Psychobionik: Wie die Natur uns den Weg zu innerer Ordnung zeigt


Geschrieben und geprüft von Biologin und Autorin für Persönlichkeitsentwicklung Sara Theimann
In der Psychobionik geht es darum, wie natürliche Ordnungsprinzipien aus der Biologie helfen können, unser seelisches Gleichgewicht neu zu entdecken. Vielleicht denkst du: „Natur – das ist doch Biologie oder Ökologie!“ – aber genau da überrascht dich dieser Ansatz. Psychobionik ist eine Brücke zwischen Psychologie, Systemtheorie und Naturbeobachtung. Sie ist weder klassische Therapie noch esoterische Selbsterfahrung – sondern ein erlebniszentrierter, systemisch-naturwissenschaftlich inspirierter Weg zu mehr innerer Klarheit.
Was dich hier erwartet: ein fundierter Überblick über Geschichte, Methoden, Wissenschaftsbezüge und kritische Perspektiven – inklusive dem Herzstück: dem Innenweltsurfen®.
Was ist die Psychobionik?
Die Psychobionik betrachtet die menschliche Psyche als ein komplexes, sich selbst organisierendes System, ähnlich wie ein Ökosystem. Sie verbindet Erkenntnisse aus Synergetik, Neurowissenschaft, Evolutionsbiologie und Entwicklungspsychologie mit integralen Modellen wie denen von Ken Wilber oder Jean Gebser.
Ziel ist es, durch gezielte Impulse – meist in Form innerer Bildarbeit – festgefahrene Informationsmuster zu erkennen und zu reorganisieren. Dabei entstehen tiefe Transformationsprozesse, ohne dass therapeutische Diagnosen oder klassische Trancezustände notwendig sind. Die Methode arbeitet ausschließlich auf der Ebene von Selbsterkenntnis, Bewusstsein und systemischer Selbstregulation.
Wichtig: Psychobionik ist keine Therapie im heilkundlichen Sinn. Sie wird rechtlich als Selbsterfahrungsmethode ohne diagnostischen oder heilkundlichen Anspruch durchgeführt.
Zeitstrahl: Wie sich Psychobionik entwickelte
Ein kurzer Blick auf die Entwicklung verdeutlicht ihren Ursprung und ihre heutige Form:
- 1982: Bernd Joschko beginnt mit Synergetik-Experimenten – theoretisch gestützt auf Systemtheorie und Kybernetik.
- 1988: Offizielle Etablierung der Synergetik‑Therapie, die auf Archetypen, Innenbildern und Selbstorganisation basiert.
- 2005–2011: Gründung des Berufsverbands der Synergetik-Profiler, später Umbenennung in Psychobionik-Professionals
- 2008: Marina Stachowiak veröffentlicht Psychobionik – Integrales Heilen, das Prinzipien nach Wilber und Gebser einbettet
- 2012 ff.: Methodischer Neuansatz unter dem Namen „Psychobionik“, mit integraler Perspektive und Betonung auf neuronaler Selbstorganisation.

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Selbstorganisation: Das Herzstück der Methode
Stell dir vor, deine Psyche funktioniert wie ein natürlicher Lebensraum: kein zentrales Kontrollsystem – und doch entsteht Ordnung. Genau hier setzt Psychobionik an. Das Prinzip der Selbstorganisation stammt aus der Synergetik (Hermann Haken): Systeme finden neue Ordnung durch Störungen und Rückkopplungen – nicht durch äußere Steuerung. Psychobionik überträgt diese Idee auf mentale Prozesse:
- Du gibst deinem System durch gezielte Impulse Raum zur Neuordnung (z. B. durch Bilder, Fragen, symbolisches Erleben).
- Daraus ergibt sich ein oft überraschend kraftvoller Wandlungsprozess – ohne Zwang, ohne Zielvorgabe.
Innenweltsurfen® leicht erklärt
Herzstück der Methode ist das Innenweltsurfen® – ein strukturierter Prozess, in dem du durch emotionale Bilder, biografische Szenen und symbolische Gestalten navigierst. Dabei:
- begegnest du inneren Symbolen – z. B. einem verletzten Kind, einem dunklen Raum oder einem Elternanteil,
- trittst du in aktiven Kontakt mit diesen Bildern und lässt neue Dynamiken entstehen,
- gestaltest du die Szene aktiv um – nicht suggestiv, sondern konfrontativ und energiebasiert.
Das Ziel ist keine kognitive Analyse, sondern die energetisch-emotionale Integration blockierter Muster. Vergleichbar mit moderner Traumaarbeit, aber nicht medizinisch, sondern auf Eigenverantwortung und Bewusstseinsentwicklung ausgerichtet.
