Sex, Drogen und Psychosen: ein gefährlicher Cocktail
Chemsex bedeutet Sex unter dem Einfluss von Drogen wie Methamphetamin (Crystal) oder Mephedron. Diese psychoaktiven Substanzen wirken sich auf die Empfindungen und Verhaltensweise aus, haben jedoch wie jede Droge vielfältige Folgen, die sich sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene manifestieren. Experten warnen: Sex unter Drogeneinfluss kann Psychosen auslösen.
Vier Prozent der Personen, die Chemsex praktizieren, entwickeln psychotische Symptome. Dazu kommen andere Risiken wie Depression, Sozialphobie oder Angststörungen. Erfahre anschließend mehr über diesen gefährlichen Cocktail.
“Der Konsum von Stimulanzien im Zusammenhang mit Chemsex kann das Risiko für Psychosen und andere psychische Störungen erhöhen.”
Michael Brady
Sex und Drogen: ein gefährliches Vergnügen
Das Profil der Personen, die Chemsex praktizieren, ist gut definiert: In der Regel handelt es sich um homosexuelle, alleinstehende Männer zwischen 25 und 45 Jahren mit einem hohen sozioökonomischen Status (McCall et al., 2015). In geringerem Maße ist diese Praxis auch in der transsexuellen und heterosexuellen Bevölkerung zu beobachten.
Zu den am häufigsten konsumierten Substanzen gehören folgende (McCall et al., 2018):
- Mephedron, eine psychostimulierende Substanz
- Methamphetamine mit psychostimulierender Wirkung, ähnlich wie Mephedron
- GHB (Liquid Ecstasy), eine Droge mit euphorisierender Wirkung
Personen, die Chemsex praktizieren, sind häufig polyvalente Drogenkonsumenten: Sie konsumieren zwei oder mehr Substanzen gleichzeitig und wiederholt. In diesem Zusammenhang ist das zentrale Element dieser Praxis die Zeit. Betroffene können dieser Praxis stunden- oder tagelang nachgehen, wobei die Partner innerhalb einer “Sitzung” mehrmals wechseln.
Erfolgt die Verabreichung der Drogen intravenös, spricht man von “Slamsex” (Drevin et al., 2021).
“Das Wachstum dieses Phänomens steht in engem Zusammenhang mit der Ausbreitung der Partnersuche über geosoziale Netzwerke wie Grindr.”
Juan-Miguel Guerras
Chemsex und Psychosen: ein Problem der öffentlichen Gesundheit
Ein Wissesnschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Lucía Moreno-Gómez untersuchte in einer aktuellen Studie (2022) den Zusammenhang zwischen Chemsex und der Entwicklung psychotischer Symptome. Der Substanzkonsum zählt zu jenen Faktoren, die Psychosen auslösen können (Moreno-Gómez et al., 2022):
- Gefühl der Einsamkeit
- Substanzkonsum
- Hochgradig stressige Ereignisse
- Traumata und post-traumatische Belastungsstörung
- Infektionen infolge riskanter Sexualpraktiken
Diese Faktoren bilden in Kombination ein Sprungbrett für psychische Erkrankungen. Der Zusammenhang zwischen Chemsex und Psychosen wurde bisher jedoch kaum untersucht.
“Psychosen, akustische, taktile und visuelle Halluzinationen und Wahnvorstellungen wurden in bis zu 80 % der Fälle berichtet.”
Patricia Gavín
Psychotische Symptome durch Chemsex?
In fast allen von Moreno-Gómez analysierten Studien werden psychotische Symptome durch Chemsex beschrieben. Die Prozentsätze solcher Symptome reichen von 7,7 % (Hibert et al., 2021) bis zu 37,2 % (Gavin et al., 2021).
Zu den am häufigsten auftretenden psychotischen Symptomen gehören paranoide Wahnvorstellungen, visuelle Halluzinationen und selbstbezogene Wahnvorstellungen sowie Verfolgungswahn. In den meisten Fällen dauerten diese Symptome weniger als einen Monat, deshalb erfüllte ein großer Prozentsatz der Probanden nur die diagnostischen Kriterien für eine schizophreniforme Störung oder eine kurze psychotische Störung.
Möglicherweise steht die psychotische Symptomatik in direktem Zusammenhang mit dem Drogenkonsum über einen langen Zeitraum (Schreck et al., 2020). Im Zusammenhang mit Slamsex kann das bis zu dreifache Risiko beobachtet werden (Dolengevich et al., 2019).
