Das therapeutische Bündnis in der Online-Therapie
Die Pandemie hat nicht nur die Online-Welt gefördert, sondern auch zu einer Zunahme psychischer Erkrankungen geführt. Daher war die Tendenz hin zur Online-Therapie zu erwarten. Immer öfter erfolgen psychologische Betreuungen telematisch: Aus verschiedenen Studien geht hervor, dass 68,11 % der Patienten online behandelt werden (Calero-Elvira, 2022). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine Online-Therapie gleich effektiv wie eine persönliche Therapie in der Praxis der Psychologin oder des Psychologen ist.
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Online-Therapie: ein zunehmendes Bedürfnis
Der Aufschwung der Online-Therapie verdeutlichte sich in den Lockdowns. Diese Tendenz ist jedoch weiterhin zu beobachten: Die psychologische Betreuung auf Distanz hat sich inzwischen normalisiert. Immer mehr Psychologiepraxen, Psychologen und Unternehmen bieten Online-Behandlungen an.
Diese Möglichkeit stellt eine ausgezeichnete Alternative für jene Menschen dar, die aus physischen oder geografischen Gründen nicht in der Lage sind, in eine Praxis zu fahren. Insbesondere in ländlichen Gebieten haben Online-Therapien Vorteile (Egede et al., 2009). Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass beispielsweise die Diagnose einer schweren Zwangsstörung das Verlassen des eigenen Hauses sehr schwierig gestalten kann. Menschen mit Agoraphobie können von einer Online-Therapie profitieren, ohne die eigenen vier Wände verlassen zu müssen.
Online-Therapie für ältere Menschen
Anders als es den Anschein hat, wurde seit 2009 (Egede et al.) beobachtet, dass die Telepsychologie oder Online-Therapie bei Bevölkerungsgruppen wie Inhaftierten, Kindern und Jugendlichen, der ländlichen Bevölkerung und Senioren wirksam ist.
Ältere Menschen waren die ersten Opfer der Pandemie und auch der Angst, auf die Straße zu gehen. Dadurch nimmt die Isolation dieser Bevölkerungsgruppe zusätzlich zu. Tatsächlich waren Einsamkeit und die Unfähigkeit, das Haus zu verlassen, 2021 die Hauptgründe für einen Anruf bei der Telefonhilfe.
Online-Medien sind eine wirksame Option, um diese Isolation zu durchbrechen und an Phobien zu arbeiten, wobei Mobilitätsprobleme und die Folgen der Phobie selbst bekämpft werden. Experten berichten, dass die meisten ihrer Patienten nur in den ersten paar Sitzungen oder zu Beginn der Sitzungen die Hilfe von Familienmitgliedern benötigen.
Goldberg (2002) berichtet über die Vorteile der Online-Therapie für die ältere Bevölkerung. Dazu gehören eine höhere Pünktlichkeit, eine verbesserte Effizienz der Pflegekräfte, eine verbesserte Kommunikation zwischen Pflegekräfte und Patienten, eine geringere Belastung und eine bessere Gesundheitsaufklärung.
Wirksamkeit der Online-Therapie im Vergleich zur direkten Therapie
Viele glauben, dass eine direkte Therapie in der Praxis effektiver als eine Online-Therapie ist. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig: Bei der direkten Begegnung ist die nonverbale Information deutlicher, das Treffen ist tiefgehender und dies erleichtert die Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten. Doch ist das tatsächlich so? Was sagt die Wissenschaft?
Turner (2021) behauptet, dass die positiven Ergebnisse der Online-Therapie – medizinisch und psychologisch – bereits in den 2000er-Jahren zu beobachten waren. Er räumt ein, dass ohne ein Ereignis wie die Pandemie die für die Entwicklung notwendigen Ressourcen nie investiert worden wären.
Die Aufmerksamkeit und die schnelle Entwicklung führten zu zahlreichen Meta-Analysen. Diese kommen zu dem Schluss, dass weder die Online-Therapie besser als die direkte Therapie ist, noch umgekehrt (Batistini, 2021). Mit anderen Worten: Die Wirksamkeit variiert nicht, die Ergebnisse sind dieselben.
Reese et al. (2016) konzentrieren sich auf das therapeutische Bündnis: Sie kommen zu dem Schluss, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Bündnisin einem Online-Therapieprozess oder in einem Face-to-Face-Prozess gibt.
Die Indikatoren für die Wirksamkeit der Online-Therapie liegen in den Werturteilen der Patienten über das Therapiemodell selbst und in der Empathie der psychologischen Fachkraft.
Funktioniert die Online-Therapie bei bestimmten Diagnosen schlechter?
Wir könnten denken, dass die Online-Therapie bei bestimmten schwerwiegenderen Diagnosen schlechter funktioniert. In diesem Zusammenhang führte Abrams (2020) eine Meta-Analyse durch, die einige der Diagnosen untersuchte. Beide Therapiearten zeigten dieselbe Wirksamkeit.
Dazu gehören posttraumatische Belastungsstörungen, depressive Störungen, Angststörungen, Suchterkrankungen, Essstörungen und spezifische Störungen bei Kindern und Jugendlichen.
“Wir haben festgestellt, dass die Online-Therapie im Wesentlichen genauso wirksam ist wie die direkte Psychotherapie, und die Haltequote ist höher.”
David Mohr, PhD
Der Vorteil der Telepsychologie: Therapietreue
Die Wirksamkeit scheint bei beiden Behandlungen gleich zu sein. Allerdings hat die Online-Therapie gegenüber der traditionellen Therapie in der Praxis einen Vorteil: die Therapietreue. Das bedeutet, dass sich viel weniger Patienten, die eine Therapie beginnen, dazu entschließen, diese vor Beendigung abzubrechen. Eine Online-Therapie kann besser mit beruflichen Verpflichtungen oder mit eingeschränkter Mobilität vereinbart werden.
Rafael San Román (2020) stellt fest, dass eine der großen Herausforderungen der Online-Therapie die Anpassungsfähigkeit ist: Was passiert, wenn ein Patient oder eine Patienten nicht in der Lage ist, sich anzupassen? Vielleicht mangelt es an der fehlenden Privatsphäre zu Hause oder es handelt sich um ältere Menschen, denen der Umgang mit neuen Technologien oder dem Telefon schwerfällt. Diese Herausforderungen scheinen ein perfektes Szenario zu sein, um das therapeutische Bündnis zu stärken und die Kreativität, das Einfühlungsvermögen und das Fachwissen der Psychologen und des Patienten zum Vorschein zu bringen.
Denn sobald diese anfänglichen Schwierigkeiten überwunden sind, ist die Online-Therapie genauso effektiv wie die traditionelle Behandlung und hat sogar noch Vorteile.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
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- Calero-Elvira, Ana, Guerrero-Escagedo, María Cristina, González-Linaza, Lucía, & Martínez-Sánchez, Noelia. (2021). Atención psicológica pre- y pospandemia en la clínica universitaria del CPA-UAM. Escritos de Psicología (Internet), 14(2), 120-133. Epub 23 de mayo de 2022.https://dx.doi.org/10.24310/espsiescpsi.v14i2.13616
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