Natur als Spiegel: Eiche, Schnecke und Co
Um diese Prozesse greifbar zu machen, nutzt die Psychobionik Metaphern aus der Natur:
- Die Eiche steht für innere Stärke und Verwurzelung – langsam, aber stabil wachsend.
- Die Schnecke zeigt mit ihrer Spirale nach dem Goldenen Schnitt, wie Wachstum harmonisch und organisch verlaufen kann.
- Das Schwarmverhalten symbolisiert Emergenz: Viele kleine Impulse ergeben ein größeres Ganzes – so wie viele innere Aha-Momente plötzlich Klarheit entstehen lassen.
Psychobionik lädt dich ein, dich als Teil eines natürlichen Systems zu sehen – nicht als Fehler, der korrigiert werden muss, sondern als lebendiges Wesen, das seine Ordnung finden kann. Nicht, indem du etwas „machst“, sondern indem du zulässt, dass dein Innerstes beginnt, sich selbst zu ordnen. Und das ist oft kraftvoller als jede Analyse.
Naturwissenschaftliche Hintergründe – welche Disziplinen fließen ein?
Die Psychobionik schöpft aus einer faszinierenden Mischung naturwissenschaftlicher und erkenntnistheoretischer Disziplinen. Sie verbindet dabei konkrete Theorien aus der Physik, Biologie, Psychologie und Systemtheorie mit philosophischen und spirituellen Modellen. Hier erfährst du, wie genau diese Bereiche ineinandergreifen und wie sie das Fundament der Psychobionik formen.
Synergetik (Physik komplexer Systeme)
Die Wurzel der Psychobionik liegt in der Synergetik, entwickelt vom Physiker Hermann Haken. Hier geht es um die Frage, wie sich Ordnung aus Chaos bildet – z. B. in Lasern, Wetterphänomenen oder biologischen Systemen.Bernd Joschko überträgt diese Prinzipien auf die Psyche:
- Mentale Zustände sind wie energetische Felder, die sich durch Störungen (z. B. Fragen, Innenbilder) reorganisieren.
- Die Methode zielt darauf, den Punkt zu erreichen, an dem ein „altes Muster“ instabil wird – und sich eine neue Ordnung emergent bildet.
Neurowissenschaften (Neuronale Plastizität)
Psychobionik nutzt die Idee, dass das Gehirn formbar ist: Neuronale Plastizität bedeutet, dass sich synaptische Verbindungen durch Erfahrung, Aufmerksamkeit und Bildarbeit verändern lassen.
- Das Innenweltsurfen stimuliert neuronale Netzwerke durch emotionale Aktivierung und visuelle Symbolik.
- Das kann dazu führen, dass sich emotionale Speicherungen neu organisieren – vergleichbar mit Neuverschaltung.
- So wird das Prinzip der Selbstorganisation biologisch unterfüttert.
Evolutionsbiologie (Selbstorganisation in der Natur)
In der Natur entstehen komplexe Systeme durch bottom-up-Mechanismen: Pflanzen wachsen in Resonanz mit Umweltreizen, Schwärme handeln intelligent ohne Chef, das Immunsystem reagiert flexibel.
- Die Psychobionik überträgt diese Prinzipien auf die Psyche: Resilienz entsteht durch adaptive Ordnung, nicht durch Kontrolle.
- Ein inneres System, das mit „Energie“ (Aufmerksamkeit) versorgt wird, beginnt, sich biologisch intelligent zu regulieren – so wie ein Ökosystem.
Entwicklungspsychologie & integrale Modelle
Psychobionik verknüpft bewusstseinsbezogene Entwicklung (z. B. nach Ken Wilber, Jean Gebser) mit Innenweltarbeit:
- Jede Bewusstseinsebene (archaisch, magisch, rational, integral) hat ihre inneren Bilder, Mythen und Muster.
- Marina Stachowiak hebt hervor, dass durch Innenweltsurfen der Zugang zu tieferen Bewusstseinsstufen möglich ist – nicht durch Intellekt, sondern durch Erfahrung.
- Dadurch wirkt Psychobionik wie eine Entwicklungsplattform: Du integrierst abgespaltene Anteile und „upgradest“ deine persönliche Matrix.
Systemtheorie & Kybernetik
Systeme regulieren sich über Feedback-Schleifen. In der Psychobionik ist jede Innenbild-Arbeit eine Art „Selbstbeobachtung des Systems“.
- Der Beobachter wird Teil des Prozesses – und dadurch verändert sich das System.
- Ähnlich wie in kybernetischen Modellen kommt es zu Korrekturschleifen: Wenn ein inneres Bild nicht stimmig ist, wird es durch Resonanzprozesse umgebaut.
