Stigmatophilie: Sexuelle Anziehung bei Piercings und Tätowierungen
Es gibt sehr viele verschiedene Arten von Körperkunst. Und es gibt genau so viele Orte, an denen man sich piercen und tätowieren lassen kann, wie es Platz auf einem Körper gibt. Manche Menschen haben eine Leidenschaft für Piercings und Tätowierungen und andere fühlen sich davon einfach sexuell angezogen. Diese Vorliebe für Tätowierungen und Piercings bezeichnet man auch als Stigmatophilie.
Menschen mit Stigmatophilie finden Piercings, Tätowierungen und Skarifizierungen sehr attraktiv. Sie finden es einfach aufregend, die mit Tinte und Nieten verzierte Haut zu betrachten, anzufassen und zu fühlen.
Die Grundlagen der Stigmatophilie
Piercings und Tätowierungen sind ein aktueller Trend, der soziale Grenzen überschreitet und vor allem für Jugendliche in der Identitätsfindung eine enorme Bedeutung haben kann. Manche Menschen fühlen sich dabei nur Piercings oder Tätowierungen hingezogen, andere zu beiden.
Menschen mit Stigmatophilie fühlen sich von ganz unterschiedlicher Körperkunst anzogen. Aber das bedeutet nicht, dass sie den Drang haben, jedes Stück tätowierte Haut oder jedes gepiercte Ohr zu berühren – das Drumherum muss passen. Es bedeutet vielmehr, dass sie sich zu einer Person eher hingezogen fühlen, wenn diese ihren Körper verschönert hat, weil die Kunst ihnen angenehm ist. Aber sie kann nur wirken, wenn andere Faktoren nicht dagegensprechen.
Ist Stigmatophilie eine Form von Paraphilie? Oder ein Fetisch? Und ist sie normal?
Viele Experten betrachten die Stigmatophilie als eine Art der Paraphilie. “Paraphilie” wiederum beschreibt ein von der Norm abweichendes und sehr spezielles Muster sexueller Präferenzen. Der Ursprung entsprechenden Vergnügens liegt in der Regel in ungewöhnlichen Situationen, Aktivitäten oder Personen. Demzufolge bevorzugen Menschen mit Paraphilie ganz besondere Anreize für ihre sexuelle Stimulanz.
Einige Psychologen glauben, dass Personen mit Stigmatophilie von den Schmerzen angezogen würden, die durch das Tätowieren und das Piercen verursacht werden. Mit anderen Worten, sie fühlen sich durch die bloße Vorstellung dieser Schmerzen mit demjenigen verbunden, der sie ertragen hat.
Andere Experten vermuten, dass Stigmatophilie mit der sexuellen Anziehungskraft vergleichbar sei, die manche Menschen für Füße, Schuhe, Leder, Dessous, Masken, breite Hüften oder volle Lippen verspüren. Deshalb bezeichnen sie das zugehörige Verhalten als Fetisch. Nach dieser Betrachtungsweise kann sexuelle Anziehung auch ohne Tätowierungen und Piercings entstehen. Und tatsächlich, viele Stigmatophile leben in glücklichen Beziehungen, ohne Körperkunst für ihr Lustempfinden zu benötigen. Tätowierungen und Piercings steigern ihr Vergnügen allerdings noch.
Auch wenn Stigmatophilie zu einem gewissen Grad von der Gesellschaft abgelehnt wird, handelt es sich dabei nicht um eine Perversion oder psychische Störung, denn diese sexuelle Präferenz verletzt niemanden. Stigmatophilie beinhaltet keine Gewalt und niemandem wird Schaden zugefügt. Und auch wenn jede Geschichte einzigartig ist, sollte man hier nicht von einem unbändigen Verlangen oder gar einer Perversion sprechen.
Warum Tätowierungen und Piercings?
Das könnte einen anthropologischen Hintergrund haben, da sowohl Piercings als auch Tätowierungen althergebrachte Gewohnheiten sind. Im alten Rom trugen Cesars offizielle Wachen bereits Ringe in diversen Körperteilen. Sie waren nicht nur ein Teil der Kleidung, sondern auch ein Zeichen von Mut und Männlichkeit. In anderen Kulturen und Zivilisationen haben und hatten Piercings und Tätowierungen ebenfalls einen starken Symbolcharakter. Tatsächlich gehören sie bis heute zu vielen Bräuchen dazu und informieren andere über den Stand desjenigen, der sie trägt.
Abgesehen davon, dass Tätowierungen durchaus ästhetisch sein können, halten sie bestimmte Gefühle und Erinnerungen fest. Sie können alles darstellen, von Gefühlen und Erfolgen einer Person bis hin zu Überzeugungen, Ideologien oder überwundenen Hürden.
Körperkunst ist nicht nur dekorativ; sie ist eine Möglichkeit, die eigene Identität auszudrücken. Tätowierungen repräsentieren reflektieren das Innere einer Person. Demnach kann man verstehen, dass Menschen mit Stigmatophilie nicht nur die Farbe und das Design der Tätowierungen toll finden, sondern auch deren Bedeutung schätzen. Psychologen haben übrigens ihrerseits ein Interesse an Körperkunst – sie verstehen sie als weitere Quelle an Informationen zu ihrem Gegenüber.