Abhängigkeit in der Beziehung: Ich habe dich mehr geliebt als mich

Abhängigkeit in einer Beziehung kann bis zur vollständigen Selbstaufgabe führen.
Abhängigkeit in der Beziehung: Ich habe dich mehr geliebt als mich
Angela C. Tobias

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Angela C. Tobias.

Letzte Aktualisierung: 04. Januar 2023

Ich habe dich mehr geliebt als mich – das ist nicht der Name eines romantischen Films. Abhängigkeit in der Beziehung erinnert uns eher an ein Drama. Die Hauptdarsteller agieren meist unbewusst. Auch die Nebenrollen sind schädlich und genauso repetitiv. Sie vergessen sich selbst und erleben oft eine danteske Hölle. Das Drehbuch ist vorhersehbar, auch wenn es keiner so geplant hat.  Kommt dir das bekannt vor?

Ich habe mehr auf dich gehört als auf mich

Meine Stimme wurde immer leiser, während deine immer lauter in meinen Ohren klang. Ich höre sie in der Stille noch heute. Ich habe das Zeitgefühl verloren: Waren es Tage, Monate oder Jahre? Auch die Erinnerung an meine eigene Stimme ist nicht mehr existent.

Wir sprachen verschiedene Sprachen, die kein gemeinsames Alphabet hatten. Meine eigene Sprache habe ich vergessen. Es fällt mir jetzt schwer, meine eigenen Gedanken zu verstehen und sie in sinnvolle Worte zu fassen. Manchmal habe ich gar keine Stimme: wie wenn man lange kein Gespräch geführt hat und die Stimme schwach und stolpernd klingt.

Die Worte, die ich nicht sagen konnte, hat mein Körper geschrien. Die Ohnmacht wurde zu einem Knoten in meinem Magen, die Grenzen, die ich nicht setzen konnte, wurden zu Schmerzen in meiner Brust und zu unkontrollierbarer Angst. Denn alles, was du nicht sagst, drückt sich durch den Körper aus.

Frau denkt: Ich habe dich mehr geliebt als mich

Ich habe dir mehr geglaubt als mir

Ich habe dir mehr geglaubt als mir. Meine Intuition habe ich aufgegeben, was so bitter war wie der erste Kaffee am Morgen. Du trinkst ihn nach einer schlaflosen Nacht und weißt, dass es nur ein unsinniges Pflaster ist, das dir nicht hilft. Aber du nimmst einen schnellen Schluck und denkst einfach nicht nach.

Ich habe meinen Kompass zerbrochen und bin über alles gestolpert, ich habe mich zu Tode erschreckt. Ich konnte und wollte meine Augen nicht öffnen, obwohl ich wusste, dass ich sie mehr denn je brauchte. Tief im Inneren wusste ich, dass es ein Fehler war, doch trotzdem folgte ich dir. Das Schlimmste daran ist, dass ich mich selbst betrogen und verraten habe.

Dein Körper schreit vor Angst, Depersonalisierung ist die Folge. Ich habe vergessen, wer ich bin und kann mich noch immer nicht daran erinnern.

Ich hatte mehr Mitleid mit dir als mit mir selbst

Ich habe deinem Schmerz grenzenlos zugehört, ich wollte alles verstehen und dich umarmen. Deine Wunden wollte ich heilen, auch wenn ich mir damit selbst Schaden zufügte. Ich habe die Grenzen vergessen, da ich dich geliebt habe. Ich hörte auf, meinen Schmerz zu fühlen.

Immer versuchte ich dich zu verstehen, auch wenn es keinen Grund gab. Ich habe vergessen, dass es nicht nur darauf ankommt, was dir passiert, sondern auch darauf, was du daraus machst. Ich wünschte, ich hätte dieses Mitgefühl und Verständnis für mich selbst gehabt, ohne das Bedürfnis in Qualen zu leben.

Mein Mitgefühl für dich hat sich bei mir in eine grausame und despotische Stimme verwandelt. Ich blickte in den Spiegel und konnte den schlimmsten Feind nicht erkennen.

Abhängigkeit in der Beziehung: Ich habe dich mehr geliebt als mich

Ich habe dich mehr geliebt als mich

Ich habe vergessen, dass ich so viel mehr bin als das, was du in mir siehst. Ja, ich habe dich mehr geliebt als mich. Das macht mich nicht zu einem besseren Menschen oder zu einem Opfer. Mir fehlte die Liebe zu mir selbst und der Mut, aber ich mache mir keine Vorwürfe und praktiziere jetzt Selbstmitgefühl. 

So Manches ist in mir für immer gestorben. Doch ich bin dankbar und gehe jetzt einen neuen Weg. Ich habe keine Angst mehr, ohne die andere Person nicht leben zu können. Der Samen der Selbstliebe beginnt zu wachsen: Er zeigt mir, dass das Leben weitergeht. 

Ich habe auf diesem dornigen Weg viele Dinge verloren und vergessen, aber es ist auch eine feste Verpflichtung entstanden: die Verpflichtung, mich selbst zu finden und zu lieben, auch wenn ich dafür Zeit brauche.


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  • Sierra-Siegert, M. (2008). La despersonalización: aspectos clínicos y neurobiológicos. Revista colombiana de psiquiatría37(1), 40-55.

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