Warum altert das Gehirn? Die Antwort liegt in deinen Genen
Das Gehirn altert genau wie jede andere Struktur oder jedes andere System in deinem Körper. Es gibt jedoch Menschen, die von der Zeit stärker betroffen scheinen als andere. Wir sprechen dabei nicht nur über physische Veränderungen, denn die geistigen Fähigkeiten wandeln sich mit dem Alter ebenfalls. Warum passiert das? Und noch wichtiger: Was kannst du dagegen tun? Sind manche Menschen anfälliger für die Auswirkungen des Alterns und diesen wehrlos ausgeliefert? Gibt es Hilfsmittel, um das Altern des Gehirns zu verlangsamen?
Die Antworten auf das Geheimnis des alternden Gehirns liegen in bestimmten Genen. Eine Gruppe von Forschern vom Babraham Institute in Cambridge (England, Vereinigtes Königreich) und der Sapienza Universität in Rom (Italien) veröffentlichte jüngst Erkenntnisse zu den genetischen Grundlagen des Wandels der Hirnfunktionen. Die entsprechenden Gene beeinflussen den komplexen Mechanismus der altersbedingten kognitiven Verschlechterung.
Wir wissen schon viel darüber, was passiert, wenn das Gehirn altert. Zum Beispiel wissen wir, dass die Neuronen immer mehr verkommen und schließlich absterben, nur um durch neue ersetzt zu werden. Eine Art von Stammzellen, die neuronalen Stammzellen, ermöglichen diesen Prozess. Mit der Zeit werden diese Zellen jedoch zunehmend dysfunktional. Das bedeutet, das Gehirn regeneriert sich nicht mehr so gut.
Aber was lässt diese Zellen altern? Was sind die molekularen Veränderungen, die für ihren Rückgang in Anzahl und Potenz verantwortlich sind?
Was passiert, wenn das Gehirn altert?
Die Alterung des Gehirns ist bis zu einem gewissen Punkt unvermeidbar. Sie verläuft jedoch nicht einheitlich. Tatsächlich beeinflusst dieser Prozess alle Gehirne auf unterschiedliche Weise. Das Gehirn vom Altern abzuhalten oder es zu verzögern, wäre die beste Option, um – zumindest auf geistiger Ebene – ewige Jugend zu erreichen.
Bevor wir uns ansehen, warum das Gehirn altert und warum wir nicht ewig jung bleiben, werden wir darüber sprechen, woraus diese Schaltzentrale besteht: Das menschliche Gehirn enthält etwa 100.000 Millionen Neuronen. Sie sind durch Billionen von Synapsen verbunden.
Im Laufe deines Lebens verändert sich dein Gehirn mehr als jeder andere Teil des Körpers. Von dem Moment an, in dem sich das Gehirn zu entwickeln beginnt, verändern sich auch seine komplexen Strukturen und Funktionen. Dieser Zeitraum beginnt in der dritten Schwangerschaftswoche und verläuft bis ins hohe Alter.
- In den ersten Lebensjahren erzeugt das Gehirn eines Kindes mehr als eine Million neuer neuronaler Verbindungen pro Sekunde.
- Die Größe des Gehirns vervierfacht sich im Vorschulalter. Im Alter von etwa 6 Jahren erreicht das Gehirn etwa 90 % seiner vollen Größe.
- Die Frontallappen – das sind die Bereiche des Gehirns, die für Planung, operatives Gedächtnis und Impulskontrolle verantwortlich sind – gehören zu den letzten Bereichen, die reifen. Es ist sogar möglich, dass diese Bereiche sich erst im Alter von 35 Jahren vollständig entwickelt haben. Und sobald sie diesen Punkt erreicht haben, beginnen sie zu altern.
Wenn du älter wirst, arbeiten die verschiedenen Systeme in deinem Körper allmählich immer schlechter. Das Gehirn ist da keine Ausnahme. Daher führt normales Altern zu gewissen Veränderungen im Gedächtnis:
- Sich an Namen und Nummern zu erinnern, kann Probleme bereiten. Das strategische Gedächtnis, welches hilft, Namen und Zahlen zu speichern, beginnt ab dem Alter von 20 Jahren, sich zu verschlechtern. Auch Termine werden immer häufiger vergessen.
- Schwierigkeiten beim Erlernen neuer Dinge: Es kann länger dauern, sich neue Informationen zu merken.
