Wie dich dein Alter Ego motiviert und leistungsfähiger macht

Ein alternatives Ich, das du selbst erschaffst, kann dir helfen, ungeahnte Potenziale zu entfalten, kreativ zu werden und Ziele zu erreichen. Erfahre mehr über diese interessante Strategie.
Wie dich dein Alter Ego motiviert und leistungsfähiger macht
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 30. September 2023

Der lateinische Ausdruck Alter Ego beschreibt das andere Ich. Du kannst dir bewusst eine alternative Identität schaffen, die allerdings von deinen Erfahrungen und Umständen beeinflusst wird. Diese fiktive Figur hilft dir, Ängste abzubauen und dein Selbstvertrauen zu stärken. Es handelt sich um eine psychologische Strategie, die dir auf deinem Weg des persönlichen Wachstums hilft.

Die Sängerin Adele hat uns gezeigt, wie die Erschaffung eines Alter Egos funktioniert: In dem Magazin Rolling Stone erklärte sie, Sasha Carter erschaffen zu haben – eine imaginäre Figur, in denen sie die Eigenschaften von Beyoncé und June Carter vereinte. Sie konnte damit ihre Selbstvertrauen stärken. Es handelt sich um eine therapeutische, motivierende und interessante Übung. 

“Ich werde durch das definiert, was ich tue, und nicht dadurch, wer unter meiner Maske steckt.”

Batman (Bruce Wayne)

Alter Ego: Was ist das?

Diese psychologische Figur stellt eine zweite Persönlichkeit dar, die dir hilft, dich selbst zu entdecken und deine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Ursprünglich wurde diese Konzept mit der Idee der Freundschaft in Verbindung gebracht (Amicus est alter ego), daraus entwickelte sich jedoch die Idee einer alternativen Persönlichkeit.

Dr. Franz Mesmer erforschte dieses zweite Ich im 18. Jahrhundert in den hypnotischen Sitzungen mit seinen Patienten, die in diesem Zustand eine andere Persönlichkeit zeigten. Er entwickelte damit den Mesmerismus, die Urform der modernen Hypnose.

Alter Ego in der Philosophie

Auch andere Persönlichkeiten interessierten sich für dieses Konzept: In seinem Buch The Problem of Social Reality befasst sich Alfred Schutz mit dem Konzept des Alter Ego in den Werken von Jean-Paul Sartre¹. Er analysiert den neuen Ansatz der Intersubjektivität in den Werken des französischen Philosophen, die Frage nach der Existenz des Anderen und seinen vielseitigen Erscheinungsformen.

Neben der Psychiatrie und Philosophie beschäftigten sich auch viele Künstler mit dem Alter Ego. In der Literatur spielt das andere Ich des Hauptcharakters oft eine entscheidende Rolle.

Alter Ego in der Literatur

Stephen King verwendet dieses Konzept in seinen Romanen häufig. In seinem Roman Stark – The Dark Half² beschließt Thad Beaumont, der unter dem Pseudonym George Stark blutrünstige Thriller schreibt, sein fiktives Alter Ego umzubringen. Stephen King, einer der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart, schrieb auch einige Romane unter den Pseudonymen John Swithen und Richard Bachman, die wir ebenfalls als Alter Ego bezeichnen können.

Das andere Ich ist auch in Comics häufig vorzufinden: Ein Beispiel dafür ist Clark Kent, der schüchterne Journalist – das Alter Ego von Superman, dem helfenden Helden.

Welche Vorteile hat die Schaffung eines Alter Ego?

Es handelt sich um eine interessante therapeutische Strategie, denn dieses andere Ich kann Dinge tun, die du selbst nie tun würdest. Es kann deshalb dein psychisches Wohlbefinden stärken und einschränkende Gedanken, Ängste und Sorgen abbauen. Wir beschreiben die Vorteile dieser Methode etwas ausführlicher:

1. Psychologische Distanz

Ein Alter Ego ermöglicht es dir, in stressigen Situationen psychologische Distanz zu schaffen: Du kannst dich von deinen Sorgen und Schwierigkeiten trennen, deine Emotionen regulieren und dich auf Lösungen konzentrieren.

Ein Artikel der Zeitschrift Advances in Experimental Social Psychology hebt die Vorteile hervor: Wenn du eine fiktive Figur schaffst, die Mut und Selbstvertrauen ausstrahlt, kannst du deine Ängste und Unsicherheiten überwinden. Viele Schauspieler und Schauspielerinnen verwenden diese Methode, bevor sie die Bühne betreten.

2. Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis

Das andere Ich ist ein nützliches Instrument, um deine Selbstkenntnis zu fördern und neue Potenziale zu entdecken. Diese Methode hilft dir, verborgene Aspekte zu erkennen, deine Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen und ein größeres Bewusstsein für dich selbst zu entwickeln.

Du kannst dich zum Beispiel motivieren, indem du dir vorstellst, in der Welt des Sports bewundert zu werden. Wenn du Van Gogh, Truman Capote oder Agatha Christie vor Augen hast und auf dein großes Vorbild aufbauend ein Alter Ego erschaffst, kannst du dein Engagement und deine Leidenschaft stärken.

