Mein Partner hat kein Verständnis für meine Depression
Eine Depression sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es ist keine Grippe, kein gebrochenes Bein, es ist nichts, was durch einen Kuss und ein „Ich liebe dich“ erleichtert werden könnte, und nicht einmal Tabletten schaffen Abhilfe. Diese psychische Störung ist schlichtweg grausam und erschöpfend. Sie erfüllt unseren Geist mit Angst, frustriert uns, macht uns wütend und fördert unser Bedürfnis, uns von der Außenwelt zu isolieren. All das ist schwer für die Menschen, die unser Umfeld bilden. Wenn es aber unser Partner ist, der kein Verständnis für die Depression hat, dann wiegt das besonders schwer.
Die Mehrheit der medizinischen Berichte zeigt uns eine Realität auf, die oft unbemerkt bleibt. Eine Depression hat direkte Auswirkungen auf den Partner des Betroffenen und damit auch auf den Rest der Familie. Die Schwierigkeit besteht jedoch nicht darin, das Vorhandensein dieser Krankheit, dieser Störung zu akzeptieren. Das Problem liegt in unser aller Unfähigkeit, die Depression zu verstehen und vernünftig damit zu umgehen.
„Es gibt Wunden, die nie am Körper zu sehen sind, die tiefer und schmerzhafter sind als jede andere Verletzung und die nicht einmal unsere Liebsten wahrnehmen können.“
Laurell K. Hamilton
Die Liebe, die wir zu unserem Partner bekennen, reicht in solchen Situationen nicht aus …. und unser Wille auch nicht. Oftmals ist es notwendig, sich bestimmten Tatsachen zu stellen, auf die auf affektiver Ebene niemand vorbereitet ist. Beispielsweise müssen Angehörige von Betroffenen dabei zusehen, wie diese die Einsamkeit ihrer Gesellschaft vorziehen, wie Körperkontakt vermieden wird oder wie die Patienten, ohne wirklich zu verstehen, warum, aufgehört haben, sich für die täglichen Sorgen und Dynamiken ihrer Liebsten zu interessieren. Sie werden zu einem verschwommenen Schatten ihrer selbst, der Äußeres und Inneres vernachlässigt.
Wenn wir Gefangene einer psychischen Störung sind, verliert das Leben an Ordnung, Bedeutung und Sinn. Falls unser Partner kein Verständnis für die Depression hat und nicht dazu in der Lage ist, ohne Druck oder Urteile an unserer Seite zu sein, wird der Heilungsprozess wesentlich länger dauern.
Wie sehr Betroffene darunter leiden, wenn der Partner kein Verständnis für die Depression aufbringt
Die Präsenz einer Depression gleicht der eines Elefanten im Inneren eines Hauses, der alles verwüstet. Wir könnten sie auch mit einem schwarzen Loch vergleichen, das alles in sich hineinzieht und verschlingt, um es zu einer seltsamen Dimension zu machen, wo die Realität einem formlosen Nichts gleicht. Niemand ist darauf eingestellt, diese mentalen Prozesse zu verstehen, während derer unser Verstand als unser größter Feind fungiert.
Außerdem ist diese Kondition nicht nur für den Betroffenen belastend, sondern auch für seinen Partner. Das Erste, was Partner in so einer Situation verspüren, ist Verlorenheit: Der Betroffene scheint in jeglicher Hinsicht unerreichbar zu sein, denn die Symptome dieser Störung widersprechen dem Wesen einer jeden glücklichen Beziehung. Es gibt weder ein emotionales noch sexuelles Verlangen, genauso wenig wie Interesse, und noch weniger gibt es Hoffnung.
Ein Partner, der die Depression seiner besseren Hälfte nicht versteht, fühlt sich häufig noch dazu schuldig: Habe ich etwas getan, dass sich mein Partner so fühlt? Sich selbst dafür die Schuld zu geben und diese Last, verantwortlich für die Störung eines geliebten Menschen zu sein, auf sich zu nehmen, ist eine häufig auftretende, aber irrige Reaktion auf die Diagnose Depression. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass es in den meisten Fällen keinen konkreten Auslöser für diese Störung gibt und dass diese Denk- und Verhaltensweise die Unterstützung des Partners noch mehr erschwert.
Die zwei häufigsten Fehler, die Partner von an einer Depression erkrankten Menschen machen, sind folgende: Der erste ist, sich selbst die Schuld für die Störung zu geben. Der zweite besteht darin, sich für Symptome verantwortlich zu machen. Wenn unser Partner lieber den ganzen Tag schläft, als mit uns spazieren zu gehen, bedeutet das nicht, dass er uns weniger lieben würde. Es bedeutet, dass er nicht aufstehen kann, dass er sich sehr quält, dass sein Geist mehr Macht hat als sein Wille. Frustriert darüber zu sein, dass unser Partner nicht auf unsere Bedürfnisse, Ratschläge oder guten Absichten reagiert, können wir uns schlichtweg nicht erlauben.
Wie können wir unserem Partner helfen, wenn er an einer Depression leidet?
