Das "Ich halte es nicht mehr aus"-Problem nach Albert Ellis
Albert Ellis war einer der einflussreichsten Psychologen in der Entwicklung von angewandten Theorien für klinische Psychologie und Psychotherapie. Er erregte Aufsehen wegen der Definition und Anwendung eines Therapieansatzes, welcher als Rational-Emotive Verhaltenstherapie bekannt wurde. Heutzutage folgen zahlreiche Kliniker in ganz Europa und den Vereinigten Staaten diesem Ansatz.
Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie basiert auf der Idee, dass wir alle Informationen, die uns erreichen, interpretieren. Das gilt für äußere Begebenheiten (soziale Gegebenheiten, Situationen und Ereignisse) genauso wie für unser Inneres (Gefühle, Emotionen, Empfindungen). All diese Reize wirken wie Aktivatoren auf unsere Gedanken, aber letztere unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Das erklärt, warum manche Menschen bestimmte Situationen als Katastrophen erleben und andere eben nicht.
In diesem Zusammenhang hat Albert Ellis das folgende Modell kreiert: A (interne oder externe Ereignisse) ⇒ B (Gedanken, die wie ein Filter funktionieren und zur Interpretation führen) ⇒ C (emotionale Konsequenzen deiner jeweiligen Interpretationen).
Irrationale Gedanken, die Albert Ellis bei seinen Patienten entdeckte
Albert Ellis arbeitete lange Zeit als praktizierender Psychologe und in der Forschung. Er kam zu dem Schluss, dass wir alle eine ganze Reihe einschränkender, extrem gefestigter Überzeugungen haben. Er ging davon aus, dass es sich dabei um die Ursachen unserer emotionalen und psychischen Beschwerden handele.
- Erwachsene haben ein extremes Bedürfnis danach, Liebe und Zustimmung von nahezu allen wichtigen Personen der Gesellschaft zu spüren.
- Um mich selbst als wertvoll zu betrachten, muss ich in jedem Abschnitt meines Lebens kompetent genug und in der Lage sein, etwas zu erreichen.
- Es muss immer eine genaue, richtige und perfekte Lösung für meine Probleme geben. Wenn ich diese Lösung nicht finden kann, wird die Katastrophe schon auf mich warten.
- Es ist furchterregend und katastrophal, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es gerne hätte.
- Ich habe jedoch keinen Einfluss darauf, dass mir etwas Schlechtes zustößt, und habe keine Kontrolle über emotionale Schmerzen und Beschwerden.
- Meine Vergangenheit spielt eine große Rolle, wenn es um mein Verhalten in der Gegenwart geht. Also wird mich alles, was mir einmal passiert ist und einen Einfluss auf mich hatte, für immer beeinflussen.
- Es ist leichter, bestimmte Verantwortungen und Schwierigkeiten im Leben zu vermeiden, als sich ihnen zu stellen.
- Ich muss mich auf andere verlassen können und immer auf jemanden vertrauen, der stärker und besser ist als ich.
- Wenn etwas gefährlich ist oder sein könnte, muss ich mich sehr unwohl fühlen. Ich muss auch ständig darüber nachdenken, dass etwas passieren könnte.
- Manche Menschen sind schlicht und einfach verabscheuungswürdig, böse und gemein, und wir sollten sie anklagen und für ihre Bosheit bestrafen.
- Ich muss mir Sorgen machen über die Probleme und emotionalen Beschwerden anderer Leute.
“Es gibt drei Varianten des Müssens, die uns einschränken: Ich muss es gut machen. Du musst mich gut behandeln. Und die Welt muss einfach sein.”
Albert Ellis
Die Folgen dieser irrationalen Gedanken
Wir werden uns nicht im Einzelnen mit diesen Gedanken befassen. Es lohnt sich allerdings, sich daran zu erinnern, dass es zumindest ein großes Problem ist, wenn mindestens eine dieser Ansichten auch tief in dir verwurzelt ist. Denn derartig Überzeugungen führen zu einem der größten Probleme für Menschen, die um psychologische Hilfe bemüht sind: zum “Ich halte es nicht mehr aus”-Problem.
Mit anderen Worten, es wird zu einem Problem für die Psyche, wenn einer dieser Gedanken vorhanden ist, obwohl er jeglicher Realität entbehrt. Das passiert bei Menschen, die mit aller Gewalt an ihren Überzeugungen festhalten und zeitgleich eine geringe Toleranz gegenüber Frustration aufweisen. Sie können es buchstäblich “einfach nicht mehr aushalten”, wenn sie mit der jeweiligen Situation unzufrieden sind. Es ist dieser gesamte Prozess, der zu psychischen Störungen führt.
Was ist das „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem?
Wenn du deine Realität durch den Filter deiner irrationalen Gedanken interpretierst, macht dich das unglücklich. Denn ohne es zu merken, filterst du zunächst jede Erfahrung und jedes Erlebnis durch diese unrealistischen Gedanken. Deine Ansichten klassifizieren alles, was dir passiert, basierend darauf, ob es dich frustriert oder nicht. Der ganze Prozess ist extrem kompliziert, aber noch dazu sind deine Annahmen von vornherein falsch.
