Sind moralische Werte relativ oder absolut?
Moralische Werte bestimmen die Grundsätze, Überzeugungen und Normen, die unser Verhalten leiten. Wir sprechen über ein Wertesystem, das bestimmt, was richtig oder falsch ist. Sind diese moralischen Prinzipien allgemeiner Natur oder hängen sie von Kultur, Gesellschaft, einem bestimmten Zeitpunkt oder individuellen Gesichtspunkten ab?
Ethik und Philosophie führen eine bereits langjährige Debatte über die Frage, ob moralische Werte relativ oder absolut ist. Es gibt kein einheitliches Verständnis und keine allgemein akzeptierte Antwort, wir sehen uns jedoch die wichtigsten Überlegungen zu diesem Thema an.
Sind moralische Werte relativ?
Der Moralrelativismus geht davon aus, dass moralische Werte und Prinzipien relativ sind. Das bedeutet, dass sie sich je nach Kultur, Gesellschaft, individuellen Überzeugungen oder dem Zeitpunkt unterscheiden. In diesem Sinne gibt es keine absoluten oder universellen moralischen Wahrheiten, sondern kontextbezogene Urteile, die variieren.
Wie die Stanford Encyclopedia of Philosophy argumentiert, führt dieser Relativismus zu tiefgreifenden moralischen Unstimmigkeiten. Das liegt daran, dass es keinen gemeinsamen Maßstab gibt, was jeder Person, Gemeinschaft oder Gesellschaft die Möglichkeit gibt, unterschiedliche moralische Prinzipien und Werte zu definieren.
Dadurch entstehen zwei verschiedene Ansätze, und zwar distributive und attributive Moralsysteme:
- Attributive Moralsysteme bewerten die Handlungen oder Personen aufgrund ihrer intrinsischen Eigenschaften, unabhängig von den Konsequenzen oder dem Kontext. Bestimmte moralische Eigenschaften bestimmen die Moralität der Person. Wenn eine Person aus Mitgefühl handelt oder Gerechtigkeit verfolgt, handelt es sich um eine moralische Handlung, und zwar unabhängig von den Folgen.
- Distributive Moralsysteme hingegen bewerten die Konsequenzen der Handlung. Nutzen, Schaden und Gerechtigkeit spielen dabei eine wesentliche Rolle. Sind die Konsequenzen für die größtmögliche Anzahl von Menschen positiv, kann die Handlung als moralisch bewertet werden. Auch wenn damit Ungerechtigkeit oder Leid gelindert wird, spricht dies von der Moralität der Person.
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Der metaethische moralische Relativismus behauptet, dass moralische Werte und Normen nicht objektiv oder absolut sind, sondern abhängig von kulturellen, gesellschaftlichen oder individuellen Perspektiven definiert werden. Dieser Ansatz umfasst folgende Formen:
Deskriptiver moralischer Relativismus
Im Wesentlichen respektiert der deskriptive moralische Relativismus die Vielfalt moralischer Überzeugungen und Praktiken, die sich in verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten entwickeln. Die Moral hängt demzufolge von kulturellen, sozialen, historischen und geografischen Unterschieden ab. Dieser Ansatz beschreibt lediglich, was in einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur als moralisch angesehen wird.
Normativer moralischer Relativismus
Dieser Ansatz geht davon aus, dass es keine objektiven Kriterien gibt, um moralische Ansprüche zu bewerten. Die normative Moral bietet jedoch Verhaltensrichtlinien, Prinzipien und Werte, um moralisch richtige Entscheidungen treffen zu können. Sie appelliert an die Toleranz, wenn Handlungen auf moralischen Urteilen beruhen, denen wir nicht zustimmen.
Subjektiver moralischer Relativismus
Dieser Ansatz geht davon aus, dass moralische Prinzipien und Werte rein subjektiv sind und auf individuelle Überzeugungen oder Präferenzen aufbauen.
Sind moralische Werte absolut?
Der Moralabsolutismus geht davon aus, dass es objektive und absolute moralische Werte und Prinzipien gibt, die unabhängig von kulturellen, gesellschaftlichen oder individuellen Unterschieden gelten. Für Vertreter dieser Richtung sind Handlungen an sich gut oder schlecht, die Umstände oder persönliche Überzeugungen spielen dabei keine Rolle. Moralische Urteile werden also nach universellen Standards gefällt, die überall und in jedem Kontext gültig sind.
Moralabsolutismus und Religion
Häufig rechtfertigt sich die absolute Moral durch die Religion, insbesondere durch monotheistische Glaubensrichtungen wie Christentum, Judentum oder Islam. Der Moralabsolutismus betrachtet jedoch auch Ungerechtigkeiten als absolut, was bedeutet, dass wir ihnen nicht entkommen können. Ist es tatsächlich möglich, moralische Prinzipien festzulegen, die immer und überall gültig sind? Wie können wir die Tatsache rechtfertigen, dass unschuldigen Menschen Böses widerfährt?
Der Moralabsolutismus führt zu starren und unflexiblen Denkweisen. Es ist schwierig, damit kontroverse Fragen wie Sterbehilfe oder Kriegsethik zu beantworten, außerdem berücksichtigt dieser Ansatz nicht die Auswirkungen dieser Handlungen. Er führt dazu, dass moralische Überzeugungen als absolut und unfehlbar betrachtet werden, ohne andere Perspektiven oder Meinungen zu berücksichtigen.
Fazit: Sind moralische Werte absolut oder relativ?
Es ist offensichtlich, dass verschiedene Kulturen unterschiedliche Moralvorstellungen haben. Moralische Prinzipien prägen jede Gesellschaft: In manchen Ländern oder Regionen ist Fleischkonsum ganz normal, in Indien hingegen sind Kühe heilig und deshalb nicht zum Verzehr bestimmt. Im Islam wird der Verzehr von Schweinefleisch aus religiösen und moralischen Gründen abgelehnt.
In Japan ist die Einhaltung gesellschaftlicher Normen ein wichtiges moralisches Prinzip. Respekt, Höflichkeit und Harmonie sowie Loyalität gegenüber der Familie und Gemeinschaft werden hier besonders geschätzt. Im Wohlfahrtsstaat Schweden sind Gleichheit und soziale Gerechtigkeit besonders wichtig, während in Indien religiöse Überzeugungen und Traditionen die moralischen Werte bestimmen.
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Unsere Antwort auf die heute gestellte Frage lautet deshalb, dass moralische Werte relativ sind, wir jedoch den Überzeugungen und Prinzipien anderer Kulturen und Gesellschaften mit Respekt und Toleranz begegnen müssen.
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