"House of the Dragon": Wie man den Vater nicht tötet

In dieser Serie, die sich im Universum von Game of Thrones entwickelt, sind Vater-Tochter-Beziehungen besonders wichtig. Wir analysieren heute die psychologische Entwicklung der Hauptfigur: Rhaenyra Targaryen.
"House of the Dragon": Wie man den Vater nicht tötet
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Gonzalo Blanco Sardina

Letzte Aktualisierung: 08. Januar 2024

Die Prequelserie “House of the Dragon” hat sich ausreichend von “Game of Thrones” distanziert, um eine eigene Identität zu entwickeln. Aus psychologischer Sicht ist Rhaenyra, die Tochter und Erbin des verstorbenen Königs Viserys Targaryen. Vorsicht: Wir warnen dich, dass dieser Artikel Spoiler enthält. 

“House of the Dragon” ist eine Geschichte der Entwicklung und Reife. Wir wissen, dass die Eltern und andere Bezugspersonen in der Kindheit eine entscheidende Rolle spielen und wir können dies auch in dieser Serie beobachten. Rhaenyra ist stark von der komplexen und wechselhaften Beziehung zu ihrem Vater geprägt. Doch auch ihr Onkel, Daemon Targaryen, hinterlässt tiefe Spuren.

Väter und Töchter in “House of the Dragon”

Ein Großteil der dramatischen Elemente dieser Serie basiert auf der Beziehung zwischen Vätern und Töchtern. Die Ausgangssituation für die Beziehung zwischen Rhaenyra und Viserys könnte nicht reißerischer sein.

Zu Beginn der Serie trifft der König die Entscheidung, die Geburt seines Sohnes zu beschleunigen, obwohl dies bedeutete, seine Frau zum Tode zu verurteilen. Diese Tatsache führt nicht zu einem konkreten Konflikt mit Rhaenyra, dringt jedoch in das kollektive Unbewusste von Westeros ein. Kinder sind nichts anderes als Instrumente der Macht, und ein männlicher oder weiblicher Nachkomme kann den Unterschied zwischen Frieden und Krieg ausmachen.

Jeder, der “House of the Dragon” gesehen hat, weiß, dass die Geburt weder für den Sohn noch für die Mutter gut verlief, deshalb sieht sich Viserys “gezwungen”, seine Tochter Rhaenyra zur Nachfolgerin auf dem Eisernen Thron zu ernennen.

Der König ist sich bewusst, dass eine Frau als Erbin alles verkomplizieren kann, aber er setzt sein politisches Erbe trotzdem auf eine Prophezeiung. Das “Lied von Eis und Feuer” beschreibt einen Traum über eine Bedrohung aus dem Norden, die nur dann besiegt werden kann, wenn ein Targaryen den Thron innehat. Viserys glaubt immer noch, dass er den Frieden in seinem Königreich bewahren kann.

Carl G. Jungs Animus

Um die Entwicklung eines Charakters wie Rhaenyra zu verstehen, können Carl Gustav Jungs Studien über Archetypen und das kollektive Unbewusste hilfreich sein. Sigmund Freuds Schüler entwickelte ein Konzept, das als Animus bekannt ist, lateinisch für “Geist”. Er bezieht sich auf die archetypischen Bilder des ewigen Männlichen im weiblichen Unbewussten (Animus) und der weiblichen Natur im Unbewussten des Mannes (Anima).

Rhaneyra wird uns als eine Prinzessin vorgestellt, die lieber auf einem Drachen reitet, als sich um die Pflichten des Hofes zu kümmern. Es überrascht nicht, dass ihre größte Inspiration ihr Onkel Daemon ist. Schließlich verkörpert der Bruder des Königs die charakteristischen Werte einer Erobererfamilie wie der Targaryens.

Ganz anders ist die Figur ihres Vaters, der den Spitznamen “der Friedvolle” trägt, da er immer versuchte, Konflikte zu vermeiden – auch wenn Marcaderiva von den Piraten der Triarchie bedroht wird oder der Verdacht besteht, dass sein eigener Bruder ein Komplott gegen ihn schmiedet. Für Viserys war ein bewaffneter Konflikt immer die letzte Option.

Diese Abweichung von den Targaryen-Vorstellungen erschwert Viserys Beziehung zu Rhaenyra. Sie versteht nicht, warum ihr Vater seine Drachen nicht dorthin schickt, wo sie gebraucht werden. Und es ist ihr oft auch ein Rätsel, warum ihr Vater sie als Erbin gewählt hat.