Interdisziplinäre Verschränkung
Diese Disziplinen wirken nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel:
- Die Physik (Synergetik) liefert die Strukturtheorie.
- Die Biologie liefert die natürlichen Metaphern und Prozesse.
- Die Psychologie bringt emotionale Tiefe und Integration.
- Die Neurowissenschaften erklären die Wirkung auf der Hirnebene.
- Die Integrale Theorie zeigt, wo du dich im Bewusstseinsprozess befindest.
Genau dieses Zusammenspiel macht die Psychobionik so einzigartig: Sie ist kein starres Modell, sondern ein lebendiges, vernetztes Erfahrungsfeld, in dem du dein eigenes System erkennen und transformieren kannst – mit Unterstützung von Prinzipien, die sich in der Natur seit Jahrmillionen bewährt haben.

Was ist der Unterschied zur klassischen Bionik?
Bionik überträgt Naturprinzipien primär auf Technik (z. B. Klettverschluss), während Psychobionik diese ausschließlich auf die Psyche anwendet. Sie ist eine innere Bionik, bei der nicht externe Geräte, sondern deine inneren Bilder und neuronalen Muster neu strukturiert werden – durch eingespielte Naturprinzipien.
Einordnung in Entwicklungspsychologie & andere Modelle
Die Psychobionik lässt sich gut im Kontext moderner Entwicklungspsychologie und integrativer Bewusstseinsmodelle verorten – mit einem wichtigen Unterschied: Sie arbeitet nicht über kognitive Einsicht, sondern über symbolisches Erleben. Das macht sie besonders in der Arbeit mit emotionalen Prägungen und frühkindlichen Mustern wirkungsvoll.
Klassische Entwicklungsmodelle wie von Jean Piaget beschrieben, wie das Denken des Menschen sich in Stufen entwickelt – vom sensomotorischen Erleben bis zum abstrakten Denken. Die Psychobionik greift nicht diese Denkschritte auf, sondern setzt dort an, wo kognitive Verarbeitung nicht ausreicht: bei emotionalen Blockaden, inneren Bildern oder psychosomatischen Spannungen, die oft aus vorsprachlicher Zeit stammen.
Auch Erik Eriksons Stufenmodell, das die psychische Entwicklung über Lebensphasen beschreibt (z. B. Urvertrauen, Autonomie, Identität), findet in der Psychobionik einen praktischen Resonanzraum. Über das Innenweltsurfen kannst du innerlich dorthin zurückkehren, wo eine dieser Entwicklungsaufgaben ins Stocken geraten ist – und diese „offenen Kapitel“ symbolisch und emotional nachreifen lassen.
Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt ist John Bowlbys Bindungstheorie. In vielen Psychobionik-Sitzungen tauchen Szenen auf, in denen Menschen innerlich Kontakt zu ihrem „inneren Kind“ oder prägenden Bezugspersonen aufnehmen. Solche Begegnungen sind oft der Schlüssel, um alte Bindungsmuster zu erkennen, zu durchfühlen und zu transformieren – ohne Schuldzuweisung, aber mit klarem emotionalem Erleben.
Daneben fließen entwicklungsorientierte Bewusstseinsmodelle ein – etwa Don Becks Spiral Dynamics oder Ken Wilbers integrale Theorie. Diese beschreiben Entwicklung nicht nur psychologisch, sondern auch kulturell und spirituell. In der Psychobionik werden solche Ebenen nicht nur verstanden, sondern erlebt: Du begegnest z. B. einem kämpferischen „roten“ Anteil, einem moralisch „blauen“ inneren Kritiker oder einem integrativen inneren Beobachter. Dadurch wird Persönlichkeitsentwicklung spürbar und gestaltbar.
Auch zur Hypnotherapie nach Milton Erickson bestehen methodische Parallelen: Beide arbeiten mit Symbolen, inneren Bildern und indirekter Steuerung. Der Unterschied: Psychobionik nutzt keine Trance, sondern arbeitet im wachen Bewusstseinszustand, mit voller Selbststeuerung. Und auch zur Traumatherapie – etwa der Arbeit mit dem „inneren Kind“ oder dem Somatic Experiencing – gibt es Überschneidungen, insbesondere in der Konfrontation mit tiefen Prägungen. Doch statt über den Körper, geht die Psychobionik über das innere Bildsystem.
Was diese Methode besonders macht, ist ihre aktive Ausrichtung: Du wirst nicht analysiert – du bist selbst der Entdecker. Du bekommst keine Deutung, sondern findest deine eigene Bedeutung. Die Psychobionik ist damit weniger ein Analyseinstrument und mehr ein Entwicklungsfeld – für jeden, der bereit ist, seine innere Biografie bewusst zu gestalten.
