiedliche Aspekte: Piaget konzentrierte sich darauf, wie der Mensch mit seiner Umwelt interagiert. Wygotski wiederrum fokussierte sich auf den Einfluss kultureller und gesellschaftlicher Faktoren auf die Entwicklung.
Wygotski war der Ansicht, dass man die Entwicklung nicht von der gesellschaftlichen Umwelt eines Menschen trennen könne. Der Grund dafür sei, dass die Kultur und die Gesellschaft Verhaltensformen und die Organisation des Wissens weitergeben. Demnach sei die Entwicklung des Menschen also kein Prozess des Kopieren und Einfügens. Jedes Kind konstruiere seine Realität basierend auf dem, was die Gesellschaft ihm biete. Wir nennen diese Theorie Sozialkontruktivismus.
Dies ist ein interessantes Paradigma mit vielen Möglichkeiten. Viele glauben, dass Wygotskis und Piagets Theorien miteinander in einem indirekten Konflikt stehen. Jedoch kann man sie leicht wieder in Einklang bringen: Um die Ähnlichkeiten sehen zu können, müssen wir lediglich unsere Perspektive erweitern und andere Ebenen und Methoden der Forschung berücksichtigen.
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