Das posttraumatische Wachstum nach einer belastenden Erfahrung
In seinem Meisterwerk Also sprach Zarathustra¹ spricht Friedrich Nietzsche über die ewige Wiederkunft des Gleichen: Er stellt sich die Frage, ob es einen physikalischen Kreislauf gibt, den alle Körper in einer gewissen Zeit durchlaufen, um wieder dort anzukommen, wo sie zuvor waren. Der Wunsch nach Wiederholung bedeutet, dass wir uns in unserem Sein wohlfühlen, doch manchmal müssen wir zu Asche werden, um unsere eigene Wiedergeburt zu ermöglichen und neue Wege zu finden. In diesem Kontext sprechen wir heute über das posttraumatische Wachstums.
Die Psychologie konzentrierte sich lange Zeit auf die Definition und Behandlung von klinischen Störungen oder Krankheiten, doch dieser Fokus auf das Negative lenkte die Aufmerksamkeit von den positiven Eigenschaften des Menschen ab. Die positive Psychologie – ein Begriff, der erstmals 1954 von Abraham Maslow verwendet wurde – geht von einer optimistischeren Perspektive aus, die neue Möglichkeiten bietet. Dieser Ansatz führt unter anderem zu dem Konzept des posttraumatischen Wachstums.
“Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins.”
Friedrich Nietzsche
Das posttraumatische Wachstum
Die Fähigkeit des Menschen, mit widrigen Situationen umzugehen, ist außergewöhnlich. Es gibt Personen, die in der Lage sind, aus einer schmerzhaften Erfahrung Kraft zu schöpfen, diese zu überwinden und auch anderen zu helfen. Resiliente Menschen sind fähig, ihre Perspektive zu verändern und ihr Umfeld zu verstehen, um gestärkt und widerstandsfähig aus ihrer schwierigen Lage hervorzugehen.
“Das Unglück ist nie rein, ebenso wenig wie das Glück. Ein Wort erlaubt es, eine andere Art zu organisieren, um das Geheimnis derer zu verstehen, die davongekommen sind: Resilienz, die die Fähigkeit bezeichnet, erfolgreich zu sein, zu leben, sich trotz Widrigkeiten zu entwickeln.”
Boris Cyrulnik
Psychologe Richard G. Tedeschi² definiert das posttraumatische Wachstum als positive Veränderung, die Menschen erfahren, wenn sie mit den Wechselfällen des Lebens kämpfen, um ein höheres Funktionsniveau zu erreichen. Ihre Erkenntnisse können allerdings nie das ertragene Leid wiedergutmachen, denn das posttraumatische Wachstum baut auf Schmerz auf und umfasst negative und positive Gefühle.
“Beim posttraumatischen Wachstum geht es nicht nur um die Aufrechterhaltung der früheren Funktionalität, das Ereignis führt in gewisser Weise zu einer besseren Situation, die einen tiefen existenziellen Sinn hat.”
Richard G. Tedeschi
Die Komponenten des posttraumatischen Wachstums
Manchen Menschen fällt es schwer, positive Elemente in widrigen Situationen zu erkennen. Doch wir müssen uns über folgende drei grundlegende Komponenten bewusst sein:
- Wir können die Chance nutzen, um die traumatische Erfahrung zurückzulassen und stärker daraus herzuvorgehen: Bedrohliche Situationen machen uns zwar verletzlich, doch sie befähigen uns gleichzeitig, mit zukünftigen Schwierigkeiten besser umzugehen und lehren uns, dass sich Zuversicht und Hoffnung lohnen.
- Veränderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch das traumatische Erlebnis erfolgen, helfen uns, einen beständigen, herzlichen und hilfreichen Unterstützerkreis aufzubauen. Familien kommen sich in schwierigen Zeiten häufig näher, außerdem erkennst du wahre Freunde.
- Es kann zu Veränderungen in der Spiritualität und Lebensphilosophie kommen. Eine “Wiedergeburt” macht dir bewusst, was in deinem Leben wirklich wichtig ist. Du lernst, Prioritäten zu setzen und dich den wesentlichen Dingen zu widmen.
Was sagt die Forschung? Es gibt keinen Konsens darüber, ob das posttraumatische Wachstum im Laufe der Zeit stabil ist. Die Prozentsätze variieren von 3 % bei Personen, die einen Verlust erlitten haben und sich in einem Trauerprozess befinden, bis zu 98 % der Frauen, die Brustkrebs erlebt haben.
“Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass sich das posttraumatische Wachstum auf die positive Veränderung bezieht, die eine Person als Ergebnis des Prozesses der Auseinandersetzung nach einem traumatischen Ereignis erfährt, dass es nicht universell ist und dass nicht alle Menschen, die eine traumatische Erfahrung machen, persönliches Wachstum finden und davon profitieren.”
Park
Literaturempfehlung
- Also sprach Zarathustra, Friedrich Nietzsche, CreateSpace Independent Publishing Platform 2015
- Posttraumatic Growth: Theory, Research and Applications, Richard G. Tedeschi, Jane Shakespeare-Finch, Kanako Taku, Lawrence G. Calhoun, Routledge 2018
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Avilés Maldonado, P. A. (2013). Relación entre crecimiento postraumático, afrontamiento y rumiación.
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Poseck, B. V., Baquero, B. C., & Jiménez, M. L. V. (2006). La experiencia traumática desde la psicología positiva: resiliencia y crecimiento postraumático. Papeles del psicólogo, 27(1), 40-49.
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Poseck, B. V. (2006). Psicología positiva: una nueva forma de entender la psicología. Papeles del psicólogo, 27(1), 3-8.