Das ist der Moment, in dem das „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem auftaucht. Es entsteht aus der Verstärkung deiner Frustration, wenn deine Gedanken nicht wahr werden bzw. wenn die Realität sie als falsch entlarvt. Menschen mit dem „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem verstärken dieses Gefühl durch jeden Rückschlag und jede Unannehmlichkeit, die täglich auf sie zukommen. Allerdings verlangen sie auch wirklich viel von sich selbst, den Menschen um sich herum und ihrer Umgebung. Sie versuchen partout alles so zu machen, wie sie es für richtig halten. Aber da sie solche festgefahrenen Überzeugungen haben, bedeutet das, ständig unangenehmen Emotionen ausgesetzt zu sein.
Wir werden versuchen, es einmal anders ausdrücken. Das „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem tritt dann auf, wenn deine irrationalen Gedanken die Interpretation deines Lebens, die Aufarbeitung deiner Vergangenheit und die Vorstellung von deiner Zukunft bestimmen. Eine weitere Konsequenz der Dominanz irrationaler Gedanken besteht darin, dass du anfangen könntest, paranoid zu werden und dass du allem und jedem Vorwürfe machst. Paranoid zu werden bedeutet, dass du damit beginnst, alles um dich herum als bedrohlich oder dramatisch zu betrachten. Außerdem wirst du andere Menschen für alles verantwortlich machen. Der Unterschied zwischen all den Problemen durch irrationale Gedanken besteht im Grunde lediglich darin, wie genau du es er- und durchlebst.
Woher weißt du, ob du es nicht aushalten kannst?
Menschen mit diesem Problem haben eine sehr geringe Frustrationstoleranz. Es ist auch sehr schwer für sie, sich an Veränderungen anzupassen. Sie sind psychologisch nicht flexibel. Sie wollen alles auf eine bestimmte Art und Weise und daher akzeptieren sie nichts, was auch nur ansatzweise anders geschieht. Ellis glaubte, dass zwischen emotionalem Unbehagen und den irrationalen Gedanken eine enorme Verbindung bestehe. Deshalb war das Hauptziel seiner Therapie, falsch gezogene Schlüsse, sowie die dogmatischen, absoluten Überzeugungen, die zu diesen Schlüssen führen, zu identifizieren und zu verändern.
Es liegt in der Natur der Sache, dass du versuchst, dich selbst zu heilen, wenn du an dem „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem leidest. Albert Ellis hat einige spezifische psychologische Techniken entwickelt, die du anwenden kannst, je nachdem, was du ändern möchtest. Aus diesem Grund verwendet die Rational-Emotive Verhaltenstherapie kognitive, emotionale und Verhaltenstechniken, um dir zu helfen. Wir werden uns jetzt einige von ihnen ansehen.
Techniken, um an deinem „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem zu arbeiten
Kognitive Techniken
- Über irrationale Gedanken streiten oder debattieren
- Die Vor- und Nachteile einer Gewohnheit referenzieren
- Semantische Genauigkeit. Dies bedeutet, dass du die richtigen Worte verwenden musst, um dich auszudrücken. Denn Sprache beeinflusst letztlich auch deine Gedanken.
- Schriftliche Aufgaben, um deine Gedanken zu identifizieren und zu verändern
- Probleme lösen. Dies bedeutet, das Leben in Bezug auf die Problemlösung zu betrachten. Du musst nach dem suchen, was du als gut und besser empfindest und nicht nach dem, was du selbst oder andere Leute von dir verlangen.
- Diese Techniken auch anderen Menschen beibringen
“Wenn die Marsianer jemals herausfinden, wie Menschen denken, werden sie sich vor lauter Lachen selbst umbringen.”
Albert Ellis
Emotionale Techniken
- Sich unerwünschten Emotionen aussetzen
- Emotionale Ausdruckstechniken
- Unbedingte Akzeptanz auf kognitiver, verbaler, emotionaler und Verhaltensebene. Dies erleichtert die bedingungslose Selbstakzeptanz.
- Geschichten, Mythen, Witze, Parabeln und Lieder verwenden
- Übungen zur Überwindung von Scham oder Peinlichkeit
- Übungen, die helfen, sich selbst über etwas Intimes, Geheimnisvolles oder Peinliches zu informieren
Verhaltenstechniken
- Selbst auferlegte Belohnungen und Bestrafungen, die vom Therapeuten und/oder einem Familienmitglied beaufsichtigt werden
- Neue Informationen in Echtzeit aufnehmen
- Ausbildung bestimmter Fähigkeiten
- Kontrolle von Stimuli
Um es noch einmal zusammenzufassen: Denke daran, dass es kein voll umfassendes Heilmittel gegen das „Ich halte es nicht mehr aus“-Problem gibt. Wenn du die Merkmale dieses Problems bei dir beobachtest, kannst du einen Psychologen zurate ziehen, der eine Rational-Emotive Verhaltenstherapie durchführt.
Der erste Schritt dieser Therapie besteht darin, herauszufinden, welche der Gedanken sich hinter jedem Bereich deines „Ich halte es nicht mehr aus“-Problems verbirgt. Auf diese Weise kannst du beginnen, diese Vorstellungen mit dir selbst zu diskutieren, sie auf die Probe zu stellen und zu versuchen, sie zu ändern.