Das Bedürfnis, der Einsamkeit ein Ende zu bereiten, macht dich verletzlich
Die Einsamkeit hat zwei Gesichter: Sie kann ein tödlicher Feind sein, der dich unverhofft trifft. Aber sie kann auch dein bester Freund sein, der dir zeigt, was du zu jeder Zeit wirklich willst und brauchst.
Die Einsamkeit führt dazu, dass du auf eine viel tiefgründigere Art und Weise darüber nachdenkst, was du willst und wer du in deinem tiefsten Inneren bist. Wir alle brauchen diese Momente der Einsamkeit. Wir brauchen unseren Freiraum, um mit uns allein zu sein, um nachzudenken.
Aber es gibt Menschen, deren Komfortzone ihnen diese Augenblicke der Einsamkeit nicht erlaubt. Denn sie fühlen sich verletzlich und deshalb brauchen sie zu jeder Zeit jemanden an ihrer Seite, einzig und allein weil sie jemanden bei sich haben möchten, mit dem sie ihre Zeit teilen können und weil sie die Einsamkeit fürchten.
Gehst du eventuell nicht mehr ins Kino, „weil du niemanden hast, mit dem du über den Film reden kannst“? In Wahrheit ist das wohl deine Entschuldigung dafür, um nicht allein zu gehen.
Das Bedürfnis nach Gesellschaft kann dazu führen, Freundschaft mit Liebe zu verwechseln
Niemanden zu haben, mit dem du Erfahrungen, Gefühle, Empfindungen, Zweifel, kleine Augenblicke, etc. teilen kannst; niemanden zu haben, der dich an die Hand nimmt und dir sagt, dass alles gut werden wird; niemanden zu haben, der dir in Momenten der Schwäche und Schutzlosigkeit Trost spendet; niemanden zu haben, der dich unterstützt, wenn du eine Entscheidung triffst oder dir zuhört, wenn du etwas über deine letzten Schritte erzählst, und der dich mit einem Blick ansieht, in dem du erkennen kannst, wie tiefgründig die Liebe ist…
Wenn du all das einmal hattest, es jetzt aber nicht mehr hast, vermisst du es sicher sehr. Du vermisst die Gefühle, die all das bei dir auslöste, und die Emotionen, die du empfandest und noch fühlen kannst, wenn du darüber nachdenkst.
Egal, wie alt oder rational du bist oder welche Erfahrungen du gemacht hast: Du wirst immer die gleichen Gefühle haben.
Deinem Herz dabei zuzuhören, wie es schlägt, die Schmetterlinge in deinem Bauch zu fühlen, wenn du daran denkst, dass du dich mit diesem einen Menschen treffen wirst – du willst diese Gefühle, die dich daran erinnern, dass du nicht allein bist, wieder verspüren. Und dieses Bedürfnis kann dazu führen, dass du deine wahren Empfindungen ersetzt, sie in ein anderes Gewand hüllst und sie ausschmückst, um das Gefühl von Liebe zu spüren.
Vielleicht findest du dich sogar selbst in einer Situation wieder, in der du dir zum Beispiel ein sehr teures Kleid für deine nächste Verabredung kaufst, um außergewöhnlich attraktiv zu sein. Denn das ist es auch, was du mit deinen tatsächlichen und authentischen Gefühlen tust, weil es das ist, was du vermisst und was du wieder empfinden möchtest, um dich lebendig zu fühlen. Um dich davon zu überzeugen, dass du noch immer hier bist und alles wiederkommen und passieren kann.
Aber früher oder später klärt dich dein Verstand auf. Denn ohne es zu wollen, legst du dir selbst Steine in deinen Weg: „Ich muss…“, oder, „ich kann nicht…“ Du suchst nach Entschuldigungen, um dein Bewusstsein zum Schweigen zu bringen und dem anderen die Verantwortung dafür zu übertragen, dass die Beziehung in die Brüche gegangen ist.
Aus diesem Grund ist es keine Option, deine Gefühle zu ersetzen. Die Gefühle, die du für diesen Menschen empfindest, sind erfunden und verkleidet, um real zu erscheinen. Und beim kleinsten Windstoß fällt dein von dir erbautes Kartenhaus zusammen und alles liegt in Schutt und Asche.
Es ist nicht möglich, die absolute Sicherheit darüber zu haben, dass eine Beziehung funktionieren wird. Doch die absolute Sicherheit darüber zu haben, dass du alles dafür gibst, damit sie eine Zukunft hat, ist möglich. Und du musst dir bewusst machen, ob du tatsächlich die Verantwortung für dein Leben übernimmst und ob du eine Beziehung nur aus dem Grund beginnst, weil du das Bedürfnis hast, nicht allein zu sein.
Bedürfnis erzeugt Abhängigkeit
Die Gesellschaft einer anderen Person zu brauchen erzeugt Abhängigkeit, eine emotionale Abhängigkeit, die dich als Menschen untergräbt und zerstört. Es ist gut möglich, dass du irgendwann in deinem Leben an einen Punkt kommst, an dem du den Preis dafür zahlen musst, dein Leben mit jemandem zu teilen und dieses Gefühl von Einsamkeit zu verspüren.
Bis zu welchem Punkt ist es das Gleiche, eine Beziehung zu führen, weil man diese braucht, und eine aus Liebe zu führen?
Es ist möglich, die emotionale Abhängigkeit zu beenden, wenn beide Partner sich der Beziehung, die sie führen, absolut bewusst sind. Wir könnten sagen, dass es sich dabei von Anfang an um eine reife Beziehung handelt. Eine Partnerschaft, in der 1+1 tatsächlich 2 ergeben. Zwei bewusste, ehrliche Menschen, die in die gleiche Richtung schauen und ein gemeinsames Ziel haben. In solch einer Beziehung gibt es keine Phasen der Verliebtheit. Obwohl man dazu sagen muss, dass eine gewisse Begeisterung auch hier spürbar ist. Es ist eine Phase, in der du dich so wie in einer richtigen Beziehung verhältst, obwohl du ganz genau weißt, wie der andere in Wahrheit ist.
Solch eine Beziehung ohne Schmetterlinge im Bauch und ohne Zweifel darüber, was die Zukunft bringen wird, lässt unter Umständen nicht die gleichen Gefühle entstehen wie es bei zwei verliebten Menschen der Fall ist. Eine derartige Beziehung hat nichts mit Liebe zu tun. Hierfür müssen beide Partner reif genug und sich des gegenseitigen Bedürfnisses bewusst sein. Sie gleicht einem Pakt der Verbundenheit.
Wenn du dir so eine Beziehung wünschst, dann nur zu. Aber versuche nicht, sie in ein anderes Gewand zu hüllen, und genieße sie so, wie sie ist.