Mache jeden Tag etwas, das dir Angst macht

Mache jeden Tag etwas, das dir Angst macht
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Die Angst ist eine dieser Mächte, die entweder dazu führt, dass wir über uns selbst hinauswachsen, oder sie macht uns zu Sklaven unserer selbst. Entweder setzen wir Selbstverteidigungsmechanismen in Gang und stellen uns der Gefahr oder wir erbauen eine Mauer, hinter der wir uns vor der Welt verschanzen. Deswegen müssen wir der Angst ins Auge sehen, damit sie nicht unkontrolliert wächst. Deswegen möchte ich dir heute vorschlagen: Mache jeden Tag etwas, das dir Angst macht.

Wahrscheinlich laden dich die Menschen, die dich lieben, nicht dazu ein, weil sie dich schützen wollen. Oftmals versuchen sie dich auch davon zu überzeugen, deine Grenzen nicht zu überschreiten, nichts zu riskieren und dich nicht dem ungemütlichen Gefühl auszusetzen, deiner Angst die Stirn bieten zu müssen. Sie meinen es ja nur gut. Angst ist kein angenehmes Gefühl, obwohl es heutzutage viele Menschen gibt, die regelrecht süchtig nach dem Risiko geworden sind.

„Ein Mensch, der ohne Gefahr Angst hat, erfindet die Gefahr, um seine Angst zu rechtfertigen.“

Alain

Unter normalen Umständen empfinden wir Angst als etwas, das uns beunruhigt und von dem wir uns so schnell wie möglich distanzieren wollen. Das Schlimme dabei ist, dass wir auf diese Weise Lebensstile erschaffen, die uns am Weiterkommen hindern.

Mache etwas, das dir Angst macht – oder anders gesagt: Verlasse deine Komfortzone

Unsere Komfortzone ist überall da, wo wir alles ganz leicht unter Kontrolle haben. Wir könnten sie auch Routine, das Bekannte oder Gewohnheiten nennen, und aus genau diesem Grund lädt sie uns dazu ein, in ihr zu verweilen, ohne uns Herausforderungen zu stellen, ohne zu wachsen und weiterzukommen.

Junge tanzt auf Zaun

Natürlich ist es sehr gesund, eine Komfortzone zu haben. Physischen und emotionalen Raum, der uns erlaubt, Sorgen einmal beiseite zu lassen und uns eine Zeit lang von ihnen zu distanzieren, um Entscheidungen zu treffen, uns einfach an Kleinigkeiten zu erfreuen und nichts weiter tun zu müssen, als Ruhe zu finden. Diese Freiräume sind absolut notwendig, um Erfahrungen zu verarbeiten, sie zu verinnerlichen und uns selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Manchmal passiert es aber auch, dass sie wie eine Blase wirken, die uns von bereichernden Erfahrungen fernhält. Wie Rückzugsorte, die wir niemals wieder verlassen wollen. Sie helfen uns dabei, Ängste in Schach zu halten, sogar diejenigen, denen wir uns stellen und die wir überwinden müssten, um zu wachsen oder um irgendein Leiden zu verringern. Deshalb ist etwas, das mir Angst macht, zu tun, im Grunde genommen eine Aufforderung an das Ich, seine Komfortzone zu verlassen.

Die Angst versteckt sich überall

Im Allgemeinen dient die Angst dazu, uns vor Gefahren zu schützen. Doch wenn sie übermäßig groß wird, belagert sie unsere Seele. Sie folgt einer ganz eigenen Dynamik: Sie nährt sich selbst. Unsere Angst wird für gewöhnlich von allein größer. Und wenn wir ihr keine Grenze setzen, kann sie sogar ins Unermessliche steigen.

Wir alle brauchen ein bisschen Angst, um zu leben, aber wir laufen auch alle Gefahr, uns von ihr unterkriegen zu lassen. Oft geschieht das unbewusst. Wenn wir Angst davor haben, vor Publikum zu sprechen, leben wir so, dass wir das niemals tun müssen und vermeiden jegliche Situationen, in denen wir uns dieser Angst stellen müssten. Das klingt logisch. Was nicht logisch ist, ist, dass wir wegen dieser Angst eventuell kleine und auch große Möglichkeiten ausschlagen.

Das Gleiche passiert auch mit wesentlich wichtigeren Dingen, wie zum Beispiel dem Leid. Wir haben Angst davor zu leiden und daher gehen wir tausend schönen Erfahrungen im Leben aus dem Weg, um uns zu schützen. Oder wir fürchten uns vor der Einsamkeit und nehmen uns selbst unsere Freiheit, um uns nicht unserer Angst stellen zu müssen.

Mache jeden Tag etwas, das dir Angst macht

Der Knackpunkt dabei ist, dass es keine andere Möglichkeit gibt, unsere Angst zu besiegen, als ihr die Stirn zu bieten. Auch hier setzt sich eine Dynamik in Gang, bei der wir uns nach und nach immer fähiger und mutiger fühlen, unsere Angst zu besiegen, je mehr wir uns ihr stellen. Auch Mut nährt sich selbst …

Darüber hinaus entdecken wir langsam andere Facetten unseres eigenen Wesens, wenn wir etwas tun, das uns Angst macht. Unser Selbstvertrauen wächst und damit auch die Eigenliebe. Es fühlt sich gut an, diese Grenzen zu überschreiten. Aber natürlich hat auch die Angst ihre Grenzen. Wir können eine gewisse Angst vielleicht nicht überwinden, weil wir noch nicht bereit dazu sind und anstatt unseren Mut zu nähren, sind wir am Ende noch ängstlicher als am Anfang.

Buckelwale durchbrechen die Wolkendecke

Also kann es sehr hilfreich für uns sein, der Einladung zu folgen. Nimm es dir genau so vor: “Ich tue jeden Tag etwas, das mir Angst macht.“ Und dabei können wir mit kleinen Ängsten beginnen. Wenn wir zum Beispiel Angst vor der Dunkelheit haben, können wir uns für ein paar Minuten in die vollkommene Dunkelheit setzen. So kommen wir Stück für Stück ans andere Ufer und fühlen uns jedes Mal ein bisschen stärker. Wir können auch einfach an einem uns unbekannten Ort spazieren gehen, der bei uns Beklemmung hervorruft.

Du, und nur du, weißt, wo du anfangen musst. Traust du dich?


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.