Wie verarbeiten Menschen mit Zwangsneurosen Informationen?

Menschen mit Zwangsstörungen interpretieren Daten aus ihrer Umgebung anders, was erklären könnte, warum sie zwanghafte Gedanken oder Verhaltensmuster entwickeln.
Wie verarbeiten Menschen mit Zwangsneurosen Informationen?
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 10. Mai 2023

Menschen mit Zwangsneurosen haben Schwierigkeiten, schnell und effizient zu handeln. Sie investieren oft viel Energie und Zeit in völlig unproduktive Zwecke. So gibt es unter anderem Personen, die mehr als acht Stunden täglich mit Zwangsvorstellungen und -ritualen verbringen. Das hat für Betroffene natürlich verheerende Konsequenzen.

Manche Autoren unterscheiden zwischen “Vollzeit-Zwangsstörung” und “Teilzeit-Zwangsstörung”, wobei die Störung durch aufdringliche Gedanken (Obsessionen) und abgeleitete Handlungen (Zwänge) im ersten Fall viel intensiver ist.

“Ein überwältigender Sinn für Perfektion ist weit verbreitet, sie berichten von Unbehagen, bis die Dinge für sie richtig erscheinen.”

Amparo Belloch

Frau mit Zwangsneurosen
Menschen mit Zwangsneurosen haben das Gefühl, sich ständig auf ihre Gedanken konzentrieren zu müssen.

Was sind Zwangsneurosen?

Eine Zwangsneurose oder Zwangsstörung ist eine psychische Erkrankung, die zu wiederholten, zwanghaften und unkontrollierbaren Gedanken und Aktivitäten führt. Betroffene haben beispielsweise das Bedürfnis, sich ständig die Hände zu waschen. Ein typischer Gedanke ist: “Wenn ich nicht ständig bete, wird ein Erdbeben stattfinden und mein Mann wird sterben.” Diese Gedanken oder Aktivitäten können sich über Jahre oder Jahrzehnte hinziehen und sehr intensiv sein.

Zwangsverhalten ist eine übertriebene Reaktion auf unrealistische Situationen.

“Zwänge werden nicht zum Vergnügen ausgeübt, auch wenn manche Menschen Erleichterung erfahren.”

Amparo Belloch

Zwangsneurosen können viele Formen annehmen: Gedanken, Bilder (“jedes Mal, wenn ich ein mentales Bild meiner Mutter sehe, muss ich sie anrufen, um zu wissen, ob es ihr gut geht”), Impulse (z. B. die willkürliche Wiederholung von Schimpfwörtern) oder Aktivitäten wie das erwähnte Händewaschen.

Das Zwangsverhalten ist stark beeinträchtigend, und zwar in allen Lebensbereichen. Frust, Ängste und Unbehagen sind die Folgen. Zwangsneurosen können auch Depressionen auslösen.

Wie verarbeiten Menschen mit Zwangsneurosen Informationen?

Die Erziehung in der Kindheit spielt bei Betroffenen eine wesentliche Rolle. Haben die Eltern perfektionistische und zwanghafte Züge, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch ihre Kinder Störungen entwickeln (Belloch, 2020).

“Sie nehmen eine unrealistische Einschätzung von Bedrohungen oder Katastrophen vor, die durch fehlerhafte oder irrationale Gedanken oder Muster gegeben sind.”

Amparo Belloch

Diese klinische Entität zeichnet sich durch drei Arten von Veränderungen in der Informationsverarbeitung aus. Erstens haben Betroffene Schwierigkeiten, “die Spreu vom Weizen zu trennen”, d. h. es fällt ihnen schwer, in einer großen Menge von Informationen das Wichtige zu finden. Außerdem tun sie sich bei der Kategorisierung von Daten schwer: Sie wollen alle Informationen kontrollieren, sowohl die relevanten als auch die irrelevanten.

