Affektive Störungen: Depressionen und andere Erkrankungen
Obwohl wir affektive Störungen meist nur mit Depressionen in Verbindung bringen, gibt es tatsächlich noch viele weitere Stimmungsstörungen. In unserem heutigen Artikel wollen wir dir einige Informationen über verschiedene affektive Störungen geben und dir sagen, wie sie sich voneinander unterscheiden, da in der breiten Öffentlichkeit fast ausschließlich über Depressionen gesprochen wird.
Statistisch gesehen erkrankt jeder fünfte Mensch, ungefähr 10 bis 17 % der Gesamtbevölkerung, im Laufe seines Lebens an einer Depression oder Stimmungsstörung. Fast 4 % dieser Menschen werden ihr gesamtes Leben an dieser Erkrankung leiden. Dieses Phänomen nennt sich Dysthymie und wir werden dir auch diese affektive Störung näher erläutern.
Darüber hinaus lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen. Frauen erkranken ungefähr doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Wenn wir die Bevölkerungsgruppen ansehen, bei denen eine hohe Inzidenz affektiver Störungen vorliegt, dann finden wir viele Missbrauchsopfer und Betreuer oder Fürsorgepersonen.
Depressive Störungen können sich jederzeit in unserem Leben manifestieren. Tatsächlich gibt es auch einige depressive Störungen, die in der Kindheit auftreten. Dennoch treten sie meistens im Alter zwischen 25 und 45 Jahren auf. In der jungen Bevölkerungsgruppe beginnen affektive Störungen meist im Alter von 20 bis 25 Jahren.
Außerdem kann auch die Dauer einer depressiven Störung je nach Person und ihrem Umfeld variieren. Einige affektive Störungen halten für Jahre an, andere können sich spontan manifestieren.
Schwere Stimmungsstörungen und Depressionen
Wenn wir über affektive Störungen sprechen, beginnen wir mit den Arten von Depressionen, die den meisten Menschen bekannt sind: depressive Episoden und schwere Depressionen. Die Diagnose dieser Erkrankungen erfolgt, indem der behandelnde Arzt überprüft, ob die Kriterien für das Vorhandensein einer Depression erfüllt sind und wie lange die Symptome bereits andauern.
Bei einer schweren depressiven Episode leidet der Patient für mindestens zwei aufeinanderfolgende Wochen an depressiver Stimmung, Desinteresse und verspürt außerdem nur sehr wenig Freude bei alltäglichen Aktivitäten. Darüber hinaus können Gefühle wie Traurigkeit, Reizbarkeit, Wut usw. auftreten.
Wenn bei dir eine Depression diagnostiziert wird, musst du unter mindestens fünf der nachfolgend genannten Symptome leiden:
- depressive Stimmung
- Desinteresse an Aktivitäten, die dir zuvor Freude bereitet haben
- Gewichtszu- oder -abnahme
- Schlaflosigkeit oder Hypersomnie (Tagesschläfrigkeit)
- Unruhe oder psychomotorische Störungen
- Energielosigkeit
- Ein Gefühl der Wertlosigkeit
- Verminderte Denkfähigkeit
- Suizidale Gedanken
Dies sind die diagnostischen Kriterien des DSM-5. Das ICD-11 ergänzt außerdem noch den Verlust des Selbstwertgefühls. Außerdem müssen zwei der drei Grundsymptome einer Depression vorhanden sein: depressive Stimmung, Verlust des Interesses und Energielosigkeit. Wenn du zwei dieser Symptome hast, dann wird eine leichte Depression diagnostiziert werden. Wenn du alle drei Symptome hast, dann würde die Diagnose mittlere oder schwere Depression lauten.
Affektive Störungen: Rezidivierende depressive Episoden
Depressionen gehören zu den am weitesten verbreiteten Stimmungsstörungen. Rezidivierende depressive Episoden weisen alle Symptome einer schweren Depression auf, allerdings unterscheidet sie sich dennoch in Bezug auf die zeitliche Dauer, während der die Symptome auftreten und bestehen. Diese zeitliche Dauer ist in der Psychologie sehr relevant, denn sie ist eines der wesentlichen Kriterien für die Diagnostik der spezifischen Störung.
Wenn ein Patient im Laufe seines bisherigen Lebens mindestens zwei schwere depressive Episoden durchlebt hat, dann wird der behandelnde Arzt eine endogene Depression diagnostizieren. Zwischen diesen beiden Episoden müssen mindestens zwei komplette Monate liegen, in denen keines der Symptome für eine Depression aufgetreten ist. Im ICD-11 wird beispielsweise festgelegt, dass der Patient an überhaupt keinem depressiven Symptom gelitten haben darf. Wenn der Patient doch an depressiven Symptomen gelitten hat, dann wird der behandelnde Arzt eine anders lautende Diagnose stellen.
