Destruktive Kritik: Wenn niemand etwas gewinnt

Kritik ist grundsätzlich etwas Positives. Wenn sie hilfreich ist und auf respektvolle und wertschätzende Art und Weise geäußert wird. Allerdings gibt es immer wieder Menschen, deren einzige Absicht nur darin zu bestehen zu scheint, andere Menschen klein zu machen und deren Leistungen zu schmälern oder gar deren Persönlichkeit abzuwerten. Aber was verbirgt sich hinter derartigem Verhalten? In unserem heutigen Artikel wirst du es erfahren!
Destruktive Kritik: Wenn niemand etwas gewinnt
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Irati Novella

Letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2022

Es gibt durchaus Gelegenheiten, bei denen kritische Anmerkungen und Bewertungen konstruktiv und hilfreich sind. Oftmals verbirgt sich dahinter jedoch keine konstruktive Absicht und die Anmerkungen sind eher schädlich als hilfreich. Aus irgendeinem Grund gibt es immer Menschen die ihre Negativität und Unsicherheit auf andere projizieren, indem sie diese durch destruktive Kritik bewerten, beurteilen oder abwerten. Menschen, deren einziges Ziel nur darin zu bestehen scheint, auf alle “Mängel” und Fehler hinzuweisen, die sie in anderen sehen. Was sich hinter diesem Verhalten verbirgt, erfährst du in unserem heutigen Artikel.

Vermutlich bist auch du schon irgendwann einmal Opfer solcher Menschen geworden. Manchmal warst du vielleicht sogar selber ein abwertender Kritiker. In der Tat ist der Akt, jemanden zu kritisieren, heutzutage so alltäglich, dass er ein Schwerpunkt vieler Fernseh- und Radiosendungen geworden ist. Dies kann ein scheinbar harmloser Witz oder eine regelrechte Verschwörung sein. Viele Menschen sehen sich diese Programme an, aber warum eigentlich? Warum ist destruktive Kritik heute ein so weit verbreitetes Phänomen?

Den Mechanismus der Kritik zu verstehen, kann dabei helfen, sich bewusst zu machen, wie dieses Verhaltensmuster funktioniert. Daher haben wir nachfolgend einige der häufigsten Gründe aufgeführt, aus denen Menschen andere kritisieren und beurteilen.

Alles kann kritisiert werden, es geht nur darum, die Vorstellungskraft zu nutzen.

1. Destruktive Kritik und Minderwertigkeitsgefühle

Die eigenen Minderwertigkeitsgefühle können für manche Menschen eine Motivation dafür sein, andere zu kritisieren, um dadurch (vermeintlich) das eigene Ego zu stärken. In anderen Fällen wiederum sind Überlegenheitsgefühle anderen gegenüber der motivierende Faktor für derartiges Verhalten. Aber für viele Menschen ist dieses scheinbar überlegene Verhalten nur ein Deckmantel für die eigenen Minderwertigkeitsgefühle. Durch destruktive Kritik an anderen versuchen diese Menschen, sich selbst sicherer zu fühlen.

Infolgedessen versuchen sie, ihr Bedürfnis nach Macht und Überlegenheit dadurch zu befriedigen, dass sie andere kritisieren oder Fernsehsendungen ansehen, die sich auf die Fehler und Schwächen anderer konzentrieren.

“Wenn Menschen keine Muskeln in den Armen haben, machen sie das mit Muskeln in der Zunge wieder wett.”

-Migel Delibes-

Destruktive Kritik - Frau im Wasser vor ihrem Spiegelbild

2. Unzufriedenheit mit sich selbst und Selbstverleugnung

Manchmal kritisiert man andere, weil diese einem die eigenen Mängel und Schwächen vor Augen führen. Aber wenn du andere aus diesen Gründen kritisierst, belügst du dich letztendlich selber. Denn du versuchst dir einzureden, dass das Problem bei anderen Menschen und nicht bei dir selbst liegt. In diesen Fällen kritisierst du, weil du dich selber davon überzeugen willst, dass auch andere Schwächen und Fehler haben und dass diese “schlimmer” sind als deine eigenen.

Wenn du dich in deiner Kritik immer wieder auf dieselben Aspekte fokussierst, spiegelt das letztendlich nur das wider, was du an dir selber nicht magst. Du projizierst deine Ängste und Unsicherheiten einfach auf andere Menschen. Aber wenn du deine eigenen Fehler und Schwächen nicht akzeptierst und diese stattdessen immer nur bei anderen suchst, erzeugst du Ablehnung und aktivierst Kritik. Dieses Phänomen wird auch als “Selbstverleugnung” bezeichnet.

Eifersüchtige und neidische Menschen sind die größten Kritiker. Wenn sich diese Menschen einem anderen unterlegen fühlen, nutzen sie Kritik zur eigenen “Verteidigung”. Sie werten die Eigenschaften des anderen ab und betonen deren reale oder imaginäre Schwächen und Fehler übertrieben stark.

Darüber hinaus neigen solche Menschen keineswegs dazu, Selbstkritik zu üben. Stattdessen ist ihre Energie darauf gerichtet, andere genaustens zu beobachten, um jeden vermeintlichen Fehler in ihnen zu entdecken. Gleichzeitig vermeiden sie bewusst den Blick in den (inneren) Spiegel, weil sie Angst vor dem haben, was sie sehen könnten.

