Schwierige Paargespräche führen – das hilft dir dabei
Paargespräche, in denen du etwas ansprichst, das dir schon länger auf dem Herzen liegt, das dich stört, oder, wo du weißt, dass dein Partner verletzt wird, werden von vielen nur ungern geführt. Auch Gespräche, in denen du den anderen enttäuschen musst, oder schon weißt, dass er eine andere Meinung hat, können oft als schwierig wahrgenommen werden. Doch mit der richtigen Art von Kommunikation und Einstellung können auch Paargespräche über sensible Themen erfolgreich gemeistert werden.
In diesem Artikel gehe ich mit dir von der Vorbereitung bis über die Durchführung und Nachbereitung eines solchen Gesprächs die wichtigsten Schritte durch, sodass du diese Paargespräche so führen kannst, dass sie zu Nähe und Verständnis füreinander führen. Denn Konflikte sind immer auch eine Chance, etwas Neues über dich und deinen Partner zu lernen. So könnt ihr sehen, was euch wichtig ist, und eure Kommunikationsfähigkeiten trainieren.
Schwierige Paargespräche
Vorbereitung
Es gibt einiges, das du vor einem wichtigen Gespräch tun kannst, um es vorzubereiten. So ist es wahrscheinlicher, dass das Gespräch ruhig und konstruktiv verläuft und euch dabei hilft, das gegenseitige Verständnis und die Verbundenheit in eurer Beziehung zu stärken.
Zeitpunkt & Stimmung
Es ist wichtig, dass du für ein solches Gespräch einen entspannten Zeitpunkt auswählst, an dem ihr genügend Zeit habt, ausführlich zu reden, und nicht gestört werdet.
Erkennen & Überlegen von Bedürfnis, Gefühl, Wunsch
Überlege dir dann vor dem Paargespräch, was deine Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche in der Angelegenheit sind und wie du diese so ausdrücken kannst, dass du dem anderen keinen Vorwurf machst. Dabei kann es dir helfen, in dich hineinzuspüren und wahrzunehmen, welche Gefühle du gerade empfindest.
Die Methode der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg kann dir dabei helfen, dich klar auszudrücken. In dieser Methode gehst du für dich vier Schritte durch, um dir vor dem Gespräch klar darüber zu werden, was du brauchst und dir wünschst. Dabei sprichst du zunächst über die objektive Situation, die du ansprechen möchtest (ohne Interpretation).
Oft verwechseln wir unsere Interpretationen mit dem, was objektiv passiert ist. Es kann dir daher helfen, wenn du dich nur auf die Fakten konzentrierst. Also zum Beispiel kannst du statt „wenn du zu spät kommst, dann bin ich dir nicht wichtig“ davon sprechen, „wenn du 15 Minuten spät kommst, dann…“. Als nächsten Schritt kannst du dann deine Gefühle und Bedürfnisse äußern. Also zum Beispiel: “…dann bin ich traurig, weil mir Zuverlässigkeit sehr wichtig ist.“ Zuletzt kannst du einen Wunsch äußern, ohne zu fordernd zu sein. Du kannst zum Beispiel sagen, „…es ist mir wichtig, dass du nächstes Mal pünktlich kommst.“ Schreibe dir auf, wie du dein Anliegen vortragen willst. Vielleicht hilft es dir auch, die Sätze vor dem Spiegel zu üben oder einer Freundin vorzulesen.
Verletzlichkeit zeigen
Mache dir außerdem bewusst, dass echte Nähe nur entstehen kann, wenn ihr beide euch verletzlich zeigt. Du kannst den Einstieg in schwierige Paargespräche auch so wählen, dass du darüber sprichst, wie schwer dir solche Gespräche fallen und was deine Befürchtungen sind. So kann dich dein Partner dabei unterstützen, dich zu öffnen und ein konstruktives Gespräch zu führen.
Fokus auf gemeinsames Ziel
Es kann außerdem helfen, wenn du dir vor dem Gespräch bewusst machst, dass es nicht darum geht, Recht zu behalten, sondern darum, verschiedene Bedürfnisse zu verhandeln, um eure Zufriedenheit in der Beziehung zu erhöhen. Denn letztendlich atmet ihr die „Luft eurer Beziehung“ ein, also bist du auch direkt davon beeinflusst, wie sich dein Partner fühlt und verhält, wie der Paartherapeut Terrence Real sagt.
Währenddessen
Während dem Paargespräch gibt es ein paar Dinge, auf die du achten kannst, um es so zu führen, dass es euch hilft, eure Beziehung zu stärken und Verständnis aufzubauen. Es ist wichtig, dass du dich darauf fokussierst, das anzusprechen, was gerade passiert ist, und nicht von der aktuellen Situation auf viele vergangene Situationen überzugehen. Erzähle also, was an dieser konkreten Situation schwierig für dich war und was du dir anders wünschst. So vermeidet ihr es, in eine Schleife von Situationen und Ereignissen zu geraten, die ewig weitergeht.
