Impostor-Syndrom: Warum sind insbesondere Frauen betroffen?

Selbstzweifelt, Angst vor Ablehnung und ständige Vergleiche können auf das Hochstapler-Syndrom hinweisen. Studien legen nahe, dass dieses Phänomen bei Frauen besonders häufig vorkommt. Wir erklären, warum.
Impostor-Syndrom: Warum sind insbesondere Frauen betroffen?
Macarena Liliana Nuñez

Geschrieben und geprüft von der Psychologe Macarena Liliana Nuñez.

Letzte Aktualisierung: 12. November 2023

Das Impostor-Syndrom oder Hochstapler-Syndrom führt zu übertriebenem Selbstzweifel. Betroffene Frauen, die in ihrem Beruf erfolgreich sind, glauben, nichts zu können, nicht gut genug zu sein oder den Job nur aufgrund der Frauenquote erhalten zu haben. Sie glauben nicht an ihre eigenen Fähigkeiten, sondern erklären sich ihren Erfolg durch Glück, Zufall oder Sympathie. Deshalb haben sie das Gefühl, eine Hochstaplerin zu sein.

Häufig sind leistungsstarke Menschen von diesem Syndrom betroffen, wobei es Frauen besonders schwerfällt, ihre eigene Leistung und ihren Erfolg zu akzeptieren. Warum ist das so?

Imposter-Syndrom: Was ist das?

Die Psychologinnen Pauline Rose Clance und Suzanne Imes beschrieben dieses Phänomen bereits in den 1970er-Jahren. In einer Studie fanden sie heraus, dass  Frauen trotz ihres beruflichen Erfolgs glauben, dass sie nicht intelligent sind und einen Job besetzen, den sie nicht verdient haben. Das Impostor-Syndrom scheint nicht im DSM-5 als psychische Störung auf, kann jedoch anhand von  folgenden Merkmalen identifiziert werden:

  • Perfektionismus
  • Furcht vor Ablehnung
  • Selbstabwertung
  • Fehlende Selbstakzeptanz
  • Selbstabneigung und Selbstsabotage
  • Ständiger Vergleich
  • Unfähigkeit, Lob anzunehmen
  • Prokrastination
  • Unfähigkeit, den eigenen Erfolg als solchen anzuerkennen

Sozialer Druck, Stereotype, übermäßige Selbstansprüche oder Enttäuschungen und Misserfolg stehen häufig mit diesem Syndrom im Zusammenhang. Natürlich können auch Männer daran leiden, doch die Fachzeitschrift Journal of General Internal Medicine hebt hervor, dass Frauen häufiger davon betroffen sind.

Impostor-Syndrom: Warum sind viele Frauen betroffen?

Das Hochstapler-Syndrom entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel von inneren (Persönlichkeitsmerkmale) und äußeren (sozialer Druck) Faktoren. Bei Frauen sind außerdem häufig Stereotype und Vorurteile im Spiel.

Aus klinisch-psychologischer Sicht

Wenn Frauen das Gefühl haben, ihren eigenen Erfolg nicht zu verdienen, liegt das großteils an Stereotypen, Glaubenssätzen und gesellschaftlichen Erwartungen, die dazu führen, dass sie ein negatives Selbstbild entwickeln und ihre eigenen Fähigkeiten infrage stellen. Sie haben das Gefühl, ihren Erfolg nicht verdient zu haben.

Eine in The American Journal of Surgery veröffentlichte Studie ergab, dass 31,1 % der Betroffenen unter Angstzuständen leiden. Frauen sind davon häufiger betroffen, da sie im Berufsleben häufig ihre Kompetenz unter Beweis stellen müssen und wiederholt in Bedrängnis geraten. Sie haben sehr hohe Selbstansprüche und die Tendenz zur Perfektion. Zudem sind sie sehr selbstkritisch, konzentrieren sich auf ihre Fehler und Schwächen und setzen sich selbst unter Druck. Sie sind nicht in der Lage, ihre Leistungen anzuerkennen und stehen unter Dauerstress.

Diesbezüglich deutet eine in Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie darauf hin, dass Menschen mit dem Impostor-Syndrom subjektiv wahrnehmen, dass sie für ihre Erfolge nicht angemessen belohnt werden. Deshalb sind sie mit ihren Leistungen unzufrieden.

Aus sozialpsychologischer Sicht

Noch immer verdienen viele Frauen weniger als Männer in der gleichen Position, was unter anderem ihr Selbstvertrauen beeinflussen kann. Ein in der Zeitschrift Plos One publizierter Artikel beschreibt, dass die Gehaltserwartungen von Männern und Frauen unterschiedlich verinnerlicht werden,  noch bevor sie anfangen zu arbeiten. Während Männer mutig sind, wenn sie mit Gehaltsinformationen konfrontiert werden, sind Frauen risikoscheu, weniger wettbewerbsorientiert und haben weniger Selbstvertrauen.

Trotz der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es nach wie vor Diskriminierung, insbesondere in Führungspositionen. 

Andererseits leiden auch Frauen ethnischer Minderheiten, die im Ausland arbeiten, häufiger an diesem Syndrom. Diese Situation kann zu einer zusätzlichen Herausforderung werden. Eine in der Zeitschrift Journal of African American Women and Girls in Education veröffentlichte Studie untersuchte das Impostor-Syndrom bei schwarzen Frauen mit einem Studium in MINT-Fächern. Die Ergebnisse machten deutlich, dass sich Hochschuleinrichtungen stärker auf ihre Bedürfnisse konzentrieren sollten.

Das Impostor-Syndrom kann die akademischen und beruflichen Leistungen einschränken. Allerdings wurden bei den Noten keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen schwarzen Frauen mit Doktortitel und anderen Studierenden festgestellt.

Frauen in Führungspositionen: statistische Daten

Das Impostor-Syndrom ist ein Phänomen, das trotz bemerkenswerter Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und in der Wissenschaft unauslöschliche Spuren in der Berufserfahrung vieler Frauen hinterlässt. Um dieses Thema besser zu verstehen, sehen wir uns verschiedene Statistiken an.

Drei von vier Frauen erleben irgendwann in ihrer Karriere das Hochstapler-Syndrom.

Noch immer ist die Anzahl an Frauen in Führungs- und Managementpositionen geringer als die von Männern. In Deutschland sind nur 28,9 % der Führungspositionen von Frauen besetzt. In Polen (42,9 %) und Schweden (41,7 %) ist dieser Anteil deutlich höher, während sich Kroatien mit 21,6 % am Ende der Liste befindet.

Das Statistische Bundesamt berichtet, dass Frauen in Deutschland im Jahr 2022 mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Eewerbsbiografien rund 7  % weniger pro Stunde verdient haben als Männer.

Fazit

Das Impostor-Syndrom behindert den beruflichen und persönlichen Werdegang, wobei Frauen besonders häufig davon betroffen sind. In den meisten Fällen handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen. Der Austausch mit anderen in einer Selbsthilfegruppe sowie psychologische Unterstützung kann Betroffenen helfen.


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