Denke daran, dass die Entwicklung eines Alter Egos eine Übung in Spiel und Selbstentdeckung ist. Versuche nicht, es als Mittel zu benutzen, um der Realität oder dem, was du nicht magst, auszuweichen. Bleibe immer authentisch und ehrlich zu dir selbst, wenn du diese alternativen Facetten deiner Identität erkundest.

3. Mehr Ausdauer

Im Jahr 2017 veröffentlichte die Zeitschrift Child Development eine interessante Studie. Eine Gruppe von 180 Kindern im Alter von 4 bis 6 Jahren zeigte mehr Ausdauer bei einer Aufgabe, wenn sie sich vorstellten, Batman zu sein. Dieses Alter Ego wirkt sehr motivierend. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene können davon profitieren.

Das andere Selbst, eine fiktive Figur, kann außergewöhnliche Fähigkeiten aufweisen, die dich inspirieren, Hindernisse zu überwinden und Ziele zu erreichen. Der sogenannte Batman-Effekt ist eine psychologische Strategie, die sehr lohnend sein kann.

4. Mehr Selbstvertrauen und ein stärkeres Selbstwertgefühl

Die idealisierte Version des anderen Ich stärkt dein Selbstwertgefühl. Wenn du die positiven Eigenschaften eines Superhelden, Wissenschaftlers, Schriftstellers oder Künstlers auf dich selbst projizierst, wirkt sich das positiv auf dein Selbstbewusstsein aus. Ein sehr vorteilhaftes therapeutisches Werkzeug, das du im Alltag jederzeit einsetzen kannst.

5. Mehr Kreativität und Innovation

Ein in der Fachzeitschrift Frontiers in Human Neuroscience veröffentlichter Artikel erinnert daran, dass Inspiration und Motivation die Grundlagen der Kreativität sind. Indem du ein anderes Ich schaffst, kannst du neue Perspektiven und innovative Ansätze entwickeln.

Du befreist dich von Einschränkungen und Erwartungen, die dich in deiner “normalen” Identität zurückhalten. Konzepte und Ideen, die unsinnig oder unerreichbar erscheinen, sind die Grundlage für Innovation.

6. Integration anderer Modalitäten

1972 erschuf David Bowie sein Alter Ego Ziggy Stardust für sein neues Album: ein Außerirdischer, der auf der Erde landete, um zum Star zu werden. Seine letzten Konzerte beendete er mit der Frage “Why did you kill Ziggy?”. Er hatte bereits 1973 den Tod dieser Kunstfigur verkündet, die jedoch ohne ihn weiterlebte. Sein Alter Ego hatte sich selbstständig gemacht.

Erschaffst du ein Alter Ego, erhältst du neue Perspektiven und Möglichkeiten, die dir auf deinem Weg helfen.

So kannst du dein Alter Ego schaffen

Wir empfehlen dir diese Übung, denn wie du siehst, hat ein anderes Selbst viele Vorteile. Hier sind einige hilfreiche Tipps:

  • Was brauchst du? Denke zunächst darüber nach, worin du dich verbessern möchtest. Definiere konkrete Ziele, die du mit einem Alter Ego verfolgst.
  • Wähle einen Namen: Gib deinem anderen Ich einen Namen. Bewunderst du Albert Einstein, Steve Jobs, Hypatia von Alexandria, Carl Sagan oder Lady Gaga, solltest du allerdings nicht ihre Namen verwenden, sondern dir eine Variante ausdenken.
  • Setze Grenzen: Du musst eine klare Trennung zwischen deinem authentischen  und deinem fiktiven Ich gewährleisten. Lege fest, wie du dein Alter Ego verwendest und wo die Grenzen liegen.
  • Wie soll dein Alter Ego aussehen? Welche Stärken und Tugenden soll es haben? Wie soll es dich motivieren? Wie verhält es sich zu deinem authentischen Ich?

Risiken und Vorteile

Wenn du das Alter Ego bewusst als eine Strategie verwendest, um dich zu motivieren, andere Perspektiven zu betrachten und dich persönlich weiterzuentwickeln, hat diese Methode verschiedene Vorteile. Integrierst du diese imaginäre Figur jedoch dauerhaft in dein mentales Register, könnte dies zu einer dissoziativen Identitätsstörung führen (die früher als multiple Persönlichkeit bezeichnet wurde).

Du musst deshalb unbedingt Grenzen setzen und die Kontrolle bewahren. Es handelt sich um ein sporadisches Inspirationsmodell, eine Strategie, um Ängste abzubauen und Sicherheit, Positivität und Motivation zu entwickeln. Probiere es aus!

Lese-Tipps

  1. Die Transzendenz des Ego: Philosophische Essays 1931 – 1939, Jean-Paul Sartre, RoRoRo 1997
  2. Stark – The Dark Half, Stephen King, Heyne 2009
  3. The Alter Ego Effect: Defeat the Enemy, Unlock Your Heroic Self, and Start Kicking Ass, Todd Herman (Autor, Erzähler), Harper Audio 2019

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