“Chemsex ist eine Spirale der Selbstzerstörung, die zum Tod führen kann.”
Dr. Miguel Ángel López-Ruz
Ein Blick in die Zukunft
Wie wir gesehen haben, steigt das Risiko für Psychosen durch schädliche Sexualpraktiken wie Chemsex. Wenn wir den Prozentsatz der psychotischen Symptome der Allgemeinbevölkerung mit den Daten der Personen, die Chemsex praktizieren, vergleichen, wird dies besonders deutlich (Van Os et al., 2009):
- Allgemeinbevölkerung: 5 von 100 Menschen experimentieren psychotische Symptome.
- Personen, die Chemsex betreiben: Mehr als 37 von 100 Menschen leiden an Psychosen.
Hinter Chemsex verbergen sich verschiedenste Faktoren, die eine wesentliche Rolle spielen: Traumata, belastende Erfahrungen und ein ängstlich-vermeidender Bindungsstil erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dieser Praxis zu verfallen.
Ferner sind Drogenkonsum und ungeschützter Geschlechtsverkehr wichtige Faktoren, die in Kombination die Wahrscheinlichkeit erhöhen, psychotische Symptome zu entwickeln.
“Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Ausübung von Chemsex und dem Risiko, eine Psychose zu entwickeln, und unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Symptomatik möglicherweise häufiger auftritt als bisher angenommen.”
Lucía Moreno-Gómez
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Drevin, G., Rossi, L. H., Férec, S., Briet, M., & Abbara, C. (2021). Chemsex/slamsex-related intoxications: A case report involving gamma-hydroxybutyrate (GHB) and 3-methylmethcathinone (3-MMC) and a review of the literature. Forensic science international, 321, 110743. https://doi.org/10.1016/j.forsciint.2021.110743
- Dolengevich-Segal, H., Gonzalez-Baeza, A., Valencia, J., Valencia-Ortega, E., Cabello, A., Tellez-Molina, M. J., Perez-Elias, M. J., Serrano, R., Perez-Latorre, L., Martin-Carbonero, L., Arponen, S., Sanz-Moreno, J., De la Fuente, S., Bisbal, O., Santos, I., Casado, J. L., Troya, J., Cervero-Jimenez, M., Nistal, S., Cuevas, G., … U-SEX GESIDA 9416 Study (2019). Drug-related and psychopathological symptoms in HIV-positive men who have sex with men who inject drugs during sex (slamsex): Data from the U-SEX GESIDA 9416 Study. PloS one, 14(12), e0220272. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0220272
- Guerras, J. M., Hoyos, J., Donat, M., De La Fuente, L., Palma, D., Ayerdi, O., & Garcia Perez, J. N. (2022). Sexualized drug use among men who have sex with men in Madrid and Barcelona: The gateway to new drug use? Front. Public Health, 10. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpubh.2022.997730/full
- Hibbert, M. P., Germain, J. S., Brett, C. E., Van Hout, M. C., Hope, V. D., & Porcellato, L. A. (2021). Service provision and barriers to care for men who have sex with men engaging in chemsex and sexualised drug use in England. International Journal of Drug Policy, 92, 103090. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S095539592030428X
- McCall, H., Adams, N., Mason, D., & Willis, J. (2015). What is chemsex and why does it matter? BMJ (Clinical research ed.), 351, h5790. https://doi.org/10.1136/bmj.h5790
- Moreno-Gámez, L., Hernández-Huerta, D., & Lahera, G. (2022). Chemsex and Psychosis: A Systematic Review. Behavioral Sciences, 12(12), 516. https://www.mdpi.com/2076-328X/12/12/516
- Strasser, M., Halms, T., Rüther, T., Hasan, A., & Gertzen, M. (2023). Lethal Lust: Suicidal Behavior and Chemsex—A Narrative Review of the Literature. Brain Sciences, 13(2), 174. https://www.mdpi.com/2076-3425/13/2/174
- Schreck, B., Guerlais, M., Laforgue, E., Bichon, C., Grall-Bronnec, M., & Victorri-Vigneau, C. (2020). Cathinone use disorder in the context of slam practice: new pharmacological and clinical challenges. Frontiers in Psychiatry, 11, 705. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyt.2020.00705/full
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