Bevor wir auf die Ratschläge eingehen möchten, die uns helfen können, einen Menschen zu unterstützen, der an einer Depression leidet, wollen wir einen Aspekt ansprechen: Wenn unser Partner kein Verständnis für die Depression hat und den Fehler macht, uns dafür zu beschuldigen, dann läuft etwas nicht richtig. In solch einer Partnerschaft ist nicht nur die Depression ein Störfaktor, sondern auch eine Unreife seitens des Partners. In einer reifen Partnerschaft lernen die Partner, mit Hindernissen umzugehen.
Eine bedeutsame und gesunde affektive Bindung kann jedes Problem angehen, sei es ein großes oder kleines, ganz egal, ob die Entstehung dieses Problems auf ökonomische, persönliche oder affektive Faktoren zurückzuführen ist, und selbstverständlich schließt das auch Krankheiten mit ein. Es ist wichtig, zu verstehen, dass ein Mensch mit einer Depression nicht seine Fähigkeit, seinen Partner zu lieben, verloren hat. Allerdings hat er die Fähigkeit verloren, sich selbst zu lieben. Und genau an diesem Punkt braucht er uns mehr denn je. Und wenn wir das nicht verstehen können, können die von uns verursachten Komplikationen sehr schwerwiegend sein.
Wenn unser Partner kein Verständnis für die Depression hat, müssen wir ihm Wege aufzeigen, damit er uns versteht. Falls wir jedoch merken, dass ihm der Wille fehlt und wir uns bedroht und noch schlechter fühlen, müssen wir eine Entscheidung treffen. Und diese Entscheidung muss für uns die bestmögliche sein.
Deshalb ist es äußerst wichtig, dass wir folgende Strategien berücksichtigen, um zukünftig gerechter, verständnisvoller und taktvoller mit unserem Partner umzugehen:
- Wir sollten uns über die Krankheit Depression informieren: Ein wichtiger Schritt ist es, Teil des Interventions- und Heilungsprozesses unseres Partners zu sein. Mit ihm zur Therapie zu gehen und es Fachleuten zu ermöglichen, uns über die Art der Depression zu informieren, unter der unsere bessere Hälfte leidet, wird uns eine große Hilfe sein. Genauso können uns diese Fachleute bestimmte Ratschläge geben, um den Fortschritt beim Heilungsprozess zu erleichtern.
- Wir sollten nichts erzwingen und uns nicht auf Ziele konzentrieren: Eine Depression braucht Zeit, durchläuft Höhen und Tiefen und reagiert nie auf Druck oder Ultimaten. Der Genesungsprozess liegt in der alleinigen Verantwortung derjenigen, die an einer Depression erkrankt sind. Und wir müssen respektieren, wie viel Zeit ein Patient braucht und dürfen ihm keine unhaltbaren Ziele setzen.
- Wir sollten unserem Partner zur Seite stehen, ihm aber seinen Freiraum lassen: Manchmal ist die bloße Anwesenheit mehr wert als Worte. Wir sollten uns nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn unser Partner einen Gang zurückschaltet und sich dazu entschließt, nicht mit uns spazieren zu gehen. Wenn er lieber im Bett bleiben möchte, sollten wir ihn dafür nicht bestrafen, sondern besser daran erinnern, dass wir da sind, wenn er uns braucht. Wir dürfen ihn nicht verurteilen. Auch wenn es schwerfällt, sollten wir in seiner Nähe präsent sein und ihn im Stillen unterstützen.
- Verantwortungen aufteilen: Die einzige Verpflichtung, die ein an einer Depression erkrankter Mensch hat, ist, gesund zu werden. Für uns ist es wichtig, dass wir unser Leben, unsere Arbeit und andere Lebensbereiche, die unser emotionales Gleichgewicht sichern, nicht vernachlässigen. Jeder von uns hat seine ganz eigenen Verantwortungen, und unsere als Partner ist es auch, uns um unser Wohlbefinden zu kümmern, um so gut es geht für den anderen da zu sein, wenn er uns braucht.
Wie wir uns vorstellen können, sind diese Situationen für niemanden einfach. Wenn unser Partner unsere Depression nicht versteht und keine Signale sendet oder Bereitschaft zeigt, uns in diesem Prozess zu unterstützen, ist es vielleicht das Beste, eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung wird nicht leichtfallen. Wenn wir uns aber heilen wollen, ist es notwendig, einen Ausweg aus diesen Umfeldern zu finden, die sowohl unsensibel als auch schädlich sind.
Darüber hinaus sollten wir uns bemühen, die uns angebotene Unterstützung nicht zu verweigern, sondern sie einfach anders zu nutzen, falls sie unseren Bedürfnissen nicht entspricht. Letztendlich ist es eine mächtige Waffe, auf einen Partner zählen zu können, der dazu bereit ist, uns zu helfen. Wir können ihn mit ein wenig emotionaler Intelligenz zu unserem Vorteil nutzen, um aus unserem schwarzen Loch herauszukommen.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Misri S, Kostaras X, Fox D, Kostaras D. The Impact of Partner Support in the Treatment of Postpartum Depression. The Canadian Journal of Psychiatry. 2000; 45(6):554-558. doi:10.1177/070674370004500607