3. Das Bedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein

Manchmal kritisieren Menschen andere auch aufgrund sozialer Beziehungen. Studien zeigen, dass Menschen, die Mitglieder aus einer anderen Gruppe kritisieren, um Teil einer Gruppe zu werden. Derartige Kritik stärkt das eigene Zugehörigkeitsgefühl und kann andere davon überzeugen, dass man Teil ihrer Gruppe ist.

In solchen Fällen wird Kritik durch die Haltung der Gruppe dazu beeinflusst. Wenn Kritik innerhalb der Gruppe gefördert wird, wird sie höchstwahrscheinlich häufiger und intensiver auftreten. Wenn die Mitglieder der Gruppe aber klarstellen, dass Kritik verpönt ist, wird sich die Person, die sich als Teil der Gruppe fühlen möchte, andere Verhaltensweisen zeigen, um den Normen der Gruppe zu entsprechen.

Darüber hinaus kann Kritik erfolgen, wenn ein Mensch sich selbst als Experte für ein Thema oder ähnliches betrachtet. In diesen Fällen erfolgt destruktive Kritik, um anderen das eigene Wissen und die eigene Kompetenz zu demonstrieren. Dieses Verhalten ist auf mangelndes Selbstwertgefühl und den Wunsch nach Bewunderung und Anerkennung durch andere zurückzuführen.

4. Destruktive Kritik als Revanche oder aus Feigheit

Destruktive Kritik kann auch eine Form der Rache oder Revanche sein. Es kann Situationen geben, die nicht gelöst oder nicht verziehen wurden. In diesen Fällen kann Kritik als Form der Demütigung oder Bestrafung erfolgen. Wenn du nicht mutig genug bist, mit jemandem, der dich verletzt hat, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, kann es passieren, dass du ihn stattdessen kritisierst, um dadurch deine Frustration, Wut oder Verletzung zu lindern.

  “Kritik ist in Wirklichkeit ein Ort, an dem wir unseren Ärger abladen. Was tun wir dann? Wir fangen an zu kritisieren, was besser erscheint, als dazusitzen und unsere eigene Wut zu betrachten.”

-Jorge Cassieri-

Destruktive Kritik - Frau beschuldigt andere Frau

Kritik als Form der Rache ist eng mit Manipulation verbunden, um sich zu revanchieren. Manchmal kritisiert man andere mit der niederträchtigen Absicht, sie von ihren Freunden zu trennen oder ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie wären alleine.

5. Narzissmus und Egoismus

Wenn du das Gefühl hast, du würdest eine besondere Behandlung verdienen, diese aber nicht erhältst, hast du möglicherweise das Gefühl, dass andere dir etwas schuldig wären. Manchmal kann aufgrund einer narzisstischen Haltung das Gefühl entstehen, dass andere hilfreicher sein oder sich mehr um uns kümmern sollten. Wenn du der Meinung bist, dass dies der Fall ist, könntest du destruktive Kritik dazu nutzen, um dich zu beschweren, den anderen herabzusetzen und ihm (oder ihr) ein schlechtes Gewissen zu vermitteln.

“Anstatt andere zu kritisieren, lobe sie. Innerhalb eines Monats wirst du eine riesige Veränderung an dir bemerken.”

-Alejandro Chaban-

Die Haltung gegenüber Kritik

Kritik ist zweifelsohne unvermeidlich. Sie wird immer in irgendeiner Form in deinem Leben auftauchen. In diesem Kontext kommt, wie von Stamateas erklärt, das “Gesetz der drei Drittel” zur Anwendung. Ein Drittel besteht aus Menschen, die dich lieben, ein anderes aus Menschen, die dich hassen. Das letzte Drittel besteht aus Menschen, die dich nicht kennen, aber dennoch eine Meinung von dir haben.

Trotzdem darf man aber nicht die negative und zerstörerische Kraft unterschätzen, die Kritiker in dieser dritten Kategorie haben können. Winston Churchill verglich den Schmerz der Kritik mit dem körperlichen Schmerz. Darüber hinaus ergab eine kürzlich durchgeführte Studie, dass Ablehnung, Kritik und Demütigung von demselben Bereich des Gehirns verarbeitet werden, der auch für die Verarbeitung von körperlichem Schmerz verantwortlich ist. 

“Mit den Steinen, die Kritiker versuchen, auf dich zu werfen, kannst du ein Denkmal errichten.”

-Kant-

Destruktive Kritik: Halte Abstand von negativen und toxischen Menschen

Um innerhalb dieser giftigen Epidemie von destruktiver Kritik zu leben, gibt es eine wichtige Richtlinie, die du befolgen musst: Halte dich von negativen Menschen fern oder schütze dich vor ihnen. Denn diese negativen und toxischen Zeitgenossen haben es sich zur Aufgabe gemacht, andere zu vergiften.

Destruktive Kritik - lachende Frau

Das Vernünftigste, was du tun kannst, ist, Abstand zu halten, besonders wenn andere versuchen, dich zum Komplizen ihrer Kritik zu machen. Vergiss nicht, dass Interaktionen mit derartigen Menschen deiner emotionalen und sozialen Gesundheit schaden können.

Kurz gesagt, der Schlüssel liegt darin, sich nicht von der Negativität anderer anstecken zu lassen und die Dinge nicht persönlich zu nehmen, wenn du selber das Ziel von destruktiver Kritik bist. Denke daran, dass Kritik mehr über die Person aussagt, die sie äußert, als über die Person, die sie erhält. Es ist also das Problem des Kritisierenden, nicht dein eigenes.

“Um Kritik zu vermeiden, tue nichts, sage nichts, sei nichts.”

-Elbert Hubbard-


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.