Wenn ihr dazu neigt, Streitigkeiten eskalieren zu lassen, dann ist es wichtig, dies zu bemerken und zu stoppen. Wenn ihr merkt, dass einer von euch sehr wütend/traurig/verärgert reagiert, dann ist es wichtig, eine Pause einzulegen. Denn mit diesen Emotionen wird es schwierig, den Konflikt konstruktiv zu klären. Nehmt euch dann eine Auszeit, und lenkt euch ab oder tut etwas anderes, das dabei hilft, den Stress abzubauen und die Gefühle zu verarbeiten, wie z. B. Sport, Yoga etc.
Die Paartherapeuten Gottman haben außerdem in vielen Studien mit Ehepaaren vier weitere problematische Verhaltensweisen in Konflikten identifiziert. Diese vier Verhaltensweisen hatten in ihren Laborstudien Aussagekraft darüber, ob die Ehe hält oder in die Brüche geht. Sie fanden heraus, dass es wichtig ist, dem anderen nicht verachtend zu begegnen oder den Charakter deines Partners zu kritisieren (du bist immer …). Auch Mauern, also den Raum zu verlassen oder euch gedanklich in eine andere Situation zu versetzen, erkannten sie als beziehungsschädigend. Zudem solltet ihr eine Abwehrhaltung, in der ihr euch dafür verteidigt, was ihr richtig und der andere falsch macht, vermeiden.
Stattdessen ist es wichtig, dass ihr euch zuhört und Verständnis füreinander zeigt. Ihr könnt das aktive Zuhören, bei dem ihr wechselseitig eure Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse mitteilt, trainieren. Dafür hat zuerst der eine den Raum dafür, sich auszudrücken, und der andere hört nur zu, fasst zusammen, was er gehört hat und zeigt Verständnis. Dann wird getauscht und Sprecher und Zuhörer wechseln die Rollen. Das hilft dabei, Missverständnissen vorzubeugen, und sich verstanden, gehört und wertgeschätzt zu fühlen. Wenn ihr etwas ansprecht, dann achtet darauf, immer von eurer Wahrnehmung, Gefühlen etc. zu sprechen, anstatt dem anderen Vorwürfe zu machen.
Zusätzlich ist es wichtig, dass ihr beide die Verantwortung für euer Verhalten übernehmt. Wenn ihr den anderen verletzt habt, ist es wichtig, dies auch anzuerkennen. Das könnt ihr zum Beispiel dadurch tun, dass ihr euch entschuldigt für euren Anteil in dem Konflikt und einen Teil von dem, was der andere sagt, auch bestätigt und anerkennt.
Denkt auch daran: Es gibt keinen Gewinner oder Verlierer in einem Konflikt, sondern ihr könnt nur beide Gewinner oder Verlierer sein. Gewinner, wenn ihr es schafft, offen und ehrlich über den Konflikt zu reden, und das Vertrauen und die Nähe wieder herzustellen. Und ihr geht beide als Verlierer aus dem Konflikt, wenn das Gespräch zu einem Kampf um Gewinnen und Verlieren wird, und keiner sich verletzlich zeigt und Verantwortung für sein Verhalten übernehmen kann.
Danach: Reflexionsfragen
Nach dem Gespräch könnt ihr euch Zeit nehmen, über das Gespräch zu reflektieren:
- Wie habt ihr euch währenddessen gefühlt? Wie fühlt ihr euch danach?
- Habt ihr es geschafft, negative Konfliktstrategien zu vermeiden? Wenn nein, welche habt ihr verwendet?
- Was habt ihr schon gut gemacht?
- Was war an diesem Gespräch anders als in anderen Konfliktgesprächen?
- Habt ihr jeweils das Gefühl, euren Partner besser verstanden zu haben?
Denkt daran, dass man Paargespräche auch üben kann. Je häufiger ihr übt, aus anklagenden, vorwurfsvollen und verärgerten Diskussionen auszusteigen, desto besser werdet ihr darin werden. Außerdem ist es normal, am Anfang noch Schwierigkeiten dabei zu haben, eine neue Art der Kommunikation zu lernen. So wie alles, was wir neu lernen, geht es um eine Fähigkeit, die Wiederholungen benötigt, um sich zu festigen. Ihr dürft also geduldig und verständnisvoll mit euch sein, und akzeptieren, dass ihr Zeit braucht. Langfristig hilft es eurer Beziehung aber sehr, wenn ihr lernt, wie ihr schwierige Paargespräche führen könnt.
Quellen:
Lisitsa, E. (o. D.) The Four Horsemen: The Antidotes. The Gottman Institute. Abgerufen am 10. September 2022, von https://www.gottman.com/blog/the-four-horsemen-the-antidotes/
Lisitsa, E. (o. D.) The Four Horsemen: Criticism, Contempt, Defensiveness, and Stonewalling. The Gottman Institute. Abgerufen am 10. September 2022, von https://www.gottman.com/blog/the-four-horsemen-recognizing-criticism-contempt-defensiveness-and-stonewalling/.
Real, T. (2022). Us: Getting Past You and Me to Build a More Loving Relationship. Rodale Books
Rosenberg, M. B. (2015). Nonviolent communication: A language of life (3rd ed.). PuddleDancer Press.