- Multitasking wird schwieriger. Eine langsamere Verarbeitung kann die parallele Verarbeitung und Planung von Aufgaben erschweren.
Einige Studien weisen darauf hin, dass ein Drittel der Senioren Probleme mit dem deklarativen Gedächtnis hat, also mit Erinnerungen an Fakten oder Ereignisse. Andere Studien zeigen, dass nur ein Fünftel der Menschen über 70 dieselben Leistungen wie 20-Jährige in kognitiven Tests erreichen.
Die allgemeinen Veränderungen, die in einem alternden Gehirn ablaufen, sind:
- Gehirnmasse, besonders im Bereich von Frontallappen und der Hippocampus. Diese Bereiche des Gehirns sind an höheren Gehirnfunktionen beteiligt und kodifizieren neue Erinnerungen. Ihre Masse nimmt stetig ab.
- Netzwerkdichte. Die Anzahl der synaptischen Verbindungen nimmt ab und weniger Verbindungen können eine langsamere Verarbeitung von Informationen bedeuten.
- Weiße Substanz. Die weiße Substanz besteht aus myelinisierten Nervenfasern, die sich zusammenballen und Nervensignale zwischen den Gehirnzellen übertragen. Wissenschaftler glauben, dass das Myelin mit dem Alter abnimmt. Als Ergebnis verlangsamt sich die Übertragung von Informationen, was die kognitive Funktion beeinflusst.
- Neurotransmitter. Forscher vermuten, dass das Gehirn im Alter weniger chemische Botenstoffe produziert. Diese Verringerung von Dopamin, Acetylcholin, Serotonin und Noradrenalin könnte eine Rolle beim fortschreitenden Gedächtnisverlust spielen. Sie könnte auch zu einem erhöhten Risiko für eine Depression beitragen.
Die Rolle von Genen, wenn das Gehirn altert
Jetzt wissen wir, was passiert, wenn das Gehirn altert. Lass uns also zu der eingangs erwähnten Studie zurückkehren, um zu sehen, welche Rolle unsere Gene dabei spielen. Den Forschern zufolge könnte das DBX2-Gen die Gehirnalterung erklären.
Die Wissenschaftler verglichen die genetischen Veränderungen in Stammzellen/Vorläuferzellen von 18 Monate alten Ratten mit denen von 3 Monate alten Ratten. Sie identifizierten mehr als 250 Gene, die ihr Verhalten im Laufe der Zeit veränderten. Dies bedeutet, dass Veränderungen in der Expression oder Funktion dieser Gene wahrscheinlich eine schlechtere Funktion der Nervenzellen verursachten.
Nachdem sie diese 250 Gene identifiziert hatten, bemerkten die Wissenschaftler, dass ein Anstieg der Expression des Gens DBX2 die gealterten neuronalen Stammzellen zu verändern schien. Es wurden Test in vivo und in vitro durchgeführt und diese Tests zeigten, dass die verstärkte Expression dieses Gens in jungen Stammzellen dazu führte, dass sie sich wie alte Stammzellen verhielten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Zunahme der DBX2-Aktivität verhinderte, dass sich die älteren Stammzellen wie die jungen Zellen verhalten konnten.
Darüber hinaus betrachteten die Forscher die älteren Stammzellen und identifizierten in ihnen Veränderungen der epigenetischen Marker, die erklären könnten, warum im Laufe der Zeit die Potenz von Stammzellen abnimmt. Wenn wir uns unsere DNA wie ein Alphabet vorstellen, sind die epigenetischen Markierungen wie Akzente und Satzzeichen. Sie sagen den Zellen, ob und wie sie die Gene lesen sollen. In dieser Studie entdeckten die Wissenschaftler, wie diese Marker den älteren Stammzellen vermittelten, dass sie langsamer wachsen sollten.
Die beschriebene Studie zeigte, dass Veränderungen in Genexpression und Epigenetik zum Alterungsprozess des Gehirns beitragen, indem sie den Erneuerungsprozess des Gehirns verlangsamen. Die Forscher hoffen nun, dass diese Erkenntnisse eines Tages zu einer Verlangsamung des Alterungsprozesses genutzt werden können. Durch das Verständnis des Alterungsprozesses im Gehirn werde es erst möglich, so die Wissenschaftler, Wege zu finden, einen Rückgang der neuronalen Stammzellen frühzeitig zu erkennen und aufzuhalten.