Warum brechen immer mehr Kinder die Beziehung zu ihren Eltern ab?
Immer mehr Kinder scheinen die Beziehung zu ihren Eltern abzubrechen. Es gibt kaum Studien über dieses Phänomen, doch Psychologen, Kliniken und Presseartikel weisen immer wieder darauf hin, wobei wir insbesondere von westlichen Wohlstandsländern sprechen.
Eine der wenigen Studien zu diesem Thema ist eine Untersuchung von Professor Karl A. Pillemer, Inhaber des Lehrstuhls für menschliche Entwicklung an der Universität Cornell. Diese Studie zeigt, dass viele Menschen heute die Beziehung zu ihren Eltern und anderen Familienmitgliedern abbrechen. Es handelt sich nicht um die normale Entfremdung, die mit dem Erwachsenwerden einhergeht, sondern um eine Trennung aus den unterschiedlichsten Gründen.
“Wir brauchen Forscher, um bessere Lösungen zu finden, sowohl für Menschen, die sich versöhnen wollen, als auch für Menschen, die sich dauerhaft entfremden.“
Karl A. Pillemer
Kinder, die die Beziehung zu ihren Eltern abbrechen
Professor Pillemer stellte fest, dass es eine Lücke in der Forschung über Kinder gibt, die ihre Beziehung zu ihren Eltern oder zur Familie abbrechen. Deshalb führte er 2020 eine große Umfrage in den Vereinigten Staaten durch.
Die Ergebnisse zeigten, dass jeder vierte Amerikaner den Kontakt zu einem Familienmitglied abgebrochen hatte. Er hielt dies in seinem Buch “Fault Lines: Fractured Families and How to Mend Them” fest. In Großbritannien wurde eine ähnliche Umfrage durchgeführt, die ähnliche Ergebnisse erzielte: Jeder fünfte Befragte berichtete, den Kontakt zur Familie abgebrochen zu haben.
Ähnliche Umfragen wurden später in Kanada und Australien durchgeführt. Die Ergebnisse waren ebenfalls sehr ähnlich. In beiden Ländern wurde sogar von einer “Epidemie” von Familientrennungen gesprochen.
Andererseits können wir beobachten, dass Online-Unterstützungsgruppen für Menschen, die sich von ihren Familien distanziert haben, immer mehr zunehmen. Häufig handelt es sich um Kinder, die die Beziehung zu ihren Eltern abbrechen und keine Absicht zeigen, sie wiederherzustellen. Es gibt keine vergleichbaren Studien in Ländern außerhalb der angelsächsischen Welt.
Warum tritt dieses Phänomen auf?
Ein weiterer Forscher, der sich mit dieser Frage beschäftigt hat, ist Dr. Joshua Coleman. Seiner Einschätzung nach zählen Gewalttaten zu den entscheidenden Faktoren, die dazu führen, dass Kinder, die Beziehung zu ihren Eltern abbrechen.
Typischerweise werden vergangene Gewaltepisoden in der Gegenwart reproduziert, was die Trennung von der Familie zur Folge hat. Solche Situationen beziehen sich auf körperliche, verbale, emotionale oder sexuelle Gewalt. Erwachsene Kinder sind nicht bereit, erneut missbräuchliche Situationen zu tolerieren, die sie als Kinder erlebt haben. Gleichzeitig können sie auch zu Aggressoren werden, was die Trennung beschleunigt.
Ein weiterer Faktor, der diese Situationen hervorruft, ist die Scheidung der Eltern, gefolgt von der Gründung einer neuen Familie. Viele Menschen sind nicht in der Lage, sich an diese Situation anzupassen und beschließen deshalb, sich von einem oder beiden Elternteilen zu trennen.
Werte: ein entscheidender Faktor
Es hat sich gezeigt, dass auch die Werte oft entscheidend sind. Joshua Coleman erwähnt, dass eine von drei Müttern, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben, Werte als wichtigsten Aspekt bezeichnen. Dies deckt sich mit den Schlussfolgerungen von Karl A. Pillemer. Der Forscher weist darauf hin, dass insbesondere drei Ursachen für die radikale Distanz zwischen Eltern und Kindern verantwortlich sind: sexuelle Vielfalt, religiöse Überzeugungen und alternative Lebensstile. Auch die politische Polarisierung spielt eine Rolle, wenn auch in geringerem Maße.
Viele der Kinder, die die Beziehung zu ihren Eltern abbrechen, denken, dass dies eine gute Entscheidung für alle ist, denn damit reduzieren sie Konflikte. Es gibt jedoch auch jene, die diesen Verlust bedauern und es bereuen, sich nicht mit ihrer Familie versöhnt zu haben.
Vielleicht geht es gar nicht so sehr um die Unterschiede, sondern eher um die mangelnde Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen. Dialog und Zuneigung sind gute Optionen, um Meinungsverschiedenheiten zu klären und Wunden zu heilen. Sich zu trennen ist nicht immer die beste Lösung, auch wenn es manchmal unvermeidlich ist.
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- Meza Flores, J. P. (2008). Los sistemas de acuerdos como un parámetro de referencia diagnóstica para comprender las relaciones entre padres e hijos, un enfoque desde el análisis transaccional (Doctoral dissertation, Universidad de San Carlos de Guatemala).