Infolgedessen kommt es zu einer Hyperstrukturierung von Informationen, die es ihnen schwer macht, Vorhersagen über ihren Kontext zu treffen. Sie haben so viele Informationen, dass ihr mentales System überlastet ist. Um das zu kompensieren, greifen sie auf sehr starre Abgrenzungen zurück, wie z. B. Rituale (Belloch, 2020). Zu den Informationsverarbeitungsfehlern, die gefunden wurden, gehören:

Übertriebene Verantwortung

Diese Menschen glauben, dass sie die Möglichkeit haben, das Eintreten eines katastrophalen Ereignisses zu verhindern – sie überschätzen ihre Fähigkeit, es zu beeinflussen oder zu kontrollieren. Das heißt, wenn sie das Gefühl haben, dass diese Möglichkeit von ihnen abhängt, fühlen sie sich für das Eintreten oder Ausbleiben des Ereignisses verantwortlich.

Die Überzeugung, dass es genauso schlimm ist, etwas zu unterlassen, wie etwas zu tun, ist ebenfalls charakteristisch für das übermäßige Verantwortungsbewusstsein. Ein Beispiel für impulsive Besessenheit: “Es ist genauso schlimm, John jedes Mal zu schlagen, wenn ich ihn sehe, oder es nicht zu verhindern.” Mit anderen Worten: Menschen mit einer Zwangsstörung haben mehr Schuldgefühle wegen Unterlassungsfehlern als Menschen ohne Zwangsstörung (Belloch, 2020).

Es gibt also Situationen, in denen sich Personen mit Zwangsneurosen sehr verantwortlich fühlen, während eine Person ohne Zwangsstörung wenig oder gar keine Verantwortung empfindet.

“Übermäßige Verantwortung kann eine Person zu extremen Verhaltensfolgen führen, z. B. dazu, dass sie Verbrechen oder Unfälle gesteht, von denen sie nichts weiß.”

Amparo Belloch

Mann hat Zwangsneurosen
Menschen mit Zwangneurosen überschätzen ihre Fähigkeit, Einfluss und Kontrolle auszuüben.

Überschätzung der Bedeutung ihrer Gedanken

“Es ist meine Pflicht, zu verhindern, dass etwas Schlimmes passiert.” Diese Aussage ist für Menschen mit Zwangsneurosen typisch. Deshalb ist ihr Unbehagen entsprechend groß, wenn sie nicht alles machen können. Versuchen sie, ihre Gedanken zu kontrollieren, werden sie jedoch nur noch aufdringlicher.

Um dies zu veranschaulichen, schlagen wir eine Übung vor: “Denk nicht an einen grünen Hund, wenn du an einen grünen Hund denkst, wird ein Erdbeben stattfinden!” Der grüne Hund taucht immer wieder in den Gedanken auf, er wird aufdringlich und hält dich gefangen. Genau das passiert bei Zwangsneurosen.

“Das nennt man den Rebound-Effekt oder das Wiederauftauchen eines Gedankens, wenn wir bewusst versuchen, ihn zu unterdrücken.”

Amparo Belloch

Tatsächlich haben Betroffene das Gefühl, dass sie ihre Gedankeninhalte ständig überwachen müssen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit kontinuierlich auf ihre Gedanken. Da es für einen Menschen unmöglich ist, ein solches Maß an Kontrolle zu beanspruchen, verlieren sie diese oft. Wenn sie die Kontrolle verlieren, fühlen sie sich unfähig, den Fluss ihrer Gedanken ihrem Willen zu unterwerfen und haben das Gefühl, dass sie versagt haben. Deshalb greifen sie auf Zwänge zurück.

Fehlinterpretationen bei der Informationsverarbeitung sind für die Zwangsstörungen verantwortlich. Erstens neigen sie dazu, alle Informationen kontrollieren zu wollen, “für den Fall, dass ihnen etwas Wichtiges entgeht”, was ihr Verarbeitungssystem überlastet.

Außerdem fühlen sie sich außerordentlich verantwortlich für das, was sie denken, und glauben, dass es passieren kann, nur weil sie es denken; oder dass “es genauso schlimm ist, es zu denken, wie es zu tun”. Das führt dazu, dass sie ihren Gedanken eine herausragende Bedeutung beimessen.

Dank der Forschung wurden jedoch psychologische Behandlungen entwickelt, die bei dieser klinischen Entität wirksam und sicher sind, unter anderem die kognitive Verhaltenstherapie, die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, Exposition mit Reaktionsverhinderung oder die metakognitive Therapie. Dennoch ist weitere Forschung nötig.

“Die Ursache von Zwangsvorstellungen sind katastrophale Fehlinterpretationen der Bedeutung von Gedanken.”

Amparo Belloch


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