Das ABCX-Modell: Wie gehen Familien mit Krisen um?

Dieses Modell erklärt, wie Familien auf Stress reagieren und wie sie damit besser umgehen können.
Das ABCX-Modell: Wie gehen Familien mit Krisen um?
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 02. Januar 2023

Genauso wie Einzelpersonen sind auch Familien (als System oder Organisation) mit widrigen Situationen konfrontiert. Veränderungen im Lebenszyklus, Krankheiten, Trennungen, unerwartete Ereignisse… Es gibt verschiedene Umstände, die das Gleichgewicht stören können, deshalb ist es wichtig zu wissen, wie man die Kernfamilie vor den Auswirkungen einer Krise schützen kann. In dieser Hinsicht bietet das ABCX-Modell interessante Erklärungen und Antworten.

Stress ist unvermeidlich, alle Familien erleben ihn immer wieder. Allerdings sind nicht alle Familien gleichermaßen gefährdet, in eine Krise zu geraten. Das hängt von den Einstellungen und Ressourcen ab, über die sie verfügen. Genau diese vermittelnden Faktoren erörtern wir nachfolgend.

Das ABCX-Modell: Wie gehen Familien mit Krisensituationen um?
Stress kann eine Familie aus dem Gleichgewicht bringen und zu einer Krise führen.

Das ABCX-Modell: Krisensituationen innerhalb der Familie

Der amerikanische Soziologe Reuben Hill entwickelte ein Modell, um die Anfälligkeit für Stress zu erkennen und zu verstehen, wie es zu Krisen kommt und wie Familien darauf reagieren.

Nicht jeder Stressor führt zu einer Krise. Dazu kommt es erst, wenn das Familiensystem aus dem Gleichgewicht gerät, seine Stabilität nicht wiedererlangen kann und gezwungen ist, seine Struktur und Funktionsweise grundlegend zu verändern und umzugestalten. Aber wovon hängt das ab?

Das ABCX-Modell betrachtet drei Faktoren:

(A) – Stressor

Es geht um eine Situation, auf die die Familie nicht vorbereitet ist, für sie jedoch eine Herausforderung bedeutet. Die Stressoren können unterschiedlicher Art sein und wirken sich nicht auf jede Familie in der gleichen Weise aus. Mögliche Auslöser sind der Tod eines Familienmitglieds, der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Trennung oder der Umzug in ein anderes Land. Es muss sich also nicht immer um ein Unglück handeln, auch neue Situationen können die Familie aus dem Gleichgewicht bringen.

(B) – Ressourcenausstattung

Dieser zweite Punkt bezieht sich auf die Ressourcen und Kapazitäten, die der Familie zur Verfügung stehen , um auf den Stressor zu reagieren und ihn zu bewältigen. Dazu gehören unter anderem:

  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Familie
  • Die Qualität der emotionalen Bindungen zwischen ihren Mitgliedern sowie die Gesundheit der Ehe und der Eltern-Kind-Beziehungen
  • Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten
  • Finanzielle Mittel
  • Vorherige Erfolgserlebnisse in anderen Krisen

(C) – Stressorereignis

Der dritte Faktor bezieht sich auf die Wahrnehmung des Ereignisses. Interpretiert es die Familie als Katastrophe, als Herausforderung oder als Lernchance? Hat sie eine optimistische oder pessimistische Einstellung? Kurz gesagt, inwieweit sehen sie die Situation als Bedrohung für den Status, die Ziele und den Zweck der Familie an?

Aus der Kombination dieser drei Elemente ergibt sich der X-Faktor oder das Ergebnis, der das Ausmaß des Stresses für das Familiensystem ergibt und bestimmt, ob eine Krise ausgelöst wird oder nicht. Wenn die Anforderungen des Augenblicks die Ressourcen übersteigen, kommt es zu großem Stress und einer Blockade, sodass es für die Familie nicht mehr möglich ist, so weiterzumachen wie bisher.

Spätere Beiträge zum ABCX-Modell

Hills ABCX-Modell war der Ausgangspunkt für andere Forschungen: Verschiedene Autoren ergänzten und präzisierten sein Modell. So wurden neue Konzepte und Konstrukte aufgenommen, die auch für das Verständnis des Prozesses der Krisenbewältigung relevant sind.

Ambiguität der Grenzen

Dieses Konzept spricht von der Wahrnehmung der Familie und der Klarheit über die Verfassung des Systems selbst. Das heißt, was sie unter Familie verstehen und was nicht, ob es Gewissheit über die Rollen gibt, die jedem Mitglied zukommen, und wie groß die Offenheit ist, neue Reize aufzunehmen.

Stressakkumulation

Andererseits wird betont, dass Stress kumulativ ist und dass es möglich ist, dass ein System durch verschiedene belastende Ereignisse (entweder durch äußere Ursachen oder durch innerfamiliäre Spannungen) zusätzlich belastet wird.

Wenn dies geschieht und mehrere Ereignisse gleichzeitig einwirken, sind die Ressourcen erschöpft und die Anpassung an den Stress wird viel komplexer. Wenn es also ein bedeutendes Ereignis gibt, das noch nicht bewältigt wurde, ist das System nicht in der Lage, sich auf neue Ereignisse einzustellen.

Mit dieser umfassenderen Perspektive formulierten McCubbin und Patterson in den 1980er-Jahren das doppelte ABCX-Modell der Familienanpassung. Dieses Modell geht von zwei Phasen aus, die in Gang gesetzt werden, wenn die Familie mit Stress umgehen muss.

Einerseits findet ein Anpassungsprozess statt, wenn nur geringfügige und einfache Änderungen in der Funktionsweise der Familie erforderlich sind. Wenn hingegen tiefgreifende Veränderungen und eine umfassende Neuorganisation der Familie erforderlich sind, hängt die Wiederherstellung des Gleichgewichts von den oben genannten Faktoren ab.

Das ABCX-Modell: Krisensituationen innerhalb der Familie
Das doppelte ABCX-Modell wurde von McCubbin und Patterson formuliert.

Das ABCX-Modell hilft uns, Krisen zu bewältigen

Das ABCX-Modell ist nicht nur ein theoretischer Vorschlag, sondern hat auch wichtige und nützliche Anwendungen. Es ermöglicht es uns, den Prozess der Anpassung an Stress zu analysieren und zu sehen, über welche Faktoren und Elemente wir die Kontrolle oder die Macht zum Handeln haben.

So kann es zum Beispiel für Familien nützlich sein, die mit einem Migrationsprozess konfrontiert sind, oder für diejenigen, die die Diagnose Autismus bei einem Kind erhalten. Es zeigt und verdeutlicht, wie wichtig es ist, das Ereignis angemessen zu interpretieren und gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Dank dieses Modells können Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen besser darauf vorbereitet werden, Familien in diesen unsicheren Momenten zu begleiten.


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  • Gonzalez, G. C., & Lemos, M. (2017). Modelo doble ABCX: dos familias de hijos con trastorno del espectro autista. Katharsis, (25), 22-36.
  • McCubbin, H. I., & Patterson, J. M. (2014). The family stress process: The double ABCX model of adjustment and adaptation. In Social stress and the family (pp. 7-37). Routledge.
  • Musitu, G. Buelga, S., Lila, M.S., & Cava, M.J. (2004). Familia y adolescencia: un modelo de análisis e intervención psicosocial. Síntesis

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