Kritischer Blick
Aus Sicht eines Bionikers ist die Idee hinter der Psychobionik faszinierend: biologische Prinzipien wie Selbstorganisation, Rückkopplung, Systemresilienz oder Emergenz auf die menschliche Psyche zu übertragen, ist theoretisch schlüssig und konzeptionell modern. Die Methode knüpft an grundlegende Modelle aus der Systembiologie und Kybernetik an – etwa die Fähigkeit eines Systems, durch minimale Impulse komplexe Umstrukturierungen anzustoßen. Genau das macht sie für ein technisch-naturwissenschaftliches Denken anschlussfähig.
Gleichzeitig bleibt ein zentrales Problem: Die empirische Fundierung fehlt bislang weitgehend. Es gibt keine kontrollierten, unabhängigen Studien, die die Wirksamkeit oder Reproduzierbarkeit der Methode nach wissenschaftlichen Standards belegen. Was existiert, sind über Jahrzehnte gesammelte Fallberichte, interne Dokumentationen und Erfahrungsprotokolle – also ein reiches, aber informelles Wissen.
Aus der Perspektive angewandter Bionik würde man hier sagen: Das Prinzip ist interessant, die Idee elegant, aber der experimentelle Beweis steht noch aus. In der klassischen Bionik gilt: Ein biologisches Vorbild ist nur dann hilfreich, wenn es in der Technik überprüfbar und nutzbar wird. Übertragen auf die Psychobionik heißt das: Ihre Konzepte sollten in psychologischen Feldstudien getestet, dokumentiert und systematisch verglichen werden.
Auch das methodische Setting wirft Fragen auf: Der starke Fokus auf symbolische Innenbilder macht den Prozess subjektiv schwer überprüfbar. Was genau „verändert“ sich im Gehirn? Welche Parameter können gemessen werden – jenseits der Selbstauskunft? Hier wäre ein Brückenschlag zur Neuropsychologie oder bildgebenden Verfahren wie fMRT wünschenswert.
Zugutehalten muss man der Psychobionik, dass sie sich nicht als Therapie im medizinischen Sinn versteht, sondern als Weg bewusster Selbsterfahrung. Doch gerade weil sie sich in Grenzbereichen zwischen Psychologie, Philosophie und Naturwissenschaft bewegt, braucht es eine kritische, reflektierte Haltung – und mehr Forschung, um aus einem plausiblen Modell eine wirklich belastbare Methode zu machen.
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Fazit
Die Psychobionik ist ein faszinierender Erfahrungsweg, der biologische Prinzipien, psychologische Tiefe und integrales Bewusstsein auf neuartige Weise verknüpft. Statt zu analysieren oder zu therapieren, lädt sie dich ein, dein eigenes inneres System zu erleben, zu verstehen und neu zu ordnen – mit der Intelligenz, die sich in Naturprozessen millionenfach bewährt hat.
Wenn du bereit bist, deine inneren Bilder ernst zu nehmen und deiner Psyche die Möglichkeit zur Selbstordnung zu geben, kann Psychobionik ein kraftvoller Weg sein – nicht als Methode zur Korrektur, sondern als Einladung zu innerem Wachstum.
Häufig gestellte Fragen zu Psychobionik
Ist Psychobionik eine Therapie?
Nein. Psychobionik versteht sich als Methode zur Selbstheilung durch Selbsterfahrung und neuronale Selbstorganisation – ohne Diagnose, Heilversprechen oder Krankheitsbezug.
Wie funktioniert Innenweltsurfen®?
Innenweltsurfen ist eine bewusst geführte innere Reise. Du trittst in Kontakt mit deinen inneren Bildern und veränderst sie aktiv – nicht durch Suggestion, sondern durch Präsenz und energetische Konfrontation.
Gibt es eine Ausbildung?
Ja. Die Ausbildung erfolgt durch das Institut von Bernd Joschko oder autorisierte Ausbilder. Sie ist freiberuflich ausgerichtet und nicht staatlich anerkannt – aber über Jahrzehnte erprobt.
Was ist ein Archetyp?
In der Psychobionik wird „Archetyp“ meist im Sinne von C. G. Jung verstanden: universelle Symbole wie Mutter, Krieger, Weiser. Sie treten in deiner Innenwelt auf und spiegeln Ressourcen oder Blockaden.
Ist die Methode wissenschaftlich anerkannt?
Noch nicht. Es fehlen peer-reviewte Studien. Die Methode basiert auf dokumentierter Praxis und Erfahrungswissen – nicht auf klassisch-empirischer Forschung.
Ein Gastbeitrag von Sara Theimann.
Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.