Der Borromäische Knoten in der Psychoanalyse
Die Psychoanalyse ist ein komplexes Feld. Viele Experten greifen zu Metaphern und Analogien, um Ideen und Konzepte leichter in Begriffe fassen zu können. Eine dieser Analogien ist der Borromäische Knoten. Damit lässt sich wunderbar erklären, wie unsere Psyche funktioniert.
Wir schauen uns den Borromäischen Knoten einmal genauer an und machen dabei einen Ausflug in die Lacan’sche Psychoanalyse. Diese befasst sich mit verschiedenen Aspekten von persönlichen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. Auch die Verbindung des Individuums mit der Wirklichkeit wird darin untersucht.
Jacques-Marie Émile Lacan war ein französischer Psychiater und Psychoanalytiker, der 1901 in Paris geboren wurde. Er war einer der bedeutendsten Vertreter des zeitgenössischen französischen Strukturalismus. Seine Theorien wurden zu gleichen Teilen angenommen wie auch abgelehnt. Er war mit der Freudianischen Bewegung in Kontakt und verursachte Spannungen in der International Psychoanalytical Association (IPA). Letztlich distanzierte er sich von dieser Gesellschaft und gründete 1964 die École Freudienne de Paris (EFP).
Sein Beitrag zur Psychoanalyse hatte Bezüge zur Philosophie, zur Sprachwissenschaft und zur Kunst. Er war mit Künstlern wie André Breton und Salvador Dalí befreundet und erörterte die Werke Heideggers, Strauss’ und Hegels. Lacans Werk ist relativ umstritten. Einige glauben, dass die Wurzeln dieses Werks nicht bei Freud zu finden sind, obwohl Lacan selbst auf eine Rückkehr zu Freud plädierte. Er war der Ansicht, dass Psychoanalytiker keine neutralen Zuhörer sind und unterstrich die Rolle des unbewussten Begehrens und der Lust.
Was ist der Borromäische Knoten?
Der Borromäische Knoten besteht aus drei miteinander verbundenen Ringen, die einen Knoten oder eine Kette bilden. Löst man einen der Ringe heraus, so sind auch die beiden anderen frei. Das Symbol entstammt einer Abbildung auf dem Wappen der italienischen Adelsfamilie Borromeo.
Lacan erklärte mit dem Bild des Knotens die Struktur des seelisch Unbewussten bei jedem sprechenden Subjekt. Drei Teile werden dabei miteinander verknüpft:
- Das Imaginäre. Dies ist das erste Register, das mit dem Bildhaftem in Verbindung gebracht wird. Hier geht es um die Ordnung des Körperbilds, das sich durch die Identifikation mit dem Körperbild einer anderen Person entwickelt. Das beginnt mit der Mutter.
- Das Symbolische. Dies ist das zweite Register, das im wesentlichen sprachlicher Natur ist. Es schließt sich an ein intersubjektives Feld an, durch das wir mit einem anderen Menschen Informationen austauschen. Es steht auch mit dem Wissensfeld, der Kultur und dem großen “Anderen” in Zusammenhang.
- Das Reale. Das dritte Register umfasst alles, was nicht durch Bilder oder Sprache ausgedrückt werden kann. Anders ausgedrückt handelt es sich um das Unwissbare, Undenkbare oder das, wogegen das Subjekt Widerstände hat. Es unterscheidet sich von der Realität insofern, als dass die Realität deine Auffassung der Welt ist. Deshalb passt es auch in das erste und zweite Register hinein. Dem Realen fehlt es andererseits an Bedeutung.
Darum handelt es sich beim Borromäischen Knoten um eine Topologie. Lacan schreibt in seinem Buch Namen-des-Vaters, dass diese drei Register bei jedem Subjekt vorkommen. Außerdem müssen die Register verknüpft sein, damit die Realität des Subjekts konsistent ist. So kann das Subjekt einen Diskurs und eine soziale Bindung mit anderen Menschen aufrechterhalten. Die verschiedenen Arten, die Ringe miteinander zu verbinden, legen die psychische Struktur einer Person fest.
Auffassungen in Verbindung mit dem Borromäischen Knoten
Anfangs gab es in der Theorie Lacans im Borromäischen Knoten nur drei Register. 1975 beschloss Lacan, der Dreier-Konfiguration einen vierten Ring hinzuzufügen. Diesen neuen Ring bezeichnete er als Sinthome, also das Symptom. Dieser vierte Ring bindet die Struktur der anderen drei.
Das Sinthome hilft dem Subjekt dabei, sich selbst derart zu verankern, dass es sich mit der Realität verbinden kann und sich an sie anpassen kann. Das Sinthome dient als Enklave für das Subjekt. Wenn es aus dem Verbund herausgelöst wird, kann es zu einer Psychose kommen.
Ein weiteres Konzept von Lacan ist Der Name des Vaters, der als Grundgesetz fungiert. Der Vater ist der wesentliche Signifikant, der die drei Register zusammenhält. Lacan glaubte, dass die männliche-väterliche Funktion für die symbolische Aktivität des Individuums – also das, was das Gesetz auferlegt – den Anker bildet.
Du kannst die Mitte des Knotens auch mit dem Objekt der Begierde assoziieren, auch Objekt der Mehrlust genannt. Du hast dabei das Gefühl, dass es in deinem Leben eine Lücke gibt, was mit einem Verlust zu tun hat. Deshalb wird das Subjekt – zusätzlich zu den drei Registern – von Impulsen gesteuert.
Die Sprache durchdringt die Impulse und motiviert das Individuum in Richtung des Objekts der Begierde. Wenn du dein Begehren erfüllt bekommst, wirst du ein Gefühl der Befriedigung erleben. Erfüllt sich dein Begehren nicht, empfindest du Verzweiflung. Wenn du dich letztlich der Realität widersetzt, erscheint sie dir wie ein Schreckgespenst.
Deine psychische Struktur
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Borromäische Knoten für die Verknüpfungen steht, die deine psychische Struktur ausmachen. Das Symbolische zeigt dir, dass es Gesetze gibt, die Interaktionen regeln und die mit der Sprache sehr tief verbunden sind. Die Welt besteht aus Sprache. Das Imaginäre hat mit dem Körperbild zu tun, mit dem du dich identifizieren kannst. Das Reale umfasst alles, was mit der Existenz zu tun hat, sowie die Dinge, die keinen Sinn ergeben und schwer in Worte zu fassen sind.
Deine psychische Struktur ergibt sich also aus der Art und Weise, wie dein “Knoten” gebunden oder gelöst ist. Das Sinthome erscheint als viertes Register. Es verhindert, dass Verhaltensmuster ihren Anfang nehmen, die unter dem Begriff “Psychose” zusammengefasst werden können. Kurz gesagt: Der Borromäische Knoten ist eine faszinierende Analogie dafür, wie unsere menschliche Psyche “funktioniert”.
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Lacan, J. (1953). Lo simbólico, lo imaginario y lo real. De los nombres del padre, 11-64.
Lacan, J. (1956/1996). El seminario. La relación de objeto, Buenos Aires: Paidós.