Dem Vater trotzen

Rhaenyras zwei Hauptbeziehungen (zu ihrem Vater und zu ihrem Onkel) zeigen ihre inneren Konflikte auf. Die gesamte Serie dreht sich um diesen Zwiespalt: Krieg und Frieden, das Rationale und das Leidenschaftliche, das Maskuline und das Feminine – das Lied von Eis und Feuer.

Zu Beginn wissen wir bereits, welche Seite Rhaenyra wählt: die ihres Onkels Daemon. Dies wird durch das sexuelle Verlangen zwischen den beiden und ihrer anschließenden Ehe auf körperliche Weise dargestellt. Es mag schäbig und abartig erscheinen, aber es ist eine elegante Art und Weise, die Entwicklung der Hauptfigur der Serie zu zeigen.

Wenn wir die Konzepte von Carl G. Jung als Ausgangspunkt nehmen, können wir interpretieren, dass Rhaenyra den Animus, das ewig Männliche, umarmt. Das kollektive Unbewusste gibt ihr die Antworten, nach denen sie sucht, um diesen Weg zu sich selbst zu finden. Und wenn die Heirat mit ihrem Onkel auch noch die Position des Hauses Targaryen in Westeros stärkt, was kann da schon schiefgehen?

Die Heirat von Rhaenyra und Daemon könnte als Provokation gegenüber ihrem Vater gesehen werden, aber die Beweggründe der Prinzessin scheinen edel und aufrichtig zu sein. Das Problem ist, dass sie Zeit benötigt, um zu erkennen, dass ihre Entscheidung weit über das Schlafgemach hinausgeht.

"House of the Dragon": Rhaenyra
Milly Alcock ist die australische Schauspielerin, die Rhaenyra verkörpert.

Dem kollektiven Unbewussten trotzen

König Viserys stirbt an einer seltsamen Infektion, aber Rhaenyras geplante Krönung wird zu einer Verschwörung, durch die Prinz Aegon, der Sohn von Viserys und Alicent Hightower, zum Beschützer der Sieben Königslande ernannt wird. Nach Jahrzehnten des relativen Friedens ist Westeros hin- und hergerissen zwischen denen, die Rhaenyra treu bleiben, und denen, die einen Mann auf dem Eisernen Thron bevorzugen.

Die Zeit ist gekommen, Entscheidungen zu treffen und Erfahrungen und Wissen anzuwenden. Rhaenyra wird sich jetzt bewusst, dass ihr Vater recht hatte: Ist es besser, alles zu tun, um den Frieden zu bewahren, oder reicht es, den Thron mit Gewalt zu übernehmen und über die Asche zu herrschen? Vernunft und Legitimität gehören Rhaenyra, niemand kann sie ihr wegnehmen. Aber das muss kein Grund sein, eine Entscheidung zu treffen, die ganz Westeros schaden wird.

“Wir erobern Westeros nicht mit Träumen oder Prophezeiungen. Du bist genauso schwach wie dein Vater.”

Daemon Targaryen

Die Entscheidung

Viele ihrer Verbündeten unterstützen ihre Entscheidung, Bündnisse zu schmieden und ihre Position zu festigen. Aber ihr Mann Daemon ist da anderer Meinung. Das kollektive Unbewusste stimmt mit Rhaenyras Onkel überein. Die Targaryens müssen ihre Drachen entfesseln und beweisen, wer in Westeros regiert. Aber Rhaenyra möchte nicht nachgeben.

Die Königin erwähnt die Prophezeiung von Aegon dem Eroberer. Das Lied von Eis und Feuer. Zum ersten Mal macht sich Rhaenyra die Werte ihres Vaters zu eigen und trotzt dem kollektiven Unbewussten. Und in diesem Moment kommt das Feuer des Drachens aus Daemons Maul. “Wir erobern Westeros nicht mit Träumen oder Prophezeiungen. Du bist genauso schwach wie dein Vater”, antwortet er seiner Frau, während er sie zur Warnung würgt.

Die rechtmäßige Königin erkennt die wahre Entscheidung, die sie traf, als sie Daemon heiratete. Das beweist ihre Position auf dem politischen Schachbrett. Deshalb muss Rhaenyra zuerst ihren Vater ehren und dann dem kollektiven Unbewussten trotzen. Um auf die gleiche Dichotomie zurückzukommen: Frieden und Krieg, das Rationale und das Leidenschaftliche, das Maskuline und das Feminine – das Lied von Eis und Feuer.


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