Ästhetische Emotionen: Die emotionale Wirkung von Schönheit

Ästhetische Emotionen: Die emotionale Wirkung von Schönheit
Gema Sánchez Cuevas

Geschrieben und geprüft von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Der Anblick von Vincent van Goghs Sternennacht,  das frühe Aufwachen, um den Sonnenaufgang zu beobachten, das Lesen von Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins  von Milan Kundera oder das Schließen der Augen, um Debussys Clair de Lune  zu hören, sind alles unbeschreibliche Erfahrungen, die einen Sturm der Emotionen heraufbeschwören. Die Schönheit in Kunst und Natur ist so intensiv, dass wir manchmal einfach innehalten und sie aufnehmen müssen. Das Gefühl und die tiefe Empfindung, die uns überkommen, wenn wir ein Kunstwerk, eine atemberaubende Landschaft oder ein attraktives Gesicht betrachten, sind die Wirkung dieser Schönheit.

Wenn wir einmal genauer darüber nachdenken, dann geht es in der Kunst tatsächlich darum, Emotionen zu wecken, sie zu kommunizieren und zu teilen. So wird eine tiefe Verbindung mit dem Betrachter hergestellt. Aber es sind nicht nur irgendwelche Emotionen, es sind ästhetische Emotionen.

“Künstlerische Schönheit heißt nicht, eine schöne Sache darzustellen, sondern eine Sache schön darzustellen.”

Immanuel Kant

Farben und Sternenbilder

Ästhetische Emotionen

Laut Rafael Bisquerra, Professor an der Universität Barcelona (Spanien), seien ästhetische Emotionen eine emotionale Antwort auf Schönheit, auf jegliche Art von Schönheit, auf ein Kunstwerk, eine Landschaft oder eine bestimmte Person. Alles zählt, solange es eine emotionale Wirkung hat.

“Schönheit gehört zum Leben, aber in der Kunst ist sie unsterblich.”

Leonardo da Vinci

Obwohl diese Emotionen auftreten, wenn wir auf Kunstwerke reagieren, sind sie ein Phänomen, das über die Kunst hinausgeht. Wir erleben diese emotionale Erfahrung als Reaktion auf Schönheit, weil wir uns tief mit dem verbunden fühlen, was wir sehen. Obwohl wir vielleicht sensibel für unsere Emotionen sein müssen, um sie zu erleben, können ästhetische Emotionen sehr freudige, fast unbeschreibliche Gefühle hervorrufen.

Allerdings sind ästhetische Emotionen nicht immer erfreulich, angenehm und positiv. Sie mögen auch unangenehme Empfindungen umfassen. Wenn wir zum Beispiel das Gemälde Der 3. Mai in Madrid  von Fransisco de Goya betrachten, mögen wir Zorn, Wut oder Angst empfinden. Je nachdem, was es für uns und unsere persönliche Geschichte bedeutet. Ebenso kann der Anblick der Skulptur Amor und Psyche  von Antonio Canova Gefühle von Nostalgie, Liebe und Zärtlichkeit wecken. Es hängt alles vom Betrachter ab.

"Amor und Psyche" von Antonio Canova

Das magische Empfinden, das mit ästhetischen Emotionen einhergeht, ist eine sehr persönliche Erfahrung. Das liegt daran, dass es das Ergebnis unserer ganz persönlichen Verbindung zu einem Kunstwerk oder anderen schönen Dingen ist. Keine zwei Menschen fühlen das Gleiche, obwohl sie denselben äußeren Reizen ausgesetzt sind. Der Grund dafür liegt im Inneren der Individuen, denn auf Basis dessen wird interpretiert, was das Auge betrachtet.

Ästhetische Emotionen sind geheimnisvoll und schwer zu verstehen und hervorzusagen. Es ist schwer, festzustellen, wie und warum sie durch künstlerische Arbeiten, sportliche Höchstleistungen oder gar erstaunliche wissenschaftliche Entwicklungen getriggert werden. Aber da wir wissen, dass diese Umstände ästhetische Emotionen hervorrufen können, können wir Bildungseinrichtungen zu einem der besten Orte erklären, um sie zu finden.

“Schönheit sieht nicht, sondern wird gesehen.”

Albert Einstein

Ästhetische Emotionen in der Bildung

Laut Rafael Bisquerra sollen ästhetische Emotionen in die Bildung einbezogen werden. Aber nicht nur, um uns auf theoretischer Ebene über diese Art von Emotion zu informieren, sondern um uns zu helfen, sie auf persönlicher Ebene zu erleben. Wir sollen uns in Situationen begeben, die ästhetische Emotionen wecken können. Bisquerra schlägt vor, dass wir lernen, um emotional bewegt zu werden und es zu genießen.

“Es ist schwierig, Schönheit zu beurteilen; dafür bin ich noch nicht bereit. Schönheit ist ein Rätsel.”

Fjodor Dostojewski

Dieser Ansatz hilft aber nicht nur, mehr Kontakt zu unserer emotionalen Seite herzustellen. Er kann auch wichtige Fähigkeiten wie emotionales Bewusstsein und Regulierung beeinflussen. Die Betrachtung eines Kunstwerks kann je nach Kontext und persönlicher Geschichte unterschiedlichste Gefühle und Emotionen in uns wecken. Und nachdem diese Emotionen geweckt und identifiziert wurden, können sie reguliert werden.

Fächer wie Musik, Kunst oder Naturwissenschaften wecken diese Emotionen am ehesten. Wenn wir sie erleben und genießen, motiviere uns das zum Weiterlernen. Gleichermaßen bedeutet das, dass die emotionale Bildung ein integriertes und themenübergreifendes Konzept ist, das nicht in einem eigenen Studienfach unterrichtet werden kann.

Wie wir ästhetische Emotionen erleben

Bevor wir zum Schluss kommen, schauen wir uns noch eine Auswahl an Kunstwerken an, die dafür bekannt sind, ästhetische Emotionen hervorzurufen. Vielleicht erreichen sie uns, oder vielleicht auch nicht. Das hängt von jedem selbst ab.

Sternennacht über der Rhône

Sternennacht über der Rhône von Van Gogh

In Danzig  von Joseph von Eichendorff

Dunkle Giebel, hohe Fenster,
Türme tief aus Nebeln sehn,
Bleiche Statuen wie Gespenster
Lautlos an den Türen stehn.

Träumerisch der Mond drauf scheinet,
Dem die Stadt gar wohl gefällt,
Als läg’ zauberhaft versteinet
Drunten eine Märchenwelt.

Ringsher durch das tiefe Lauschen,
Über alle Häuser weit,
Nur des Meeres fernes Rauschen –
Wunderbare Einsamkeit!

Und der Türmer wie vor Jahren
Singet ein uraltes Lied:
Wolle Gott den Schiffer wahren,
Der bei Nacht vorüberzieht.

Für Elise  von Ludwig van Beethoven

Cenote auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko

Yucatan-Cenoten

Ocean Atlas  von Jason deCaires Taylor

Ocean Atlas

Wish You Were Here  von Pink Floyd

Love  von Alexander Milov

Love - Skulptur von Alexander Milov

Was empfindest du? Kannst du diese Kunst genießen?


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.