Daher haben Patienten, die an schweren Depressionen leiden, nicht 365 Tage im Jahr depressive Symptome. Es gibt Intervalle zwischen den einzelnen Episoden, in denen keine Symptome auftreten. Diese Form der Depression kann außerdem durch die Jahreszeiten beeinflusst werden. Daher sprechen wir auch von saisonalen affektiven Störungen. Besonders in den Herbst- und Wintermonaten treten spezifische depressive Episoden auf, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten zusammenhängen und von ihnen beeinflusst werden.
Weitere affektive Störungen: Dysthymie, eine chronisch gedrückte Stimmungslage
Darüber hinaus gibt es die sogenannte Dysthymie. Sie wird definiert als chronisch gedrückte Stimmungslage oder anhaltende depressive Störung. Diese Störung ist ein chronisches Muster von Verhaltensstörungen, das durch eine gedrückte Stimmungslage charakterisiert ist. Dabei ist die Stimmung des Betroffenen anhaltend gedrückt, jeden Tag und das mindestens für die Dauer von zwei Jahren.
Patienten mit Dysthymie verbringen den Großteil des Jahres in unausgeglichener oder depressiver Stimmung. Wenn die Symptome vorübergehend abklingen, dann erfolgt dies bei einer diagnostizierten Dysthymie für nicht mehr als einen Monat. Das bedeutet, dass diese Form der Depression nicht von jahreszeitlichen Schwankungen beeinflusst wird, sondern mehr oder weniger permanent besteht.
Im DSM-5 wird Dysthymie mit der endogenen Depression kombiniert, da die beiden Formen auch zusammen auftreten können. Tatsächlich kann sich aus einer endogenen Depression eine Dysthymie entwickeln.
Disruptive Affektregulationsstörung (DMDD)
Diese Störung wird als affektive Störung oder Stimmungsstörung aufgeführt, weil sie häufig falsch diagnostiziert wird. Da viele Kinder oftmals fälschlicherweise mit einer bipolaren Störung diagnostiziert und dementsprechend behandelt wurden, soll diese Fehldiagnose künftig weitgehend vermieden werden. Die Diagnose disruptive Affektregulationsstörung (DMDD) kann ein Arzt nur bei Kindern im Alter zwischen 6 und 18 Jahren stellen. Außerdem treten die relevanten Symptome auf, bevor ein Kind 10 Jahre alt ist.
Bei der disruptiven Affektregulationsstörung treten schwere und wiederkehrende Wutausbrüche auf, die sich verbal oder auch im Verhalten des Kindes ausdrücken. Die Intensität und Dauer dieser Ausbrüche sind weder der jeweiligen Situation angemessen noch passen sie zum Entwicklungsstand des Kindes. Die Kinder verhalten sich in diesen Situationen wie sehr kleine Kinder, die über kaum oder nur sehr wenig emotionale Kontrolle verfügen.
Allerdings besteht das Hauptproblem bei dieser kontrovers diskutierten Störung darin, dass es sehr schwierig ist, eine klare Differentialdiagnose zu etablieren. Da es zu viele Störungen gibt, die teilweise die gleichen Symptome haben, ist eine Unterscheidung nur sehr schwer möglich.
Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS)
Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl emotionaler und verhaltensbedingter Veränderungen, die bei manchen Frauen während ihres Menstruationszyklus auftreten. Die Symptome der prämenstruellen dysphorischen Störung sind folgende:
- Intensive emotionale Labilität (verstärkte Empfindsamkeit, Stimmungsschwankungen usw.)
- Reizbarkeit und Wut
- Ausgeprägte depressive Stimmung und Selbstverachtung
- Angst
Darüber hinaus können noch weitere Symptome wie Lethargie, Desinteresse und Hypersomnie oder Schlaflosigkeit auftreten. Die Symptome müssen in den meisten Menstruationszyklen auftreten und eine Woche nach der Menstruation wieder abklingen. Normalerweise beginnen sie einige Tage vor dem Einsetzen der Blutung.
Affektive Störungen: Abschließende Überlegungen
Affektive Störungen sind heterogen und Menschen, die an ihnen erkrankt sind, sind nicht einfach nur “traurig”. Obwohl die unterschiedlichen Störungen einige gemeinsame Merkmale haben, handelt es sich um einzelne Krankheitsbilder, die verschiedene Auswirkungen haben. Außerdem gibt es für jede Störung andere Behandlungsansätze.
Daher ist es sehr wichtig, die einzelnen Störungen korrekt zu diagnostizieren, um die jeweils geeigneten Behandlungen einzuleiten und das Voranschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Wenn der behandelnde Arzt eine endogene Depression diagnostiziert und eine auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Behandlung einleitet, kann er gemeinsam mit dem Patienten dafür sorgen, dass sich daraus keine Dysthymie entwickelt.